ME/Sounds-Interviewer Severin Mevissen im Gespräch mit den Spin Doctors


Der Versuch eines Telefoninterviews:

Es ist heiß. Fürchterlich heiß. Durst quält mich. Stechender Durst. Diabetes? Und hell ist’s. Sehr, sehr hell. Das Weiß meines Küchentischs blendet mich, aarrgghhh, ich bin fast blind. Vor mir Notizen: „Spin Doctors. Debütalbum ‚Pocket Full Of Kryptonite‘, 7 Millionen Exemplare. Nachfolgealbum: 1,5 Millionen. Neuer Gitarrist. Neues Album.“ Neben den Notizen: Ein Telefon. Ein Kassettenrekorder. Beides verbunden durch ein Kabel. Ich weiß: Jeden Moment wird es klingeln. Da! Es klingelt. Ich nehme ab…

Versicherungen.

Spin Doctors:… (klick) (Aufgelegt) Zeit genug, im ‚Handbuch der Interviewtechnik‘ nachzublättern. „Mit offenen Fragen anfangen, sodaß sich das Gegenüber warmreden kann … dann den Fragetrichter zuschnüren. “ Es klingelt erneut.

Spin Doctors: Severin?

Ja?

Spin Doctors: Hi, hier sind Aaron (Comess, Schlagzeuger) und Chris (Barron, Sänger).

Hey, euch kenn‘ ich Wir haben uns vor zwei Jahren in Portland getroffen. Interviewte euch auf einem elektrischen Golfwagen. Anschließend Bong-Rauchen im Tourbus.

Chris: Stimmt. Wir haben dich ganz schön fertig gemacht. Hast du nach Hause gefunden?

Gerade eben. Wie geht’s?

Chris: Alles bestens. Sitzen in New York, im Sony-Studio. Haben gerade unsere Arbeit am neuen Album abgeschlossen, nach sieben Monaten.

Was ist denn mit Eric (Schenkmon, Original-Gitarrist) passiert? Der war doch nett?

Chris und Aaron: …ähh…

Kunstlerische Meinungsverschiedenheiten? (O-Ton Labelmitteilung)

Chris: So ähnlich. Haute einfach nicht mehr hin. Die Zusammenarbeit mit ihm war ziellos.

Freundliche Trennung? (O-Ton Label)

Chris: Nein. Wir reden nicht mehr miteinander.

Aaron: Habe gehört, er hat ’ne neue Band. Sollen gut sein.

Wer ist der Neue?

Aaron: Anthony Krizan. Er spielte mal für Noel Redding, den Bassisten der Jimi Hendrix Experience. Er paßt wunderbar bei uns rein.

Chris: Ein Typ, der Jimi Hendrix ersetzte, ist sicher gut genug, Eric zu ersetzen. Während unserer ersten Bandprobe mit ihm wachte die Frau des Bassisten auf. Das nahmen wir als gutes Omen und gaben ihm den Job.

Erneute Pause. Chris und Aaron bestellen bei einem Assi italienische Küche. Penne Vodka, Cäsar’s Salad, eine Flasche Rotwein.

Habt ihr das Gesicht von eurem Boß, Sony-Chef Tommi Mottola, bei den Grammies gesehen? Seine Süße (Mariah Carey) ging ja leer aus …

Chris: Ich hab’s leider nicht gesehen. Ich kann mit meinem Fernseher nur Videos anschauen. Kung-Fu-Filme. Jackie Chan. Bruce Lee…

Bist du schon wieder bekifft?

Chris: Was? Nein. Bis vor kurzem zog ich jeden Morgen als erstes am Bong, seit ich 15 war. Aber in letzter Zeit werde ich zu träge davon. Ich werde alt.

Deshalb auch die schicke Kurzhaarfrisur? Wer hat dich frisiert?

Chris: Ein homosexueller Farbiger (von mir politically correct abgeändert vom O-Ton „schwuler Schwarzer“). Ich war auf Tour in Indiana, wanderte in seinen Shop und sagte: Ich will eine Frisur wie du. Er hat sich ausgeschüttet vor Lachen. Noch nie wollte ein weißer Hippie so aussehen wie er.

Pause. Chris und Aaron kämpfen mit dem Korken der Rotweinflasche.

Wie war’s mit den Stones auf Tour?

Aaron: Das war das Größte. Charlie Watts ist mein Idol.

Chris: Ich hab‘ mit Keith Richards und Ron Wood im ‚Tuning Room‘, dem Raum fürs Stimmen der Instrumente, abgehangen. Das war für mich wie ein Treffen mit König Arthurs Tafelrunde, meine Doktorarbeit im Rock’n’Roll. Allerdings: Gestimmt wurden dort nur die Stimmbänder. Mit Wodka.

Das Band geht zu Ende. Seh‘ ich Euch beim nächsten Konzert in LA.?

Chris: Unbedingt. Diesmal machen wir dich so fertig, daß du nicht mehr nach Hause findest.