Paul McCartney


Er ist gerade 47 geworden, seit 20 Jahren verheiratet und stolzer Vater von vier Kindern. Nach dreijähriger Pause hat Alt-Beatle Paul McCartney jetzt ein neues Album veröffentlicht, im Herbst will die Pop-Legende auch wieder auf Tournee gehen. ME/Sounds-Mitarbeiter Rolf Lenz teilte sich mit Paule ein Käsebrötchen.

Sie haben schon ’69 geschrien und sie schreien ’89 immer noch: „Paul, Paul, kämm hier plies, sain sis, hey Paul! Paul!!!“ Paul McCartney ist nur einen Tag in Deutschland, abgeschirmt und gut bewacht bei Bioleks „Mensch Meier“, aber seine beinharten Fans wissen, wo sie ihn finden können. Außerhalb der Umzäunung des WDR-Geländes in Köln-Bocklemünd brät den ganzen Tag ein Trupp Unentwegter in der Sonne und hofft, wenigstens einen kurzen Blick auf Paule zu erhaschen. Immer wenn er vom stickigen Interview-Kabäuschen in den klimatisierten Bus oder vom Bus ins Fernsehstudio – huscht, hüpfen sie auf und ab, winken, rufen – Paul grinst über alle vier Backen und reckt die Daumen in die Luft. Als seine Crew anfängt, den Fans mit blauen Plastikplanen die Sicht zu nehmen, läßt er wenigstens die mitgebrachten Platten und Autogrammbücher einsammeln und setzt schnell seine kostbare Unterschrift drauf.

Paule ist nämlich ein Netter – er sieht nicht nur so aus, er benimmt sich auch so. Obwohl er diese Negermusik spielt, Frisöre arbeitslos gemacht hat und immer wieder beim Gras-Schmuggeln erwischt worden ist, hat sich McCartney, einer der megaerfolgreichsten Songwriter aller Zeiten, über bald 30 Jahre das Image des Lieblings-Schwiegersohns bewahrt. Der Mann hat Sonne im Herzen, ist immer lustig, nett und höflich, denn: „So bin ich erzogen worden – daß es okay ist, nett zu den Leuten zu sein.“

“ Weißt du, was krank ist?“, fragt Paul, den Mund voll Camembert. „Unsere Gesellschaß steht auf Menschen, die schockieren, die aggressiv und laut sind. Insgeheim mögen es die Leute, wenn andere hergehen und ihre Fantasien für sie ausleben – sie wollen angebrüllt werden: VERPISS DICH. FUCKING BASTARD! Irgendwas haben die falsch verstanden…“

Genausowenig wie sie die Sache mit der Sentimentalität verstanden haben. Vor 20 Jahren schrieb der Brite Nik Cohn in seinem Pop-Geschichtsbuch „AWopBopaLooBop ALopBamBoom“ über McCartney:

„Er war mächtig sentimental und schrieb viele traurige Lieder über viele traurige Dinge, Lieder, die so butterweich und melodisch waren, daß Großmütter allerorten sie zu Millionen kauften.“

„Bullshit“, meint Paul. „Leider ist „sentimental“ in den Medien und sonstwo immer noch ein Schimpfwort. Dabei bedeutet es doch nur, mit seinen Gefühlen im Einklang zu leben. Gerade unter Männern gilt es immer noch als unheimlich peinlich, im Kino zu heulen, die Liebe zu lieben oder auch nur das Wort auszusprechen. Wie oft habe ich meiner Frau gesagt, daß ich sie liebe? Vielleicht zwölfmal – und wir sind 20 Jahre verheiratet! Dabei schäme ich mich überhaupt nicht, sentimental zu sein – es ist mir aber oft genug passiert, daß man meine Arbeit ablehnte, weil ich mich ja bloß mit ,Unwichtigem‘ beschäftige. Dabei sind auf dem neuen Album ja auch nicht nur Liebeslieder…“

Paules FLOWERS IN THE DIRT-LP bringt das erste neue McCartney-Material seit drei Jahren und u.a. vier Songs, die er gemeinsam mit Elvis Costello geschrieben hat – eine Zusammenarbeit, die von den Managern der beiden in die Wege geleitet wurde. „Ich schreibe gern mit anderen“, grinst der Meister, während er mit einem unhandlichen Salatblatt kämpft. „Zu weit fällt es mir leichter. Allerdings bin ich sehr wählerisch mit meinen Partnern niemand kann so gut sein wie John! Außerdem habe ich schon mit den Besten gearbeitet, da ist es gar nicht mehr so leicht, noch jemanden zu finden: Manche haben regelrecht Schiß vor meiner Berühmtheit. Es mußte also einer sein wie Elvis – der hat überhaupt keine Angst, zumindest zeigt er sie nicht.“

Nachdem die beiden gebürtigen Liverpooler „zum Beschnuppern“ zwei von Costellos unvollendeten Songs fertiggestellt hatten und bestens miteinander klargekommen waren, machten sie sich an McCartneys Ideen.

„Manchmal habe ich mir mit Elvis beinah genauso die Bälle zugeworfen wie damals mit John – ich bin Handwerker, er ist Handwerker, und zusammen stellen wir einfach schöne Sachen her.“

Das findet auch Familie McCartney: Gattin Linda ist sowieso immer mit von der Partie, aber auch die Kinderschar (ein Sohn, 11, und drei Töchter: 26,19 und 17 Jahre) steht voll hinter Papa. „Wir sind ein echtes Team, fast wie eine italienische Familie, die durch dick und dünn zusammenhält und wo einer für den anderen da ist. Ich glaube auch, daß ich meine Kinder besser verstehe als meine Eltern mich verstanden haben. Wir können über alles reden. Bloß manchmal meinen sie zu Linda und mir: ,Eigentlich solltet ihr die anständigen Eltern sein und wir die komischen, ausgeflippten Hippies. Mit euch ist das verkehrtherum – ihr seid die ausgeflippten Hippies und wir sind die anständigen Kinder.'“

Bislang hat der Nachwuchs auch noch keinerlei Ambitionen, in Vaters Fußstapfen zu treten. Paul McCartney ist ganz froh darüber: „Ich hatte nie vor, sie zur Musik zu drängen, weil das ein hartes Geschäft ist, an dem man schnell zerbrechen kann. Viele der Sachen, die ich so mitgemacht habe und die mir meine grauen Haare eingebracht haben, würde ich meinen Kindern gern ersparen.“ Mit seinen Sprößlingen hat er bisher nur einen Song aufgenommen:eine Privat-Platte zum Geburtstag ihres Großvaters.

Fast genauso exklusiv und für Fans ein heißbegehrtes Sammler-Objekt ist das Album BACK IN THE USSR, ein Sampler mit Rock’n’Roll-Klassikern, den Paule 1987 eingespielt hat und der im letzten Jahr (als erste westliche Platte) ausschließlich in der Sowjetunion auf den Markt kam.

McCartney war schon einmal Vorreiter gen Osten: Das Wings-Album BAND ON THE RUN war Mitte der 70er die erste englische LP, die überhaupt in der UdSSR veröffentlicht wurde. Woher der gute Draht nach Moskau kommt, kann sich McCartnev selbst nicht so recht erklären:

„Keine Ahnung, offenbar habe ich den globalen Groove. Ich war auch der erste Musiker, der bei einer Live-Telefonaktion der BBC in Rußland mitgemacht hat – und ich hatte fünfmal soviele Anrufer wie Maggie Thatcher.“

Wundert ihn das? Vielleicht hätten mehr Leute angerufen, wenn Maggies merkwürdiger Ehemann am Telefon gewesen wäre…

„Dennis? Was soll man den denn fragen? Wie Maggie im Bett ist?“

Wie sie ist – oder wie sie war?

“ Wieso war ? Meinst du, die machen ’s nicht mehr?“

Kann er sich das vorstellen? „Nee“, schüttelt sich Paul leicht angewidert.

Lieber nicht. Soviel Zeit haben wir auch gar nicht.“