Lucio Dalla


Keinen Pizzabäcker soll es – handfesten Gerüchten zufolge vorm Ofen halten, wenn der Meister der italienischen Centautorl an die Elbe kommt. 1983 feierte die Italo-Kolonie in der Musikhalle ein ausgelassenes Dalla-Fest. Nach zwei Jahren Enthaltsamkeit hätte ich ein paar Fans mehr in der locker besetzten Arena erwartet. Zumal es eine Sensation zu bestaunen gab: Der Rockpoet trat zum ersten Mal oben ohne auf, mit kleinem Pferdeschwanz im Nacken und Dreiviertelglatze, wo dereinst die obligatorische Strickmütze saß!

Womit das Kapitel Neuigkeiten auch schon abgehakt wäre. Nach Einheiz-Titeln der Begleitband Stadio setzte sich Lucio hinter den Flügel, der die optische Ausstrahlung des eh schon kleinen Herrn fortan auf die Mimik reduzierte – falls nicht gerade ein Sax-Solo angesagt war. Wohl dem Musiker, dessen Charisma nicht leidet, auch wenn man nur seinen Kopf zu sehen kriegt.

Was soll schon schiefgehen, wenn auf den vielschichtigen Titelsong des 53er-Albums Viaggi Organizzati gleich geballt die Klassiker folgen: ein frech aus dem Gleichschritt gebrachtes „L’Ultima Lune“, ein herzzerreißendes „Anna E Marco“ und ein zum Mitsingen angebotenes „Cosa Sara“.

Dallas Musik ist zehn Meilen gegen den Wind zu erkennen – und bleibt ohne revolutionären Wandel doch lebendig. Zwei Keyboarder stocken den transparenten Sound auf; Gitarrist Ricky Portera hat diesmal statt einem Dutzend Klampfen nur die elektro/akustische Grundausstattung dabei, ist aber immer noch jederzeit bereit, in der Manier unvergessener Heroen loszulegen. So endet zum Beispiel das eher verspielte „Balla Ballerino“ in Uriah-Heep-reifer Ekstase.

Gerade als es arg konventionell zu werden droht (woran auch ein Kurz-Auftritt des Sangeskollegen Luca Carboni wenig ändert), sorgt Lucio mit einer seiner unnachahmlichen Scat-Brabbeleien für Zugabenstimmung.

Nun erst geht der letztlich schüchterne Frauenliebling ganz aus sich heraus, läßt auf „Stella Di Mare“ noch ein kabarettreifes Schmankerl folgen: Unter reichlich Kauderwelsch zerlegt Clown Dalla seine Klarinette, mißbraucht sie als Eistüte, Hut oder Fernglas und reagiert mit empörtem Nonsense-Schwall auf begeisterte Zurufe, um schließlich ein ganz friedliches „You’ve Got A Friend“ zu blasen. Unwiderstehlich!