Hawksley Workman


Kanadas Indie-Wunderkind wider Willen erobert mit cleverem, poppigem Stadionrock Europa.

Als Kritiker sein Debüt in den Himmel lobten, war Hawksley Workman enttäuscht, denn er fühlte sich missverstanden. „Ich will nicht wie ein Idiot klingen, aber ich wollte nie ein obskurer Künstler sein“, sagt er vorsichtig auf einer Couch in einem Berliner Hotel. „Meine erste Platte war eine Reaktion aufGrunge – eine Reaktion auf zehn lange Jahre der schlimmsten Musik, die ich je gehört habe. Ich war mir sicher, dass ich fünf Millionen verkaufen würde, weil es eine Pop-Platte mit Leidenschaft, Persönlichkeit und Charisma war. Und dann kamen dieMedien und nannten es ein freaky Schlafzimmer-Meisterwerk‘. So cool wollte ich gar nicht sein.“ Um zu verhindern, dass auch sein Major-Debüt lover/figh-TER in den Regalen begeisterter Journalisten verstauben würde, verzichtete Hawksley dieses Mal darauf, allzu verspielte Verweise auf seine Vergangenheit als Steptänzer in seine Songs einzuarbeiten, um sich stattdessen in fast größenwahnsinnig melodiösen, Robbie Williams-haften Poprock-Hymnen zu versuchen. Dass – auch wenn das für alle Freunde der kantigeren ersten beiden Alben schwer zu glauben ist – Hawksley die Verwandlung zum Popstar ohne nennenswerte Qualitätseinbußen vollzogen hat, liegt an seiner enorm fundierten musikalischen Ausbildung. „Ich bin in einem Haus im Wald aufgewachsen, wo es sonst nicht viel zu tun gab“, erzählt er von der Zeit in Huntsville, Ontario, als er noch Ryan Corrigan hieß.

„Mein Water war Schlagzeuger und hat beim Musikhören immer zu mir gesagt: Morst du, was der Bass macht?‘ Er hat mir die Bass-, Gitarren- und Schlagzeugparts von Motown- und alten Elton John-Platten erklärt. Ich hab täglich drei bis vier Stunden an Instrumenten verbracht. Wenn meine Eltern Fernsehen wollten, durfte ich in den Werbepausen Schlagzeug üben.

Sie waren sehr tolerant.“ Um das aktuelle Album ungestört aufnehmen zu können, hat der Multiinstrumentalist, Produzent (Tegan & Sara) und hervorragende Arrangeur einen der kältesten Winter Kanadas in der ehemaligen Schule seiner Großmutter verbracht, die er inzwischen zum High-Tec- (aber noch immer per Ofen beheizten) Studio umgebaut hat.

„Ich war immer ungefähr einen Monat lang ganz alleine. Dazwischen musste ich dann nach Toronto fahren, um Sushi zu essen oder so. Aber es war komisch – die Leute dort haben über Konzerte oder Restaurants geredet, undich hatteeinen Vollbart und konnte nur an Holzhacken denken. Rückblickend erscheint mir das halbe fahr in der Abgeschiedenheit als der pure Wahnsinn.“ Da niemand weiß, was der ungeduldige 27jährige Ausnahmekünstler, der dieses „absichtlich gigantische Pop-Album“ nur als „schnellen Zwischenstop auf dem Weg“ erachtet, als nächstes tut (Theater, Film, Steptanz oder Poesie wären denkbar), sollte man seine Konzerte im Frühling nicht verpassen. Denn live ist der Mann sehr, sehr gut.