„Moderner Folk sollte von iPhones handeln“


Der extrovertierte Brite Patrick Wolf ist bester Laune. Im bunten Overall sitzt er im Berliner Ramones-Museum und lässt wissen, dass er Listening-Sessions nicht mag. Hauptsache, er randaliert nun nicht, so wie damals auf der Bühne des c/o pop in Köln.

The Beach Boys

„In My Room“

Meine frühere Managerin Jill Mingo hat ein Brian-Wilson-Tattoo auf der Schulter. Und ich kann mich gut an eine Tour erinnern, bei der wir mit dem Auto unterwegs waren, ich schräg hinter ihr. Mich schaute also ununterbrochen Brian Wilson an. Irgendwann bewegte er sich plötzlich, ziemlich verstörend. Ich nahm damals allerdings auch eine Menge Acid. (lacht) Aber Wilson ist natürlich wahnsinnig wichtig. Ich mag ihn, weil er ein Autodidakt ist. Wie ich, das gibt mir Hoffnung.

Joni Mitchell

„Big Yellow Taxi“

Joni Mitchell! Alles, was ich aufnehme, ist von ihr beeinflusst. Wenn ich traurig bin, habe ich Joni, die mir immer genau die Botschaft gibt, die ich brauche. Das Album, auf dem dieses Lied ist, Ladies Of The Canyon, deckt in zwölf Songs das komplette Spektrum menschlicher Emotionen ab. Sie wurde von der Presse lange gedemütigt. Und trotzdem ist sie eine Legende. Das gibt mir Stärke, zu glauben, dass auch ich, trotz des Fehlens von Radiohits, in ein paar Jahren noch da sein kann.

Bruce Springsteen

„Because The Night“

Den Song kenne ich. Das ist nicht Patti Smith.

Bruce Springsteen. Er schrieb das Stück mit. Können Sie mit ihm etwas anfangen?

Die Version von Patti ist viel schöner. Ich stand schließlich schon fünfmal mit ihr auf der Bühne! Mit Springsteen habe ich mich nie beschäftigt. Aber einige Ihrer Kollegen entdecken ihn auf meinem neuen Album. „Der schwule Bruce Springsteen“, haben sie gesagt, wunderbar. Vielleicht liegt das daran, dass meine Stimme tiefer ist und die Melodien muskulöser anmuten als früher.

Kate Bush

„Running Up That Hill“

Was für ein wunderschöner Songbeginn. Wissen Sie, wir hörten als Kinder kaum Pop. Wenn meine Mutter in ihrem Studio malte, dann liefen Joni Mitchell und Kate Bush. Das war’s. Dieser Song hat einen enormen Einfluss in meinem Leben. Dabei hatte ich Kate Bush irgendwann aus den Augen verloren, fand sie aber zum Glück wieder. Ich war viel alleine als junger Mensch. Weil ich komisch war, anders. Ich mag es, dass man Kate heute überall heraushört. Kennen sie „I Follow Rivers“ von Lykke Li? Die Anfänge der beiden Songs kann man geradezu übereinanderlegen.

Goldfrapp

„Rocket“

Goldfrapp. Wunderbar. Warum spielen Sie mir das vor?

Ich fand immer, dass Ihre Ästhetik sich ähnelt.

Lustig, dass Sie das sagen. Ich habe mich erst in den letzten Monaten in diese Platte verliebt. Ich nehme ja niemals Urlaub. Doch im vorigen Jahr reichte es mir. Da war Glastonbury-Festival und Fußball-WM, ich musste einfach weg. Ich schnappte mir ein Auto und meinen Partner und wir mieteten uns einige Tage lang in Wales ein, mitten im Nichts. Wir hörten ununterbrochen Goldfrapp. Da steckt so vieles drin. Italo Disco, Amanda Lear.

Midlake

„Acts Of Man“

Das kenne ich nicht. Was ist das?

Midlake. Ich dachte, dass Ihnen die Arrangements gefallen könnten …

Ich habe noch nie einen Song von ihnen gehört, aber es gibt eine Verbindung. Fiona Brice, die meine Streichersätze arrangiert, ist mit einem aus der Band verheiratet. Das Stück gefällt mir gut. Vieles der neuen Folk-Sachen mag ich, aber ich verstehe nicht, warum sie immer so traditionell arbeiten. Die Idee von Folk ist der Austausch von Geschichten. Und das ist doch etwas Modernes. Folk-Songs sollten von iPhones handeln oder von Facebook.

Bryan Ferry

„Song To The Siren“

Bryan Ferry. Tolle Stimme. Und natürlich ein großartiges Erbe, ohne das wir jetzt vielleicht nicht hier säßen. Meine Schwester drehte vor gar nicht allzu langer Zeit ein Video für ihn, der Song ist auf derselben Platte, glaube ich. Zu „You Can Dance“. Später kam dann leider ein anderes heraus, das ziemlich furchtbar war. Ich war übrigens mal ziemlich in seinen Sohn verknallt. Ach ja, und Ferry klaute mir meinen Saxofonisten. Ich sollte ihn also eigentlich hassen. (lacht)

Janelle Monáe

„Make the Bus“

(wippt mit) Schön. Aber ich komm‘ nicht drauf, was es ist.

Janelle Monáe.

Ich liebe sie, den Song habe ich aber noch nie gehört. Dazu gibt es eine lustige Geschichte: Mein Partner arbeitet beim Radio. Und eines Morgens fragte ich ihn, was so anstünde, und er erzählte mir, dass er an dem Tag eine Session mit Janelle Monáe betreuen würde. Ich nahm dann sofort ein Exemplar meines aktuellen Albums, schrieb ein paar nette Worte dazu und gab sie ihm mit. Später erzählte mir jemand anderes, dass sie ohnehin ein großer Fan meiner Musik sei. Außerdem gilt auch für Janelle: Jemand, der von Prince unter seine Fittiche genommen wird, kann nicht ganz verkehrt sein. Jochen Overbeck

Albumkritik S. 111

Patrick Wolfs Single „The City“ kommt bei Muttis ähnlich gut an wie in der Disko. Der 27-jährige britische Sänger und Komponist veröffentlichte 2003 sein erstes Album und hat seitdem mehrere Haarfarben-Phasen durchgemacht. Er arbeitete mit Alec Empire oder The Hidden Kameras, hat einen verstörenden Remix von Björks „Army Of Me“ gemacht und beim Auftritt auf dem c/o pop Festival fast seine Violinistin mit einem geworfenen Stuhl verletzt. Dafür klingt sein aktuelles Album Lupercalia geradezu brav.