Jürgen von der Lippe


Der gelernte Blödelbarde löste die Aufgabe mit links, notgedrungen, denn auf dem rechten Ohr ist er taub. Allzu viel Freude hatte die scharfzüngige Show-Natur allerdings nicht. Das Herz des studierten Germanisten und Philosophen hängt eher an zartem Schmelz, nach Möglichkeit aus den frühen 60er Jahren und so erlesenen Kehlen wie denen der Everly und Righteous Brothers. Doch die sind längst verstummt.

New Mixed Emotions: „Lonely Lover“

..Das ist eindeutig Drafi Deutschers Handschrift. Eine leichte Aufgabe. Man erkennt ihn nun mal sofort an seiner Stimme und an der Art, diese pompösen Klangteppiche zu verlegen. Das ist Musik nach meinem Geschmack. Vor allem seine zu Bombast neigende Ader gefällt mir sehr, bin ich doch ein überzeugter Schnulzier. Als Drafi-Fan würde ich mich zwar nicht gerade bezeichnen, doch ein Song wie .Marmor, Stein und Eisen bricht‘ ist inzwischen längst deutsches Kulturgut. Zudem ist er ein geiler Komponist.“ Joe Jackson: „Stranger Than Fiction“

„Der Herr phrusiert ein bißchen wie Tom Petty. Ansonsten fällt mir nichts dazu ein. Was. Joe Jackson soll das sein? Das ist doch der Typ. der mit Vorliebe quer durch alle Stil-Beete latscht. Ihm kann man kaum auf die Schliche kommen. Trotzdem, insgesamt ein sehr gelungener Song.“ Del Shannon: „Walk Away“

..Ist das etwa Del Shannon‘.‘ Steh‘ ich total drauf. Übrigens, genauso wie auf Dion di Mucci und Roy Orbison. die allesamt zur gleichen alten Schule gehören. Das ruft sofort Erinnerungen an meine Teenager-Zeit in mir wach.

Damals schwang ich nämlich noch das Tanzbein. Meistens spielten sogenannte Top-40-Bands bei uns zum Jugendtanz auf. Das mit dem Tanzen war allerdings nur das Vorspiel und anschließend, auf dem Weg nach Hause durch den dunklen Wald, kam dann die wilde Knutschoreie.“

Luke feat. The 2 Live Crew: „Do The Bart“

„Dieser neumodische Rap läßt mich völlig kalt. Kürzlich habe ich mal einen Versuch gestartet und bin in eine Disco gegangen. Ganze zehn Minuten habe ich’s dort ausgehalten, bis ich schließlich vor der unsäglichen Lautstärke kapitulierte und mich verpieselte. Ich bin ohnehin schon fast taub, zumindest auf dem rechten Ohr höre ich gar nichts mehr, und das linke war mir denn doch zu schade für den Lärm.“ David Hasselhoff: „Let’s Dance Tonight“

„Ist das aus der Ha.sselhoff-Schule für leichte Unterhaltung? Gar der Meister himself? Dazu fällt mir spontan ein Preisrätsel ein: Warum haben Mantas Beulen in den Türen? Ganz einfach, weil die Fahrer den Rhythmus von .We Are Looking For Freedom‘ mit den Ellenbogen auf dem Blech ihres Wagens mitklopfen. Der Song ist in erster Linie was für kleine Mädchen. Für die muß es ja schließlich auch was geben.“

Ravermeister: „Ich bin frei“

„Klingt verdächtig nach Österreichern oder Bayern. Ravermeister? Ich hätte eher auf Ambras oder Willy Michl getippt. Der Song ist auf jeden Fall von den Stones geklaut und auf Rave getrimmt. Neu ist das beileibe nicht. So etwas Ähnliches haben auch schon Tony Marshall und Heino gemacht und gar nicht mal so schlecht. Es ist durchaus legitim, alte Songs in neuem Gewand zu präsentieren. Denn richtige Ohrwürmer halten sich über Jahrzehnte hinweg.“

Nina Hagen: „Berlin“

..Der Rhythmus ist ja recht witzig. Es fängt mit dem Marquis Of Kensington-Schlag an. so nannten ihn jedenfalls die Beat-Schlagzeuger meiner Zeit. Auch die Melodie ist mir irgendwie geläufig. Aber schließlich greift ja fast jeder Komponist auf bereits Bekanntes zurück. Ich übrigens auch. Daß die Dame was kann, steht außer Frage. Daß sie meinen Geschmack nicht trifft, aber ebenso.“

Blue System: „Is It A Shame“

„Dieter Bohlen. Den erkennt man auf Anhieb, weil er sich beim Singen so sehr abrackert, der arme Junge. Er tut mir fast ein bißchen leid. Er möchte mit aller Gewalt auch als Frontmann Erfolg haben. Als Produzent und Songwriter ist er zweifellos ein Genie. Das Einzige, was ihm noch fehlt, ist eine passable Stimme.“