Keine Band polarisiert so stark wie Rammstein. Ein Gespräch mit Mastermind Richard Kruspe


Du bezeichnest Dich bisweilen als „musikalischen Vertreter“ von Rammstein. Wenn Du die Aufnahmen von „Seemann“ oder „Klavier“ auf eurem neuen Album „Live aus Berlin“ hörst, wünschst Du Dir da manchmal, Till würde ein bißchen an seinem Gesang arbeiten?

(lacht) Till ist in erster Linie ein großartiger Entertainer. Als ich Rammstein gründete, wollte ich eigentlich selbst singen, bis ich gemerkt habe, daß ich das nicht hinkriege. Till hat eine eigene Stimme und eine starke Ausstrahlung. Wir haben in Jacob Hellner außerdem einen guten Produzenten, der mit ihm versucht, das Beste aus der Stimme rauszuholen.

Das Cover der neuen CD habt ihr im Berliner Olympiastadion aufgenommen, für das Video zu „Stripped“ Filmmaterial von Leni Riefenstahl verwendet. Beidesmal eine Ästhetik, die sehr stark belegt ist …

Ja, aber wenn Du das Cover siehst, das ist doch wirklich witzig.

Ist das ganze Projekt Rammstein, inklusive des Namens, für euch nur witzig?

Nein. Viele denken, daß wir am Tisch sitzen und uns was ausdenken. Ich würde es so erklären: Früher gab es immer einen in der Klasse, der angeeckt ist, der Miesepeter, der schwarze Bube. Wenn du sechs von denen auf einmal am Tisch hast, entsteht eine ganz bestimmte Energie. Und diese Energie eckt an. Es ist nicht so, daß wir alle rumsitzen und uns denken, wie können wir jetzt wieder provozieren? Es liegt wahrscheinlich an der Chemie zwischen uns, die provoziert schon so.

Seit ihr trotzdem einverstanden, wenn man festhält, daß ihr euch in eurem Verständnis nah an einem Kunstbegriff bewegt, der in der Zeit des Nationalsozialismus vorherrschend war?

Nein. Ich mag eine bestimmte Ästhetik. Aber die kommt nicht aus dem Nationalsozialismus, sondern die kommt speziell für uns aus dem sozialistischen Realismus. Wir sind im Sozialismus aufgewachsen. Wo kommst Du her?

Aus München.

Dann kennst Du das nicht. Wir sind mit Demonstrationen, mit Kinder- und Jugendspartakiaden aufgewachsen. Wenn wir solche Bilder sehen, haben wir das Gefühl, zu Hause zu sein.

Nach dem High School-Massaker in Littleton, für das ihr in manchen amerikanischen Medien mitschuldig gemacht wurdet, habt ihr ein Statement auf eure Homepage gestellt, das vermuten läßt, daß ihr euch ausführlich mit dem Thema Gewalt und Musik auseinandergesetzt habt.

Ja, natürlich. Hinzu kam dann auch das Gefühl, sich wieder mal in Deutschland erklären zu müssen. Bei Themen wie dem rechtsradikalen Nazigedöns dachten wir bisher, je mehr wir darüber reden, um so mehr kommen wir in diesen Sumpf. Ich habe noch nie versäumt zu sagen, daß wir keine Nazis sind. Wir haben damit absolut nichts zu tun.

Vielen Dank für das Gespräch.

Jetzt konnte ich gar nicht mehr loswerden, warum ich mich so freue.

Dafür haben wir natürlich noch Zeit.

Ich habe nämlich die Frau meines Lebens getroffen. In New York. Im Oktober wollen wir heiraten. Alles Gute!