Mink DeVille


Glaubwürdigkeit ist so eine Sache im Busineß der Illusionen. Nur jenen, die sich selbst nichts mehr vormachen, die ihre Höllen durchwandert haben, kann man noch abkaufen, daß sie ihre Haut halbwegs ehrlich zu Markte tragen. Aber gebrochene Menschlichkeit verkauft sich nur mäßig. Das ist das Problem des Willy DeVille: Eine der eindrucksvollsten Stimmen des Rock ’n‘ Roll wird kaum im ‚ angemessenen Rahmen gehört.

Seine Straßenecken-Lyrik beschreibt Luxus und Leid in Neon-Citys, er hat keine Angst vor Sentimentalität und Kitsch. Der 30jährige New Yorker mit der Errol Flynn-Visage ist ein Romantiker, ein zu spät Geborener. Er verehrt Edith Piaf und Marlene Dietrich („Ohne die gäbe es Lou Reed oder Bowie nicht“), bedient sich ausgiebig in den Kinderjahren des Rock ’n‘ Roll: Phil Spector, James Brown, der Latino-Sound von Ray Barredo und Tito Puente, französischer Cajun aus Louisiana. Alles, was vor dem Beatles-Schock 1963 in Amerika Rang und Namen hatte, dient ihm als Vorlage.

Das beste Stück seines neuen, fünften Albums WHERE ANGELS FEAR TO TREAD heißt „Demasiado Courazon“, eine authentische Salsa-Nummer mit Percussion und Trompeten. DeVilles rauhe Klage über „lacrimas“ (Tränen) hört sich in diesem Kontext fast fröhlich an.

Neu ist das alles nicht. Die zehn Stücke des Albums klingen sämtlich vertraut. Einmalig ist es dennoch. „Es gibt nichts Neues in der Kunst. Nur gehypte Pseudo-Neuheiten. In Wirklichkeit aber ist es gleichgültig, ob Boy George Platten im Desmond Dekker-Sound aufnimmt, ob die Beatles Linie Richard oder die Stones Chuck Berry auf ihre Art interpretieren. Neu wird es erst durch die Persönlichkeit des Künstlers.“ Und davon hat Willy in der Tat genug. Der Ex-Junkie ist dem Tod mehr als einmal von der Schippe gesprungen. Wenn er grinst und das tut er gerne – sieht man eine schwarze Lücke, die ein für Dope versilberter Goldzahn hinterlassen hat. Die Titel seiner letzten beiden Platten „Gnadenstoß“ (COUP DE GRACE) und „Wohin selbst Engel nicht zu gehen wagen“ (WHERE ANGELS FEAR TO TREAD), die verzweifelten, liebeshungrigen Songtexte sprechen für sich.

Seit einigen Monaten ist DeVille wieder sein eigener Herr; er ist „clean“. Sein neuer Manager berichtet, er habe ihn letztlich mit einem heftigen Vorwurf zur Besinnung gebracht: „Du bist ein verdammt arroganter Egozentriker, wenn du dich so abtötest, statt deine Kunst mit uns allen zu teilen.“