Moloko und ihr gefeierter „„Atomicfunk-Kitschpop-Triphop“


So also werden heutzutage Bands gegründet: Roisin und Mark treffen sich auf einer angesagten Party im nordenglischen Sheffield. Sie trägt einen lilafarbenen Feinripp-Kragenpulli, er einen eleganten schwarzen Leinenanzug, und sie fragt ihn kess: „Gefällt dir mein enger Pulli?“ Er nickt, und die beiden gehen gemeinsam nach Hause. Herausgekommen ist nach dieser ersten Liebesnacht vor knapp zwei Jahren nicht nur ein Paar und das innovativste Duo, das Englands Dance-Szene derzeit zu bieten hat, sondern gleichzeitig auch der Titel des ersten Albums (‚Do You Like My Tight Sweater?‘).

‚Moloko‘ nennen Roisin und Mark ihr Projekt, nach der russischen Bezeichnung für ‚Milch‘, wie sie auch in Anthony Burgess‘ Kultroman ‚A Clockwork Orange‘ vorkommt. „Dieses Buch“, erklärt Mark die Wahl des Bandnamens, „war wegweisend für die frühen 70er Jahre. Und genau dasselbe sollen die Leute auch von unserer Musik sagen, wenn sie darüber sprechen – daß es Musik ist, die völlig auf der Höhe der Zeit steht.“

Tatsächlich hat sich die britische Presse nach Veröffentlichung des Debüts vor Euphorie geradezu überschlagen: ‚Atomic Funk‘, ‚Trip-Hop‘ oder ‚Kitsch-Pop‘ waren die so gewagten wie gewaltigen Umschreibungen für das Phänomen Moloko. „Puh, was für eine Belastung“, stöhnt Roisin, eine Irin, die seit etlichen Jahren in Sheffield zu Hause ist. „Die Medien haben zwar irgendwie recht, aber wir wollen kein Hype sein, davon gibt es schon genug. Unser Sound ist in erster Linie als eine Reaktion auf Techno und House zu verstehen. Das gab es eine Zeitlang, wir hörten das auch zu Beginn und fanden es wie alles Neue erstmal interessant. Aber jetzt existiert das Zeug eben zu lange. Kultur muß sich unserer Meinung nach permanent entwickeln. So beschlossen wir, etwas gegen alte Hüte zu unternehmen. Und weil es gut klingt, nannten wir unseren Sound Trip-Hop. Das ist Musik, die es so nie zuvor gab: eine Prise Jungle, Fahrstuhlmusik, Breakbeats und vieles mehr, alles kunterbunt durcheinander. Doch vor allem kommt es uns darauf an, daß Dance-Grooves wieder Seele kriegen, daß sie leidenschaftlich sind, verführen, kitschig klingen und sexy. Das alles hat ihnen lange genug gefehlt.“

Und so ist ‚Do You Like My Tight Sweater?‘ die konsequente Fortsetzung von Portishead, Tricky oder auch Björk: höchst futuristisch klingende, atmosphärische Tanzmucke, allerdings flauschig weich, verrückt und sonderbar, irgendwie unwirklich. Zeitlupen-Jungle vielleicht, Schneckentempo-Funk, meinetwegen auch Trip-Hop. Oder auch: Moloko! Hauptsache, es swingt.