Neu auf Vinyl


Ach, Chet Baker, du tragischer Held. Superstar des Jazz. Ikone des Cool Jazz, dem Gegenentwurf zum Schneller, Höher, Weiter des Bebop. Ab Mitte der Fünfzigerjahre bis zu seinem Tod 1988 mit 58 Jahren war Baker heroinabhängig. 1953 aber war seine Welt noch in Ordnung. Der junge Trompeter stand für die Aufnahmen von Chet Baker & Strings (Columbia/Music On Vinyl/Cargo) zusammen mit Zoot Sims (ts), Jack Montrose (ts), Russ Freeman (p), Joe Mondragon (b), Shelly Manne (dr) und Bud Shank (as) einer neunköpfigen Streichersektion gegenüber. Die Grundstimmung ist leise, melancholisch, introspektiv – Ausnahmen in Richtung Bebop wie „Love“ und „A Little Duet For Zoot And Chet“ bestätigen die Regel. Dazu Bakers sanftes Trompetenspiel, das in seinem Lyrizismus den Hollywood-Kitsch der Streicher ein ums andere Mal kaschiert. Die übliche Music-On-Vinyl-Qualität: 180-Gramm-Platte, authentisches Artwork. Dieses Album soll zum ersten Mal seit 1953 wieder als Vinyl zu haben sein. Aber glauben wir das?

Schon die Original-LP von Cripple Crow, dem fünften Album des texanischen „Freak-Folkies“ Devendra Banhart aus dem Jahr 2005, verfügte über ein paar nette Eigenheiten. Die Sgt.-Pepper-mäßige Collage der LP-Hülle war nur scheinbar identisch mit dem CD-Cover. Für die LP wurden die Gesichter mit Fotos von Devendra-Fans ausgetauscht. Und die vierte Seite der Doppel-LP enthielt acht Songs, die auf der CD nicht zu finden waren. Ein 30 Songs starkes Meisterwerk der Nouveau-Hippie-Musik, psychedelischer, elaborierter und bunter als seine Vorgänger. Bei der aktuellen Wiederveröffentlichung von Cripple Crow (Music On Vinyl/Cargo) – Doppel-LP auf 180-Gramm-Vinyl im Klappcover – registrieren wir den seltenen Fall, dass die Original-LP, damals auf XL Records veröffentlicht, noch in ausreichender Stückzahl bei gutsortierten Online-Händlern vorrätig ist. Aber von einem Meisterstück wie Cripple Crow kann man gar nicht genug Exemplare besitzen.

Wer Näheres über Meine zarten Pfoten (Pampa/Rough Trade), das zweite Album der Kölner Minimal-House/Pop-Künstlerin Michaela Dippel aka Ada, erfahren will, möge sich gefälligst die Juli-Ausgabe dieses Magazins besorgen, da steht alles drin. Anlässlich der Vinylveröffentlichung bleibt nur festzustellen, dass das Pampa-Label alles richtig gemacht hat. Das Coverbild mit dem Esel, gemalt von DJ Koze, kommt im LP-Format zweikommafünfmal so niedlich. Die Platte ist 180 Gramm fett. In der Hülle liegt nicht nur ein Downloadgutschein für Menschen, die „noch nicht genug Musik auf ihrem Computer“ haben, sondern auch eine 7-Inch mit dem Koze-Remix von „Faith“, Adas Version des Luscious-Jackson-Originals, und „Likely“, der Instrumentalversion des gleichnamigen Albumtracks. Wer sich wundert, weshalb in diesem kurzen Text soviel DJ Koze vorkommt: ja, Pampa ist Kozes Label und residiert gleich um die Ecke.

Als der Jazzpianist Herbie Hancock 1974 diesen Soundtrack einspielte, hatte er schon einige musikalische Häutungen erlebt. Von relativ traditionellen Anfängen, über die Elektrifizierung des Jazz (zusammen mit Miles Davis), eine außerweltlich-elektronische Spielweise bis hin zum knochentrockenen Funk. Death Wish (Columbia/Music On Vinyl/Cargo), der Score zu Michael Winners umstrittenen Selbstjustiz-Film „Ein Mann sieht rot“ mit Charles Bronson in der Titelrolle, zeigte den Hans-Dampf-in-allen-Musikgassen hin- und hergerissen zwischen traditioneller Score-Muzak (manches hier klingt nach „Schwarzwaldklinik“) und freiformalen Experimenten, die die Grenzen von Neuer Musik streifen. Vor allem in „Death Wish (Main Title)“ hebt Hancock die typische Siebzigerjahre-Kriminalfilm-Musik auf ein neues Level. Vor einer Orchesterwand tun sich perlende E-Piano-Figuren auf, Gitarrenlicks aus der Minimalschule, vertrackte Rhythmen und Ahnungen von Funk, die ein paar Jahre später Hancocks Werk dominieren sollten, bis er wieder woanders angekommen war. Death Wish ist zum ersten Mal seit 1980 wieder auf LP zu haben. Das glauben wir jetzt.

Weitere Neuerscheinungen:

Azari & III – Azari & III

Casper – XOXO (LP + CD)

Dance Disorder – Metallic Italic (12″)

Dave I.D. – Response

Andreas Dorau – Todesmelodien (LP + CD)

I Like Trains – Sirens (10″)

Little Dragon – Ritual Union

Locas In Love – Lemming (LP + CD)

Locussolus – Locussolus (2 LPs)

Love Inks – E.S.P.

Orchestro Poly-Rythmo – The 1st Album

Portugal. The Man – In The

Mountain In The Cloud

Samiyam – Sam Baker’s Album (2 LPs)

Simian Mobile Disco – Gizzard (12″)

Slowdive – Just For A Day

Son Lux – We Are Rising

Washed Out – Washed Out

Yardbirds – Roger The Engineer