Kylie Minogue: Dancing Queen


Vor drei Jahren wurde Kylie Minogue von ihrer Plattenfirma gefeuert. Wegen chronischer Unkommerzialität. Jetzt ist alles wieder gut.

Kylie transpiriert. Es ist heiß an diesem Spätsommertag in Köln, und der „Biergarten“ des Hyatt-Hotels am Rhein, den sich die 33-Jährige für die Interviews ausgesucht hat, konveniert nicht mehr. Also stöckelt die 1,52 Meter kleine Sängerin vorbei an einem Häufchen desinteressiert wirkender Journalisten in der Lobby – ein Lächeln rechts, ein Lächeln links – und verschwindet im Aufzug, um in ihrer Suite ihr Top zu wechseln. „Die ist ja noch kleiner als ich gedacht habe“, „Wenn sie nicht so aufgedonnert wie in ihren Videos ist, sieht sie noch viel besser aus“, so oder ähnlich lauten die fachmännischen Kommentare der professionellen Schreiber. Kylie hat indes ihr Oberteil gewechselt, trippelt wieder durch die Lobby, erntet wieder Bewertungen der Punktrichter („Also das andere war besser“), aber das alles hilft nichts. Es ist zu heiß, die Interviews werden in der Suite fortgesetzt.

Dein ehemaliges Label hat dich gefeuert, weil dein ’97er-Album „Kylie Minogue“ nur so mittelgut verkauft hat. Danach kam „Light Years“, und Kylie war wieder ein Superstar. Hat dich das überrascht?

Ja und nein. Ich dachte schon, dass „Light Years“ gut laufen würde, aber ich habe den Erfolg unterschätzt (lacht). Ich hätte nie gedacht, dass es so gut verkaufen würde. Nach meinem Debakel mit dem Deconstruction-Label.

„Kylie Minogue“ war keine schlechte Platte…

…ja, das stimmt. Unter schwierigen Umständen habe ich das Bestmögliche getan. Ich habe sehr viel über mich selbst dabei gelernt in dieser Zeit, die nicht unbedingt die glücklichste in meinem Leben war. Und im Rückblick war es sogar gut, dass es mir damals nicht so gut gegangen ist. Bei „Light Years“ war dann alles anders. Jeder der Beteiligten hatte das selbe Ziel. Ich hatte von Anfang an das Gefühl, dass es eine positive Sache werden würde. Als die Single „Spinning Around“ dann in England auf Platz 1 ging, habe ich geheult und war eine Woche lang total nervös. Ich hab‘ das wirklich nicht erwartet.

Der Erfolg muss für dich eine Genugtuung gewesen sein…

Jaaaaaaaaa (lacht). Ich hatte irgendwie das Gefühl,dass ich noch lange nicht am Ende war. Es gab noch mehr für mich zu tun, verdammt. Und hier bin ich und tue es. Und es geht mir ziemlich leicht von der Hand, alles läuft prima. Wir haben das neue Album „Fever“ innerhalb eines Jahres fertig gestellt, immerhin während eines Jahres, in dem ich drei Monate auf Tournee war und auch noch ein paar andere Dinge gemacht habe. Es ist eine schöne Zeit für mich.

Was waren die größten Veränderungen in deinem Leben in den vergangenen zwei Jahren?

Hmm, ich bin mir viel mehr bewusst darüber geworden, wer ich wirklich bin und dass ich die Person sein sollte, die ich bin. Ich stelle mich heute selber viel mehr in Frage als noch vor ein paar Jahren. Eigentlich ist das wirklich widersprüchlich: Ich kann mich mehr akzeptieren als früher, aber ich stelle mich auch mehr in Frage.

Und wer bist du?

Das kann ich dir nicht erklären. Das ist einfach unmöglich. Niemand kann diese Frage beantworten, wieso sollte gerade ich sie beantworten können? Du lebst deshalb, um irgendwann einmal die Antwort auf diese Frage zu bekommen. Ich mache Popmusik, ich habe verschiedene Facetten, ich bin ziemlich störrisch, ich bin verschiedene Dinge, nicht bloß eines. Ich mag es, so zu sein – und ich kann mir gar nicht vorstellen, anders zu sein.

Nach Indie-Kylie, die mit Nick Cave und den Manic Street Preachers zusammengearbeitet hat, bedeuten deine letzten Alben – „Light Years“ und jetzt das neue, „Fever“ – eine Rückkehr zum Sound der Achtziger. Wie kam der Wandel zustande?

„Light Years war einfach ein Popalbum, und ich wollte ein Popalbum machen. Es war die perfekte Platte zur perfekten Zeit. Das heilst nicht, dass das heute noch Gültigkeit hat. Das war meine Art, die Identität zu beweisen, die Leute daran zu erinnern, wer ich bin. Ich mag ein Showgirl sein, ich möchte so aufgedonnert wie möglich sein, ich möchte Glitzerklamotten tragen, und jetzt glitzert wieder alles-das ist toll. Ich habe im Video zu „Spinning Around“ Hot Pants getragen, und heute trägt jeder Hot Pants. Ich habe festgestellt, wenn ich weiter etwas tun würde, was ich eigentlich nicht will, wäre das so, als ob ich Selbstmord auf Raten begehen würde, weil ich damit nur eine Fassade aufrechterhalten würde. Ich war in einer Phase der Akzeptanz, in der ich einfach getan habe, was ich tun wollte. Das mag alles gar nicht so radikal erscheinen, aber ich habe sehr jung mit meiner Karriere begonnen. Mir wurde viele Jahre lang gesagt, was ich zu tun hätte. Heute weiß ich, dass es viel cooler ist,du selbst zu sein. Und ich glaube, ich selber habe viel länger gebraucht, bis ich zu dieser Erkenntnis gekommen bin als die meisten Leute. Die Teenager von heute scheinen da schon viel weiter zu sein.

Was fasziniert dich so an Disco?

Disco ist nur eine Form der Dance Music für unsere Generation. Und solange wir leben, werden wir uns immer auf Disco beziehen. Disco bedeutet für mich, zwölf, dreizehn Jahre alt zu sein und Jackson 5 im Hinterzimmer meines Elternhauses zu hören.

Hat das auch ein bisschen was mit Madonna zu tun, die auch zum Retro-Disco-Stil zurückgekehrt ist?

Es gibt Zeiten, da taucht ein neuer Trend auf, von dem man nicht sagen kann, wer ihn kreiert hat. Das ist wie bei den Modedesignern: Plötzlich macht jeder gestreifte Klamotten. Es gibt keine Spione, die das herausfinden. Es ist einfach ein Trend oder eine Energie, die dafür verantwortlich ist.

Ist Madonna ein Vorbild für dich?

Sie ist ganz sicher eine Inspiration für mich seit meiner Teenagerzeit, als ich mit meinem Strass besetzten Gürtel zu „Borderline“getanzt habe. Ich kann verschiedene Stationen meines Lebens an Madonna-Platten festmachen. Was ich aber an ihr am meisten bewundere ist, dass sie immer so wirkt, als ob sie an zehn Orten gleichzeitig wäre. Viele der Trends, die ihr zugesprochen werden, hat sie aber gar nicht begründet, sondern irgendwo aufgepickt und verbreitet. Sie ist der größte Katalysator für Trends auf der Welt. Sie ist cool, sie ist smart, und sie hat Eier.

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