Nachruf auf Dieter Moebius: „Ich höre keine elektronische Musik“


Zum Tod des Schweizer Elektronik-Pioniers Dieter Moebius, Mitglied der einflussreichen Bands Cluster und Harmonia.

Er war in den entscheidenden Phasen in der Blütezeit der abenteuerlichen elektronischen Musik in Deutschland am richtigen Ort. Dieter Moebius gründete 1969 zusammen mit Conrad Schnitzler und Hans-Joachim Roedelius die Band Kluster, die zwei experimentelle Alben aufnahm und dann auseinanderging, nachdem Schnitzler das Interesse verloren hatte. Moebius machte mit Roedelius alleine weiter unter dem anglifizierten Namen Cluster. Damit begann eine beispiellose künstlerische Zusammenarbeit, die 40 Jahre andauerte und Meilensteine der experimentellen elektronischen Musik hervorbrachte wie die Alben CLUSTER (1971), ZUCKERZEIT (1974) und SOWIESOSO (1976).

Dieter Moebius wurde 1944 in St. Gallen in der Schweiz geboren, er studierte Kunst in Basel und West-Berlin. Dort traf er in der brodelnden, politisierten Kunst- und Musikszene der späten 1960er-Jahre Roedelius und Schnitzler. Wo künstlerischer Anspruch und Musik aufeinandertreffen, ist Außergewöhnliches zu erwarten. Moebius arbeitete daneben in den unterschiedlichsten Konstellationen mit anderen Abenteurern wie Conny Plank, Mani Neumeier (Guru Guru), Mayo Thompson (The Red Krayola), Asmus Tietchens und Karl Renziehausen, im Trio mit Roedelius und Michael Rother als Harmonia, sowie mit Brian Eno. Sein experimenteller elektronischer Minimalismus mit verfremdeten und zerstörten Klängen markierte einen dritten Weg neben der Berliner Schule (Tangerine Dream, Klaus Schulze, Manuel Göttsching), die ab den mittleren 1970er-Jahren immer stärker nach Harmonie strebte, und den sowieso übermächtigen Kraftwerk.

Dieter Moebius: „Ich höre nicht einmal meine eigene Musik, wenn sie fertig ist“

Ausgerechnet im Jahr 2010, in dem das Cluster-Album QUA, ein später Meilenstein im Werk des Duos, veröffentlicht wurde, kam es nach 40 Jahren zu Differenzen mit Roedelius. Der bedauerte auf seiner Facebook-Seite, dass er seither nicht mehr mit Moebius gesprochen hätte. Im Interview mit dem Musikexpress erinnerte sich Roedelius Anfang 2014: „Dummerweise haben wir nicht mit dem letzten Album QUA Schluss gemacht. Das hätten wir eigentlich machen sollen. Wir haben das nicht gemacht, deshalb ist die Trennung ein bisschen schmerzhafter gewesen. Es musste etwas Dummes passieren, damit wir uns auch wirklich voneinander lösen, denn 40 Jahre auf dem gleichen Gaul reiten, das ist schon wirklich ein starkes Stück. Was Cluster gemacht hat, ist eine tolle Leistung. Vor allem das letzte Album, das ist ja ein Schwanengesang, das ist doch irre!“

In einem Interview mit dem Blog frieze.com antwortete Moebius vor zwei Jahren auf die naheliegende Frage, ob er als Elektronik-Pionier denn über die jüngsten Entwicklungen des Berlin-Techno informiert wäre: „Ich weiß nichts über all diese Dinge. Es ist mir egal. Ich höre keine elektronische Musik, ich höre nicht einmal meine eigene Musik, wenn sie fertig ist.“ Dieter Moebius ist am Montag, 20. Juli, im Alter von 71 Jahren verstorben, Todesursache und Sterbeort sind noch nicht bekannt.