Kein neuer Trend in Sicht?


Kommt ja häufig vor, dass wir in unserer POP-SHOP Redaktion sitzen und darüber sprechen, was sich so in den letzten Wochen auf dem Musikmarkt getan hat. In den letzten beiden Jahren kamen wir immer wieder zu einem übereinstimmenden Ergebnis: es gibt einfach nichts, was nicht schon da gewesen wäre. Sicher ist das auch ein Grund, warum die Plattenfirmen ihre alten Klamotten wieder auf den Markt bringen – weil es nichts Neues gibt, muss man mit dem Alten noch Geschäft machen können.

Karl Heinz Kögel, der bei uns sich ein bisschen mehr als die anderen um den deutschen Schlager kümmert, konnte diesen Trend ebenfalls bestätigen. Es tauchen in den deutschen Hitparaden wieder Titel auf, die schon vor Jahren Erfolge feiern konnten. Denken wir zum Beispiel an Paola, die die Capri-Fischer und Napoli besingt. Als diese Titel damals in die Hitparaden kamen, war es der Urlaubstraum für jeden Deutschen – Capri, Neapel – davon konnte man damals ja auch nur träumen, weil die Brieftasche zu schmal war, um dort hinzufahren. Mit zunehmenden Kohlen in den Taschen wurden die Urlaubsträume weiter gesteckt, immer weiter und heute gibt es keinen Ort auf der runden Erde, der nicht von Neckermann & Co. angesteuert wird. Wie soll man sich da als Schlagersänger auf ein bestimmtes Ziel festlegen? Nun gut, Spanien wird immer noch am häufigsten besungen – selbst in den englischen Hitparaden tauchen Lieder wie ‚Y VIVA ESPANA‘ auf – aber trotzdem: die Sänger und vor allem die Texter haben es schwerer, sich auf die richtigen Ziele zu konzentrieren. Und wer schliesslich hat am wenigsten davon? Der Konsument, der, wenn es so weiter geht, nachher gamicht weiss, wohin er im Urlaub zu fahren oder zu fliegen hat! Jawohl, dass muss einmal festgestellt werden: wir wissen nicht mehr, was wir ohne die Hilfe des deutschen Schlagers machen sollen. Lehrte er uns doch, wie wir zu küssen, Händchen zu halten, Mondschein zu betrachten und auch sonstige Lagen zu meistern hatten. Alles ist vorbei und die Plattenfirmen kommen dann mit Lexions auf den Makrt, die wir lange schon gelesen haben. Es ist so, als müsste man noch einmal in den Schulbüchern von einst blättern – alles schon bekannt, alles schon dagewesen.

Bis die Trommelfelle streiken

Und dann sitzen wir in unserer Redaktion und brüten darüber nach, wie wir diese alten Lexions wieder so verkaufen können, dass sie zumindest so wie neu klingen. Leicht fällt uns das mit den englischen Schlagern. Dass Titel wie ‚If You Go Away‘ vor Jahren schon einmal auf dem Markt waren, hat sich nicht so sehr eingeprägt. Überhaupt scheinen die Lieder, die Jacques Brei geschrieben hat, für eine Neuaufnahme richtig geeignet. Terry Jacks nahm gleich zwei davon (‚II You Go Away‘ und ‚Seasons In The Sun‘), David Bowie erschien mit ‚Amsterdam‘, die Alex Harvey Band nahm ‚Next‘ auf und es ist eine Frage der Zeit, bis weitere Titel in englischer Sprache von dem Belgier Brei erscheinen werden. Auch gibt es noch eine weitere Möglichkeit, die Melodien von einst so zu verstümmeln, dass sie wie neu klingen: man verändert das Arrangement, setzt andere Instrumente ein, lässt den Beat hämmern, bis die Trommelfelle streiken und sich weigern, noch einen Ton weiter zu hören, versieht die alte Melodie mit einem völlig neuen Text. In England und in Amerika ist alles möglich – aber bei uns? Mit der Melodie hat sich uns Deutschen meist auch der Text im Kopf festgesetzt. Wenn jemand „nun das Arrangement verändert, kommt trotzdem plötzlich der Moment, wo der Hörer zuerst nur ‚ mitsummt und schliesslich Textfetzen heraussprudeln lässt (Was macht der Maier am Himalaya ). Peinlich, wenn sich dann herausstellt, dass unter dem Titel ein völlig neuer Texter und Komponist steht. Meist können sich diejenigen, die das Original geschrieben haben, noch sehr gut daran erinnern und wollen natürlich Tantiemen dafür haben. Bestes Beispiel ist ja ‚El Condor Pasa‘ von Simon & Garfunkel und Tschibo. Als das Liedchen endlich richtig verkauft wurde, meldete sich ein deutscher Verlag, der darauf schon angeblich seit 1930 rum die Rechte hat. Ganz einfach für Musikverleger und Komponisten wird es natürlich, wenn das jeweilige Werk vor über 50 Jahren geschrieben wurde – danach erlöschen nämlich die Rechte und jeder kann seinen Namen als Komponist darunter setzen.

Bach auf den Orgel-Trip gebracht

Irgendwann brachen wir einmal eine Sendung mit dem Titel ‚Traumziele für Jugendliche – Teil II‘. Darin verwendeten wir ein Instrumentalstück als Hintergrundmusik, nach dem viele Hörer fragten, als die Sendung gelaufen war. Niemand hat sicher gedacht, dass dieses Werk schon über 400 Jahre alt ist. Geschrieben wurde es von Johann Pachabel, der 1653 geboren und 1706 gestorben ist – im Original hiess es ‚Canon in D‘, der Amerikaner Bob James machte daraus ‚In The Garden‘, was sicher besser klingt. Gegen ‚Kanon‘ haben viele Zeitgenossen wohl schon Vorurteile, weil sie irgendwann in der Schule mal einen Kanon singen mussten und das meist langweilig fanden. Schnell sei es noch gestattet, zu bemerken, dass es Pachebel war, der später den Johann Sebastian Bach auf den Orgel-Trip brachte. Aber dieser ‚Canon in D‘ ist ein sicherer Beweis dafür, dass die Hörer meist garnicht merken, dass ihnen hier mittelalterliche Musik als neu dargebracht wird. Sie finden die Musik gut und wollen sie kaufen – nicht weil sie alt, nicht weil sie neu – nein, weil sie schön ist. Und so geht es auch sicher den Konsumenten der sogenannten ‚Oldtimer‘ -Platten also, die vor 15-5 Jahren schon einmal auf dem Markt waren. Die Einen kennen die Platten und kaufen sie heute, weil sie damals kein Geld für Platten hatten – die Anderen wollen sie besitzen, weil sie die Melodie, das Arrangement oder andere Dinge an dieser Platte gut finden, ohne sie damals gehört zu haben. Für die sind das also keine Oldtimer, sondern neue Platten. Also sitzen wir in unserer Redaktion und brüten z.B. daran, wie hoch der Anteil der Old- bzw. Newtimer im Programm sein soll. Die etwas Konservativeren setzen meist auf viel Oldtimer, die Progressiveren auf mehr neue Musik im Sinne von vielleicht Plnk Floyd & Co. Es ist schwer, für viele ein Programm zu machen, das dann auch noch Vielen gefallen soll.