Nena


In einer Branche, wo Kalkül und Image-Design über Sein oder Nicht-Sein entscheiden, wirkt sie wie ein Wesen vom anderen Stern. Dabei kommt Nena Kerner aus Hagen, besitzt keine der handelsüblichen Star-Attribute und versteht gar nicht, was der Rummel um ihre Person eigentlich soll. Wie sie trotz Medien-Overkill ihre Natürlichkeit und Normalität wahren will, erzählt Nena im ME/Sounds-Interview.

ME/Sounds: Ihr habt erst gestern die Levis-Tour mit 19 Konzerten an 24 Tagen hinter euch gebracht. Gab es bei euch jemals sowas wie eine Abneigung, unter dem Sponsor Levjs zu spielen?

Nena: „Wäre der Sponsor beispielsweise Becks Bier gewesen, hätte ich mir schon meine Gedanken gemacht, aber Levis ging in Ordnung.“

Carlo: „Wenn man von uns verlangt hätte, Levis-T-Shirts zu tragen, wenn überall das Levis-Logo gehangen hätte oder die Company Flugblätter verteilt hätte, um während der Tour penetrant für ihr Produkt zu werben, dann hätten wir keine Sekunde darüber nachgedacht, ob wir mitmachen oder nicht.“

Nena: „Stimmt. Außerdem wissen wir vom letzten Jahr durch Spliff, wie die Tour abgelaufen ist, wie gut die Organisation funktioniert, so daß die Bands wirklich nur noch Musik machen brauchen und sich um nichts anderes kümmern müssen. Das fand ich daran unheimlich toll.“

ME/Sounds: Hättet ihr ohne den Rahmen der Levis-Tour überhaupt eine so große Tournee durchziehen können?

Nena: „Ich glaube nicht, daß wir alleme in der Lage gewesen wären, so große Hallen zu füllen. Den Mut zum Risiko hätten wir sicher nicht aufgebracht.“

ME/Sounds: Ihr habt im Dezember Test-Gigs in Clubs und Diskotheken gespielt. Worin seht ihr den Unterschied?

Nena: „Es war auf der großen Bühne anfangs schwieriger, mit den Leuten in Kontakt zu kommen. Wir mußten uns erst an so Sachen wie Absperrgitter gewöhnen; denn so wie im lub, jedem die Hand schütteln, das war natürlich nicht drin.“

ME/Sounds: Hattet ihr eigentlich Angst vor der großen Tour?

Nena: „Was mich schon vor dem Beginn der Tour ziemlich gestört hat, war, daß viele Leute gesagt haben: ,Na, ihr seid sowieso die besten‘. Es sind wirklich alle Bands gut angekommen und nicht nur wir. Dieser Druck von außen hat mich eigentlich am meisten genervt.

Die Presse braucht halt immer wieder einen, auf den sie sich konzentriert – und das war auf die Dauer eben ätzend, das wir immer vorne standen.“

ME/Sounds: Haben sich daraus menschliche Probleme mit den anderen Bands ergeben?

Nena: „Guck mal, das war so: Wir sind mit Markus in einem Bus gefahren und Hubert Kah und Relax in dem anderen. Und da sind einfach so viele Leute, daß du dich nicht jeden Abend nach dem Gig in die Hotelbar setzen und feiern kannst. Ich hatte den Eindruck, daß wir uns alle gut verstanden. Streitereien oder sowas gab es nicht.“

Nena: „Gegen Schluß der Tour war ich mal leicht sauer, denn wir haben immer entweder an zweiter oder an vierter Stelle gespielt Wenn du als vierte Band spielst, hast du es natürlich ziemlich schwer, denn da sind die Leute völlig ausgepowert. Das hat mich manchmal ein bißchen genervt. Genauso wie es Markus genervt hat, daß er sehr oft an irster Stelle spielen mußte.“

ME/Sounds: Zwischen der Person Nena, die in allen verfügbaren Medien unheimlich durchgezogen wurde und der Band „Nena“, zu der ja insgesamt fünf Musiker gehören, besteht zumindest in der Öffentlichkeit eine starke Diskrepanz. Wie wollt ihr mit diesem Problem fertig werden?

Jürgen: „Für uns ist das schon lange kein Problem mehr.“

Nena: „Über so Schlagzeilen wie „Nena, das neue deutsche Mädchen“ ärgere ich mich unheimlich. Oder angebliche Gerüchte über eine Solo-Karriere. Dann erscheinen immer wieder Interviews, die ich nie gegeben habe, mit Statements, die ich nie gesagt habe, das macht einen schon ganz schön fertig.“

ME/Sonnds: Bisher war es immer so, daß unter dem Begriff „Nena“ eben nur Nenas Gesicht auftauchte. Gibt es da für euch als Band überhaupt eine Möglichkeit, dagegen anzugehen?

Uwe: „Uns bleibt nichts anderes, als den Medien gegenüber immer wieder zu betonen, daß Nena ’ne Band ist. Solange, bis es alle gefressen haben.“

Nena: „Wir lassen keine Einzelfotos von mir mehr zu. Unter dem Namen Nena firmieren eben in Zukunft tatsächlich fünf Gesichter, statt bisher einem. Und wir treten bei wichtigen Interviews komplett zu fünft, als Band an. Ich glaube, ein Großteil der Leute hat das auch geschnallt, denn in der Fanpost wird unheimlich oft nach den Jungs gefragt. Die Leute beschweren sich tatsächlich auch, daß ich so oft nur allein in irgendeinem Blatt zu sehen war.“

Uwe: „Ein Großteil der Blätter, die in voller Breite plötzlich Nena als neues Mädchen aus dem Hut zogen, sind ja Illustrierte und keine Musik-Zeitungen. Die setzen sich mit Nena mehr als Phänomen oder gar „Idol“ auseinander, als mit der Gruppe Nena und ihrer Musik. Insofern kann ich denen das gar nicht so übelnehmen, wenn sie hauptsächlich auf sie eingehen.“

ME/Sounds: Verfänglich bleibt das ganze Problem aber weiterhin einfach vom Namen her.

Nena: „Ja, mag sein, aber wir werden dran arbeiten, daß wirklich jeder kapiert, Nena ist eine Band und nicht nur ein Mädchen.“

ME/Sounds: Du bist nach dem Ende der Stripes, deiner ersten Band, zusammen mit dem Stripes-Drummer Rolf Brendel, der gleichzeitig dein Freund ist, nach Berlin gegangen. Warum ausgerechnet nach Berlin?

Rolf: „Das lag einfach daran, daß wir Carlo kannten und mit ihm schon immer Musik machen wollten. Carlo wohnte damals in Berlin und dadurch ist der erste Draht nach Berlin entstanden.“

Nena: „Dazu kam, daß unsere Plattenfirma CBS angeboten hatte, Reinhold und Manne von Spliff kennenzulernen, um-mit den beiden mal über eine etwaige Produktion zu sprechen. Da sind wir zum ersten Mal nach Berlin gefahren und haben uns mit ihnen getroffen. Wir beide, also Rolf und ich, haben von unseren Vorstellungen erzählt – und Reinhold und Manne haben erzählt, auf was sie so stehen. So eine Art vorsichtiges Abtasten, denn mit offenen Armen sind wir nicht unbedingt empfangen worden.“

ME/Sounds: Trotzdem wäre die Band Nena ohne Berlin nicht denkbar?

Nena: „Nein, weil hier eben die Produzenten saßen, und wir hier auch die Musiker gefunden haben, mit denen wir unsere Ideen durchziehen wollten. Über die dubiosesten Querverbindungen haben wir Uwe und Jürgen kennengelernt und Demos aufgenommen, und als die beiden Spliffer nach dem Anhören der Demos sagten: ,Okay, wir produzieren das‘, mußte ich schweren Herzens nach Berlin.

Zum fünften Mal umziehen, das war der totale Horror. Ohne die Jungs war‘ das auch gar nicht gelaufen. Uwe hatte gerade eine ziemlich große Wohnung bekommen und so konnten wir am Anfang bei ihm wohnen.“

ME/Sounds: Mit „Nur Geträumt“ wurde dann zuerst nur eine Single veröffentlicht. Eine Menge anderer neuer Bands sind gleich voll mit der LP eingestiegen.

Nena: „Unsere Plattenfirma wollte erst mal, daß wir uns mit einer Single bewähren. Am Anfang hatten ja auch nur Rolf und ich einen Vertrag.“

Carlo: „Die wollten erst mal sehen, was wir so bringen. Auf Händen getragen haben die uns damals bestimmt noch nicht.“ Uwe: „Die CBS und auch die Fabrik Rakete waren ja auch schon vom Fall Nina Hagen her vorgewarnt. Das ist mit ein Grund, wieso wir als Band einen Vertrag bekommen haben und nicht Nena allein als Solo-Art.“

ME/Sounds: Der Test mit der ersten Single verlief anfangs nicht unbedingt berauschend. War das bedrückend für euch?

Nena: „Nein, bedrückend kann man nicht sagen. Wir waren alle gespannt, was denn nun abgehen würde – und nach zwei Monaten, nach dem „Musikladen“ hat die Nummer ja auch tierisch eingeschlagen. Lustig an der ganzen Geschichte ist nur, daß uns die CBS drei Tage vor der „Musikladen“-Sendung gefragt hat, ob wir nicht schnell ne neue Single aufnehmen wollten, weil sie an die

Nummer überhaupt nicht geglaubt haben.“

Rolf: „Die hatten Angst, da seit der Veröffentlichung der Single überhaupt nichts passiert war. Die verstaubte in den Regalen – und plötzlich sollte da ganz schnell ’ne neue Platte her.“

ME/Sounds: Hat der unglaubliche Erfolg euiei ersten Single nach dem „Musikladen“ auch mit der optischen Präsentation zu tun?

Nena: „Ich glaube sehr viel.“ Jürgen: „Uns kannte ja damals noch keiner, da war so ne Art spontane Frische ziemlich überzeugend.“

Uwe: „Wir saßen noch kurz vorher alle hier zusammen und sagten. Wichtige Sendung, was machen wir bloß? Aber im Endeffekt fanden wir alle Einlagen Scheiße, haben uns gar nichts überlegt – und das war offensichtlich auch das Beste. Wir waren einfach alle aufgeregt und aufgedreht und dann schlich sich dieses Gefühl ein, all den anderen etablierten Stars zu zeigen. Jetzt sind wir da! .“

Rolf: „Im Verhältnis zu der vorhandenen Konkurrenz war unser Set natürlich total gut.“

ME/Sounds: Eure LP NENA ist unbestritten perfekt produziert. Das zieht natürlich nach sich, daß böse Zungen behaupten auf eurer Platte würde Spliff spielen.

Rolf: „Ich kann mir nicht vorstellen, daß nach der Levis-Tour noch viel davon gesprochen wird, denn jeder Zweifler hat sich bei den Live-Gigs überzeugen können, daß wir wirklich spielen, was auf der Platte zu hören ist.“

Uwe: „Der gute Sound auf der LP kommt natürlich von den Produzenten, das ist mal ganz klar. Aber das Handwerkliche, die Songs, die Texte sind von uns – und wir haben sie auch eingespielt.“ Carlo: „Wir haben einfach von der Erfahrung der Spliffer profitiert. Ich konnte halt zusammen mit Potsch ewig viele Gitarren ausprobieren und habe dann auch innerhalb von einem Stück drei oder vier verschiedene Gitarren benutzt. Genauso hat Uwe einige Computer-Synthesizer zur Verfügung gehabt und Reinhold als Fachberater an der Seite.“

Nena: „Man kann das am einfachsten klären, wenn man die LP mal mit den Demos vergleicht. Zwar nicht unbedingt vom Sound her, aber von den Songs und den SoundIdeen, die uns im Demo-Stadium schon vorschwebten. Natürlich hat sich der Sound auf der LP entscheidend verbessert, aber Umwälzungen sind da nicht geschehen, es waren und bleiben unsere Songs. Es ist halt in Deutschland furchtbar blöde. Sobald man Erfolg hat, werden die Leute furchtbar mißtrauisch.“

Carlo: „Man muß unterscheiden können zwischen Song und Sound. Manche Leute hören einen total irren Sound und fahren drauf ab und vergessen, daß da nur irgendein Super fachmann irgendwo am Knöpfchen gedreht hat und dir den Wahnsinn in die gute Stube pustet.“

ME/Sounds: Waren die Umstände bei der Einspielung der LP für euch extrem? Das Spliff-Studio hat ja eine recht spartanische Atmosphäre.

Carlo: „Ich bin m Studio-Sachen wirklich ein alter Hase. So ein gutes Arbeitsgefühl wie dort hatte ich eigentlich noch bei keiner Produktion. Die Mittel der Technik sind in diesem Studio alles andere als spartanische und die Optik ist uns angenehmer, als wenn Ledersessel dominieren und die Produzenten nur mit blau verspiegelten Sonnenbrillen um einen rumstreichen.“ Nena: „Nachdem wir mit unseren Produzenten Reinhold und Manne auch befreundet sind, war es ein richtig duftes Arbeitsverhältnis. Wir konnten alles mögliche ausprobieren – und die Jungs haben alle Hebel in Bewegung gesetzt, um unsere Ideen realisieren zu helfen.

Für mich war halt blöde, daß ich nicht die ganze Zeit dabei sein konnte. Durch die Arbeit an dem Film war die Zeit so knapp, daß ich wirklich immer nur zum Singen ins Studio gekommen bin.“

ME/Sounds: Mußtest du oft zwischen dem Drehort München und Berlin hm und her pendeln?

Nena: „Na so sechs, sieben Mal bin ich bestimmt hin und her gedüst. Obwohl ich dann alles fast an einem Streifen gesungen habe, als zwischendrin fünf Tage Zeit waren. Was mir jetzt im Nachhinein noch einfällt, ist Folgendes: Ich kam da aus München von diesen komischen Dreharbeiten mitten ins Studio und mußte singen, und da wußte ich plötzlich sofort, was ich lieber mache: eindeutig das Singen.“

ME/Sounds: Ist dir die Rückkehr zu den Dreharbeiten schwergefallen?

Nena: „Nee, schwergefallen nicht, aber mir war von da an einfach klar. Musik geht vor Film.“

ME/Sounds: Auf eurer LP ist nur ein Text („Leuchtturm“) komplett von dir, sonst singst du die Texte von anderen. Kannst du alles vertreten, was du da singst?

Nena: „Ja, klar. Wenn zum Beispiel Carlo einen Text bringt, den ich nicht singen kann von der Phrasierung her oder nicht singen will vom Inhalt her, dann lassen wir das lieber. Sobald ich merke, das bringt mir nichts, dann klingt das auch nicht, da kann ich mich noch so anstrengen. Außerdem gibt es auch Wörter, die ich nicht aussprechen kann…“

Carlo: „Pastetchen!“

ME/Sounds: Wird der betreffende Song dann ganz vergesssen?

Nena: „Oft ja. Manchmal arbeiten wir auch gemeinsam dran. Wenn ich die Grundidee gut finde, aber mir manche Texte oder Bilder nicht schmecken, bemühen wir uns, eine Alternative zu finden. Das kann dann zu einer ganz guten bandinternen Zusammenarbeit führen, wie bei „Tanz auf dem Vulkan“, zu dem eigentlich jeder von uns eine eigene Idee beigetragen hat.“

ME/Sounds: Ist eine Entwicklung wie seinerzeit bei Ideal auch bei euch möglich, daß auch mal die Jungs aus der Band singen und Nena in verschiedenen Titeln „nur“ als Musiker mitwirkt?

Nena: „Ich bin da für alles offen. Ich finde, man kann sowas ab und zu mal machen, aber daß es in ferner Zunkunft mal so laufen könnte, daß ich mal gar nicht mehr singen würde, das seh‘ ich nicht.“

Carlo: „Ein bißchen Abwechslung kann die ganze Sache nur bunter machen. Es wird wohl in Zukunft das eine oder andere Stück geben, bei dem Uwe und/oder ich singen und Nena am Instrument steht, aber Nena ist und bleibt nun mal unser „Frontschwein“ und soll es auch bleiben.“

ME/Sounds: Der Film mit Markus, „Gib Gas, ich will Spaß“, hat ja bestimmt einen Großteil zu dem Nena-Einzel-Image beigetragen. Wie seht ihr diese Fümkiste. Hat sie euch geschadet oder genützt?

Carlo: „Wir haben uns zuerst alle gefreut, daß sie mal die Chance hatte, ’ne Markfünfzig zu verdienen, denn damals haben wir noch die Groschen für ein Kebab zusammen gelegt.“

Nena: „Daß das alles nach hinten losgeht, konnten wir damals ja nicht ahnen. In so einer Situation wie heute wären wir bestimmt anders mit so einem Angebot umgegangen. Ich weiß jetzt nicht wie, aber anders auf jeden Fall.“

ME/Sounds: Wie siehst du denn den Film und deine Rolle heute, im Nachhinein?

Nena: „Mit sehr gemischten Gefühlen. Ich hab das eigentlich gemacht, weil es immer schon mein Wunsch war, so vor ’ner Kamera zu stehen.

Und da hab‘ ich das Drehbuch gelesen und das war ja ursprünglich ’ne ganz andere Geschichte. Trio sollten damals z. B. noch mitspielen, haben dann allerdings abgesagt. Dann wurde das Drehbuch zigmal umgeschrieben, sogar als ich schon in München war und der erste Drehtag schon vorbei war, da wurdeimmer noch dran rumgebastelt,das ließ sich für mich gar nicht mehr so alles verfolgen.

Naja, aber da hatte ich schon zugesagt und den Vertrag unterschrieben, also mußte ich’s auch machen. Es hat mir schon auch Spaß gemacht, es ist nicht so, daß ich alles unheimlich ätzend fand, ich hab‘ auch ziemlich was gelernt dabei, aber ich würde ganz bestimmt nicht nochmal sowas machen.“

Carlo: „Das ist die gleiche Kiste wie mit den „99 Luftballons“. Du machst irgendwas, bist zufrieden damit, kannst aber überhaupt nicht beeinflußen, was draußen damit passiert. Da bringen dich die Sachen, die aus deiner Idee entstehen, ganz von dem Gefühl weg, das ursprünglich hinter der Idee stand.“

Nena: „Also echt, wenn du da so nen Film drehst, biste ja auch nur so ein Fuzzie. Das ging alles so schnell, in fünf Wochen wurde der abgedreht und während dem Drehen weißte ja nicht, wie das hinterher aussieht.“

ME/Sounds: Hast du inzwischen weitere Filmangebote bekommen ?

Nena: „Ja, sowohl ich als auch die Band. Wir haben einige Angebote und Anfragen für Spielfilme schon aufm Tisch liegen.“

Jürgen: „Darüber zu sprechen wäre jetzt aber Unsinn, denn uns ist ganz klar die Musik am wichtigsten, alles andere muß warten.“

Nena: „Wenn ich sowas noch mal machen würde, müßte ich vorher erst mal richtig testen, ob ich schauspielerisch wirklich was draufhabe.“

ME/Sounds: Dein erster Film ist also kein Test dafür?

Nena: „Nee, tn dem Film mußte ich immer nur lachen – und das wars dann.“

ME/Sounds: So eine Rolle würdest du also nicht mehr annehmen?

Nena: „Nee, nie wieder.“

ME/Sounds: Stehst du denn persönlich au!

Kino?

Nena: „Ja schon. Ich seh‘ gerne Action-Sachen wie die .Klapperschlange‘ oder ,Bladerunner‘, aber auch Liebesfilme, wie die alten Hollywood-Komödien.“ ME/Sounds: Action-Rollen sind dir aber keine angeboten worden?

Nena: „Nein, dafür sehr viele ätzende Schwachsinns-Rollen. Ein Filmtitel sollte heißen „Plemm Plemm, die Schule brennt“, aber auf derartiger Idiotenbasis steig‘ ich auf keinen Fall mehr ein.

Es sind aber auch einige völlig seriöse Angebote da, von internationalen Firmen, mit bekannten Schauspielern. Ich versteh‘ gar nicht, wie die auf mich kommen können, die haben ja lediglich diese Schwachsinns-Komödie gesehen.“.

Carlo: „Am liebsten würden manche einen Film mit Nena und E.T. drehen. Nena mit ET. auf dem Arm, das Traumpaar des Jahres ¿83.“

ME/Sounds: Wie sehen die Jungs in der Band denn den Film „Gib Gas, ich will Spaß“?

Rolf: „Er ist halt ganz klar für die Teenie-Zielgruppe gemacht. Wenn man ihn unter diesem Aspekt sieht, geht das okay.“ Carlo: „Ich dacht‘ mir, gehst mal rein, mal angucken, was die Chefin so draufhat.“ ME/Sounds: Einen Zusammenhang zwischen den beiden Hauptrollen im Film, Nena und Markus, der Tatsache, daß der Film während der Levis-Tour noch lief und der Besetzung der Levis-Tour, unter anderem eben auch Nena und Markus, seht ihr nicht?

Nena: „Nee, es war ja bis zum Schluß überhaupt nicht sicher, ob wir überhaupt mitfahren konnten. Da hatte nur eine von Levis beauftragte Agentur zu entscheiden; die Gruppen mußten deren Entscheidung zusammen zu teuren so hinnehmen.“ Uwe: „Zu dem Zeitpunkt, als uns die Tour angeboten wurde, waren wir noch überhaupt keine bekannte Gruppe. Im Verhältnis zu Hubert Kah waren wir noch ziemlich klein.“

ME/Sounds: Nenas Filmrolle ist dann bisher die einzige „Nebenbeschäftigung“ über die Band Nena hinaus?

Nena: „Stimmt nicht ganz. Carlo zum Beispiel, unser alter Hase, hat die LP für Else Nabu produziert. Jürgen entwirft, strickt und schneidert Klamotten, Uwe hat wohl auch schon mal das eine oder andere Angebot, eine ]unge Band zu produzieren bekommen; ja und manches Mal fliegt per Zufall eine Session oder so auf einen von uns zu. Rolf mußte mal im Fernsehstudio als Drummer bei Culture Club einsteigen, weil deren Drummer sich verletzt hatte.“ Rolf: „War ja nur Playback.“ Carlo: „Sessions werden halt jetzt auch zum Zeitproblem. Ich würd‘ schon gern ab und zu mit anderen Musikern jammen oder was einspielen. Der Stefan Kleinkrieg von Extrabreit hat mich gefragt, ob ich nicht Lust hätte, auf seiner Solo-LP ’ne Gitarre zu spielen.

Wenn sowas zeitlich hinhaut, habe ich große Lust dazu.“

ME/Sounds: Irgendwann in diesem Jahr werden ja auch die ersten paar Mark aus euren Plattenverkäufen auf euch zurollen.

Wird das Ding mit dem Geld ein Problem für euch?

Nena: „Ich laß‘ mir sofort das Klo vergolden.“ Rolf: „Nee, Quatsch. Wir sind froh, daß wir endlich von der Musik leben können und jetzt wirklich nur noch Musik machen können.“

Nena: „Also, was ich am tollsten finde, ist, daß ich mich nicht mehr mit irgendwelchen dummen Jobs über Wasser halten muß. Das war so ätzend. Nachdem ich meine Goldschmiedeprüfung gemacht hatte, war ich wirklich nur in Discos, Taxi-Zentralen und sowas am Jobben.“

Rolf: „Wenn du mal eine Woche lang jede Nacht 12 Stunden Taxi gefahren bist, dann weißte, was du gemacht hast, ehrlich.“ Uwe: „Es ist halt ein gutes Gefühl, wenn man sich nicht mehr dauernd von irgendjemand was pumpen muß. Der große Goldregen ist das aber trotzdem nicht, wie die Leute das sich oft vorstellen.

Es gibt zwar eine ganze Menge Kohle, aber wir haben ja auch eine Menge Investitionen zu machen und wir haben ja das gesamte letzte Jahr auf Kredit gelebt. So riesig reich werden wir davon nicht.“

Carlo: „Bei mir kommt so’n bißchen Weihnachts-Feeling auf. Das man mal so ’ne kleine Wunschliste, die jeder im Kopf hat, Stück für Stück realisieren kann. Aber ich stell‘ dann fest, so übertrieben ist die gar nicht. Ein Videorecorder zum Beispiel läßt schon ganz schön Freude bei mir aufkommen. Mal wieder ’ne neue Gitarre muß auch drin sein, aber ich brauch‘ keine Riesen-Straßenkreuzer oder Eigentums-Wohungen.“

Nena: „Ich hab den Traum, meine Wohnung abzuschaffen, alle festen Gegenstände abzuschaffen und nur noch im Hotel zu leben. Ich find‘ das so gelungen, du kommst da rein, schmeißt die Sachen in die Ecke, brauchst nicht aufzuräumen. Wenn du Hunger hast, rufst du den Zimmer-Service an, das funktioniert alles prima. Wozu dann das ganze Gerumpel, was man zuhause stehen hat.“

Rolf: „Am besten ist die Unabhängigkeit in kleinen Sachen. Wenn ich essen gehen will, dann kann ich essen gehen, wenn ich Taxifahren will, kann ich das Taxi nehmen und muß nicht immer wieder nachrechnen, reicht die Kohle, die ich in der Tasche habe, noch, um die Kassette zu bezahlen, auf die ich mein nächstes Demo aufnehmen will.“

ME/Sounds: Also kein Konsumrausch wie beim Lotto-Gewinner Gibst aber nicht irgendeinen Wunschtraum der nach Erfüllung schreit?

Nena: „Doch. Ich will unbedingt mal nach Amerika und dort keine Geldsorgen haben.“

ME/Sounds: Du bist ja schon recht lange mit dem Rolf befreundet Ist das problematisch eine Freundschaft, innerhalb einer Band gut intakt zu halten?

Nena: „Das ist ziemlich schwer, aber wir schaffen das. wir haben schon so viele Krisen durchgemacht, echt. Das Ding ist ja erst mal, daß man ständig zusammen ist. Wir sind schon vier Jahre zusammen und deshalb haben wir uns erst mal entschieden, daß es besser ist, wenn wir getrennte Wohnungen haben.“

Rolf: „Wir haben dreieinhalb Jahre zusammen gewohnt, unsere Freizeit zusammen verbracht, zusammen Musik gemacht, irgendwann steht man sich dann doch gegenseitig auf den Füßen. Du brauchst einfach ein bißchen Abstand, und getrennte Wohnungen sind da ganz gut für.“

ME/Sounds: Ist es für die Band schwierig, daß Nena und Rolf befreundet sind?

Carlo: „Nö. Also wenn sie sich mal wieder in den Haaren haben, hängt natürlich n’bißchen ne Wolke über der Truppe. Aber die hängt nie so besonders lang – und wenn sie sich dann wieder vertragen, freuen wir uns alle.“ Nena: „Dann kommt Carlo, nimmt uns beide in den Arm und sagt. .Kommt Kinder, vertragt euch wieder‘. Er ist ein großartiger Tröster.“

ME/Sounds: Verändert der Erfolg die Persönlichkeit?

Nena: „Ich bin im Moment irrsinnig leicht reizbar. Das war ich .zwar früher schon, aber so extrem war’s noch nie. Der Rummel um meine Person geht mir halt doch ziemlich auf den Keks. Überall wo ich bin, lauern irgendwelche idiotischen Fotografen, stellen sich ganz dreist vor mich hm, zack, Blitzlicht, und weg sind sie wieder.

Oder der Nerv durch Autogramm-Wünsche von völlig unerwarteter Seite. Leute sind da plötzlich freundlich, die sich sonst einen Dreck um dich scheren würden. Im Flughafen zum Beispiel, ich steh‘ da so auf dem Podest und die Alte will mich abtasten und sagt dann plötzlich. Ja wie lss’es denn mit ’nem Autogramm?‘ Die hat mich echt zwei Minuten nur angestarrt – und ich steh‘ sprachlos da mit ausgebreiteten Armen und warte drauf, daß ich endlich durch die Absperrung kann.“

ME/Sounds: Schlägt sich das Nena-Image vorn Neuen Deutschen Mädchen eigentlich auch in Verehrern nieder, die dir auf die Pelle rücken?

Nena: „Während der Toui bist du ja ziemlich abgeschirmt, da kann kaum was passieren. Aber wenn ich abends ins Hotelzimmer gekommen bin, standen da oft unheimlich viel Blumen Einmal waren da sogar 98 Rosen und da war ein Zettel dabei. .Wir sind deine zwei Rosenkavaliere, wir haben eine Wette gemacht, sag‘ doch heute abend übers Mikrofon, ich grüße meine zwei Rosenkavaliere.‘ Und Briefe krieg‘ ich natürlich jede Menge und so, und die treffe ich dann auch manchmal, die Leute. Die beiden Rosenjungs habe ich gestern auch getroffen. Die sind extra aus Stuttgart nach Berlin gefahren, um mich zu sehen.

Da gibts noch so zwei Jungs, die sind schon etwas älter, 28 oder so, und die haben zu zweit einen Nena-Club gegründet und die dürfen grundsätzlich nur dann miteinander telefonieren, wenn unsere Musik im Hintergrund läuft Das find‘ ich echt süß.“ ME/Sounds: Und irgendjemand, der dich penetrant mit Heiratsanträgen verfolgt?

Nena: „Penetrant eigentlich nicht, da gibts niemand,“

Rolf: „Doch, ich.“