Oliver Harris über Integration


Oliver Harris lebte 30 Jahre im Berliner Bezirk Kreuzberg – er ist weggezogen, weil er nicht wollte, dass seine Kinder besser türkisch sprechen können als deutsch. Heute ist er das Gesicht der Integrationskampagne „Raus mit der Sprache. Rein ins Leben“ der Deutschen Bundesregierung. Und er hat eine klare Meinung zum Thema Integration: Wer in diesem Land leben will, soll sich benehmen.

Harris, wann wurden Sie das letzte Mal mit Vorurteilen konfrontiert?

(lacht) Gestern im ICE. In der ersten Klasse kommt ein Mitarbeiter auf mich zu und sagt: „Das ist hier die erste Klasse, nicht die zweite!“

Was ging Ihnen da durch den Kopf?

Ich dachte mir: Schade. In Holland oder in Frankreich ist das nicht so. Dort sind dunkelhäutige Menschen Teil der Gesellschaft. Sieh dir deren Fußball-Nationalmannschaften an. Als dort schon Tunesier und Algerier gespielt haben, waren bei uns noch alle blond und blauäugig. Es kam erst vor vier Jahren bei der WM, dass man sich gesagt hat, wir haben Deutsch-Türken, Deutsch-Polen, Deutsch-Araber. Die gehören genauso zu diesem Land.

In ihrem Song „Nur ein Augenblick“ sagen Sie, sie seien Patriot mit Nationalbewusstsein.

Nationalbewusstsein heißt, sich für die Interessen seines Landes zu interessieren. Es regt mich auf, dass man immer aufpassen muss, was man sagt. Schwachsinn. Für mich ist ein Patriot jemand, der daran glaubt, dass es besser werden kann.

Was muss sich dafür ändern?

Es ist sehr wichtig, dass nicht an Schulen und Kindergärten gespart wird. Wir müssen verstehen, dass die meisten nicht nur kurz in dieses Land kommen. Oft heißt es, sie wollen wieder in ihre Heimat zurück. Doch jetzt bist du hier, also lerne Deutsch sonst findest du keinen Anschluss. Das muss schon im Kindergarten anfangen. Du kannst keinem 17-jährigen Prototyp-Kanaken sagen: Lern mal Deutsch! Dann ist es zu spät.

Was kann ein Musiker leisten, wenn die Politik nicht mehr weiter kommt?

Man kann sich nur stark machen. Ich habe beim Projekt „Raus mit der Sprache“ mitgemacht. Ich kann anbieten, mich mit anderen zusammen zu setzen, Anregungen geben. Und ich kann Songs schreiben. Aber solange ich mich nicht als Bürgermeister oder Innensenator zur Wahl stelle, hört da meine Macht auf.

Bei solchen Aktionen liegt der Verdacht nahe, dass Sie in erster Linie der eigenen Werbung dienen.

Über so etwas kann ich nur lachen. Ich habe bereits genug Platten verkauft. Außerdem hatte ich den Song schon vor der Sarrazin-Debatte aufgenommen. Mein Manager sagte mir, ich muss ihn raus bringen, weil viele so denken. Ich war erst zurückhaltend, weil ich das Gefühl hatte, man müsste dieses Thema mit Samthandschuhen anfassen.

Das machen Sie offensichtlich nicht mehr?

Nein, ich hatte keinen Bock mehr. Ausschlaggebend war meine Frau. Ich habe sie gefragt, worüber ich einen Song schreiben kann. Sie sagte, schreib über dein Lieblingsthema. Und ich dachte mir: Ja, geil, Deutschland! Doch ich wusste nicht, wie ich anfangen sollte. Dann habe ich zufällig eine Reportage in Fernsehen gesehen, über irgendwelche Kids, die sich in Discos daneben benehmen. Dort hat ein Mädchen die Türsteher beschimpft, so: „Scheiss Deutscher, isch ficke deine Mutter.“ Da hatte ich mein Thema.

Sie wurden eingeladen, vor dem Deutschen Bundestag zu reden. Wie waren die Reaktionen der Politiker auf Ihr Engagement?

Durchweg positiv. Vielen ist wohl ein Stein vom Herzen gefallen, dass es endlich mal einer sagt, der auch noch schwarze Haare hat.

Fällt es Ihnen leichter, dieses sensible Thema anzusprechen?

Definitiv. Dabei ist es egal, dass ich Musiker bin. Wäre ich ein Musiker und blond und blauäugig, dann wäre meine Karriere vorbei. Würde Peter Fox so etwas sagen, wäre er weg vom Fenster.

Im Song heißt es auch „Dieses Land braucht keine Leute, die hier nicht sein wollen.“

Bestes Beispiel: Du gehst in einen Club. Hast coole Sachen darüber gehört. Doch dann ist dir der Eintritt zu teuer, nur Typen dort, Scheißmusik. Was machst du? Du gehst wieder, in einen anderen Laden. Die logische Schlussfolgerung. Wenn es dir hier nicht gefällt, dann geh‘ doch woanders hin. Und ob das von jemandem kommt, der blond und blauäugig ist, oder von mir, ist egal.

www.ich-spreche-deutsch.de

Oliver Harris wurde 1976 als Sohn einer deutschen Mutter und eines US-amerikanischen Vaters in Berlin geboren. Gemeinsam mit Kollege Dean Dawson gründete er die Rap-Combo Spezializtz und gab mit dem Motto der G.B.Z.-Oholika-Alben „Gras, Becks und Zärtlichkeit“ das Mantra der Berliner Hip-Hop-Jugend der 90er vor. In den Nullerjahren folgten Soloplatten, Schauspielengagements, eine Radiosendung und eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit Sido unter dem Namen Deine Lieblings Rapper. Harris ist mit der der Sängerin Bintia verheiratet und hat zwei Kinder.