Respektvoll


Mit Achtung vor den Musikern und Liebe zu ihrem Werk leitet Nicolai Beverungen das Reggae-Dub-Label "Echo Beach" als Ein-Mann-Betrieb.

Steht der Wind günstig, dann hört Nicolai Beverungen am Dachfenster die Möwen kreischen. Keine 200 Meter sind es zum Hamburger Elbe-Hafen, die kleine Echo Beach-Zentrale liegt auf der Grenze zwischen Neustadt und St. Pauli, zwischen Souvenier-Läden und portugiesischen Restaurants. Hier regiert Beverungen auf acht Quadratmetern: Den Telefonhörer unters Kinn geklemmt, schreibt er E-Mails, verschickt CDs und testet Demos im „Active Hyper Bass“-Chettoblaster. Beverungen ist Geschäftsführer, Mitarbeiter und Praktikant gleichzeitig, alleine leitet er ein Reggae- und Dub-Label, das weltweit Anerkennung gefunden hat. „Mein Label ist seit der Gründung 1995 stetig und organisch gewachsen“, so Beverungen zufrieden. „Und das ist mir sympathischer, als wenn ich gleich am Anfang einen Mörder-Hit gehabt hätte. Da hast du dann plötzlich sechs Mitarbeiter im Büro sitzen, die du im Jahr darauf wieder entlassen musst“. Der aktuelle Echo Beach-Katalog umfasst 34 CDs. Unter dem relativ weit gefassten Genre-Begriff Dub versammelt Beverungen einige der innovativsten zeitgenössischen Künstler. Die Kontakte zu den Musikern bestehen schon seit 1987, als Beverungen die Leitung des Line-Music-SublabelsTrance-Records übernahm. „Wie viele White Boys habe ich den Reggae über den Punk kennengelernt“, erinnert er sich bei einem schnellen Lunch. „Als Johnny Rotten auf Partys Reggae aufgelegt hat, haben plötzlich immer mehr Weiße mit diesen Sounds experimentiert. Und als The Ruts dann als Ruts DC mit Mad Professor im Studio waren, war ich endgültig begeistert“. Von Trance-Records wechselte Beverungen zu EFA, als dortiger Manager des englischen On-U Sound-Labels veröffentlichte er Punk- und Dub-Klassiker wieder und lernte Szene-Schlüsselfiguren wie Adrian Sherwood kennen. Als nach fünf erfolgreichen Jahren die Zusammenarbeit mit On-U Sound und EFA beendet war, kamen dem Dub-Experten die Kontakte zugute: „Um meine Arbeit abzuschließen, wollte ich eine Compilation mit den Künstlern machen, mit denen ich die ganze Zeit gearbeitet habe. Was als Abschluss geplant war, wurde ein Neubeginn“. Aus dem Projekt wurde „King Size Dub Vol. V, veröffentlicht auf dem neu gegründeten Label Echo Beach. Die CD verkaufte gut – es gab keinen Grund mehr aufzuhören. In den folgenden Jahren stellte Beverungen ein vielschichtiges Repertoire zusammen, das nun durch seine Zusammenarbeit mit Mick Hucknalls (Simply Red) Roots-Label Blood St Fire aus Manchester abgerundet wird, für das er in Deutschland Marketing und Promotion leitet: „Echo Beach ist relativ modern, ich veröffentliche auch Dub aus dem TripHop- und Drum’n’Bass-Bereich. Blood & Fire ist viel puristischer. Die Jungs wühlen in Archiven und bringen alte Platten raus, von denen oft nur 1000 Stück gepresst wurden“, so Beverungen. Die Kooperation trägt bereits Früchte: Beverungen ließ Dub-Künstler der Gegenwart Klassiker aus dem Blood & Fire-Bestand remixen. Das Ergebnis erschien auf dem Echo Beach-Sublabel Select Cuts, (lin) REVEREND ECHO FEAT. MARTHA JOHNSON

Echo Beach (Mombak Mix) 4:54 Echos D n B Remix des kana- dischen New Wave-Klassikers

Mit einer Hommage an das Label startet die ME-CD: Reverend Echo erhielt von Beverungen den Auftrag, den Wave-Klassiker „Echo Beach“ von Martha & The Muffins zeitgemäß umzusetzen. Das Original erschien auf dem Debüt der kanadischen 8oies-Band, für die Drum’n’Bass-Version des Reverend sang Martha Johnson neue Vocals über Satellit ein. Das komplette Album „Experience In Echoism Pt. 3-8“ vom Reverend folgt.

SEVEN DUB Melo2:iB Pariser Elektroniker und Ses- sion-Musiker auf Dubwegen

Die in Paris beheimateten Mitglieder von Seven Dub verbinden elegant traditionellen Roots-Rhythm mit zeitgenössischer Elektronik, ihre Dienste wurden bereits von den l_3st Poets und Manu Dibango beansprucht. Echo Beach veröffentlichte erstmals in Deutschland das komplette Debüt mit sämtlichen Remixen, ein modernes Dub-Werk mit warmen und präzisen Arrangements.

WATERSHELL Deep Field View (Hubble Dub) 5:09 Kanadischer House- und Dubmusiker sampled Formel 1

Watershell ist der 30-jährige DJ und Musiker James Irwin aus Toronto, der seit 1994 EPs und Sampler-Tracks veröffentlicht. Irwin ist von HipHop,Techno und Dub beeinflusst. Seine MixKünste erinnern bisweilen an die Dub-Legende KingTubby, Watershells „Deep Field View“ mit Formel 1- und Churchill-Samples ist ein Brückenschlag zur“Logical Dubgression“.

CIDADE NEGRA FEAT. LADY PATRA Realidade Virtual (Aswad Rmx)4:24 Brasiliens Superstars in ge- dubbten Remix-Versionen

Das Quartett veröffentlichte mit „Dubs“ das erste Dub-Album in Brasilien. In ihrer Heimat sind sie die wichtigste Reggae-Band, über einen Zeitraum von 13 Jahren entstanden fünf Alben mit zahlreichen Hits. Für die vorliegende LP jagten namhafte Künstler wie Lee „Scratch“ Perry oder Aswad die Erfolge von Cidade Negra durchs Echolot. Für“Realidade Virtual“ toastete Jamaikas Dancehall-Queen Lady Patra zusätzliche Vocals.

TACKHEAD Strange Things 3.33 1990er Comeback der einsti- gen Sugar Hill- Hausband

Seit den Anfängen des HipHop ist diese Combo aktiv: Skip McDonald.DougWimbish und Keith LeBlanc waren Hausband des Sugar Hill-Labels und spielten auf Hits wie „The Message“ von Grandmaster Flash. Für Aufnahmen mit dem On-U Sound-Dub-Produzenten Adrian Sherwood siedelten sie nach England über und engagierten 1990 auf Mick Jaggers Anraten den Stones Background-Sänger Bernard Fowlerfürihrfinales Album. Auf der ME-CD gibt’s die Dub-Version des John Holt Reggae-Klassikers „Strange Things“. LeBlanc programmiert heute fürTina Turner, Wimbish zupft für Puff Daddy, Sherwood und McDonald produzierten Sinead O’Connor.

KALY Batukadub 6:12 Französische Newcomer, waren bereits Support von Lee Perry

1995 tauchten Kaly aus Lyon in der Dub-Szene auf und erregten sofort die Aufmerksamkeit der Altmeister: Lee „Scratch“ Perry und The Wailers holten Kaly als Support-Act, die junge Truppe hat hervorragende Live-Oualitäten. Echo Beach nahm die Franzosen mit dem brasilianisch angehauchten „high voltage dub ambience“ Sound für“French Dub Connection Vol.2″ unter Vertrag.

BLACK STAR LINER Harmon Looproot (Kid LoopRmx) 6:12 Asiatische Clubster aus Leeds mit orientalischen Dubsounds Neben Cornershop und der Asian Dub Foundation gehören Black Star Liner zu den wichtigsten anglo-asiatischen Bands der Gegenwart. 1994 trat die Truppe auf den Plan, seither cruisen sie in einem leoparden-gefleckten Mercedes durch Leeds und veröffentlichen Sounds zwischen Dub, Drum’n’Bass und Bollywood. Feargal Sharkey war es übrigens, der FJSL für sein EXP-Label entdeckte. Echo Beach präsentiert die wichtigen Tracks und Raritäten der Asiaten.

KING TUBBY Bag A Wire Dub (Avatars Of Dub Rmx) 8:44 Moderner Remix und die peitschende Originalversion vom königlichen Erfinder des Dub Die Wiege des Dub war das Vierspur-Mischpult von King Tubby.Tubby (geboren als Osborne Ruddock) reparierte in den 5oern auf Jamaika Radios und DJ Soundsysteme, bis er mehr und mehr Jobs als Produzent bekam. Experimentierfreudig remixte er Reggae-Songs, indem er die Gesangs-Spur ausblendete und die Instrumental-Tracks mit Hall versah.“KingTubbys Einfluss auf die elektronische Musik ist enorm“, meinen auch Avatars Of Dub, die Bag A Wire für die Compilation „Select Cuts From Blood &i Fire“ remixten. Im Anschluss folgt das effektreiche KingTubby-Original.

HORACE ANDY Do You Love My Music 4:00 Trotz Jobs bei Massive Attack kaum bekannter Jamaikaner 1951 erblickte Horace Hinds das Licht von Kingston. In den 7oern war er ein gefragter freiberuflicher Vokalist, die besten Produzenten der Insel nutzten sein Talent für ihre Aufnahmen. Er hat eine der eigenwilligsten Stimmen, er begleitete Massive Attack bei Live-Sets, doch Horace ist nur fanatischen Reggae-Fans ein Begriff.“Niemand muss mich fragen, ob ich ein Rasta bin‘, sagt er „Denn man hört es in all meinen Songs.“

I-ROY Sufferer’s Psalm 305 Ausnahme- „Toaster, der U-Roy das Wasser reichen kann „Toasting“ als Vorform des HipHop entstand auf Jamaika: DJs begannen Ende der 60er, Instrumental-Mixe von Hits neu zu betexten. Als „Erfinder“ gilt U-Roy, doch I-Roy hatte vergleichbares Potential. Als Teenager erreichte der DJ nationalen Bekanntheitsgrad. Erst nach 28 Lebensjahren und auf Anraten von U-Roy ging er ins Studio, um eigene Cuts aufzunehmen, für die man bis heute viel Geld bezahlen muss.

INNER CIRCLE & FATMAN RIDDIM SECTION Killer Dub 3:14 „A-La-La-La La-Long“-BadBoys mit kommerziell desaströsem aber interessantem Material Die Welt kennt Inner Circle als Hitparaden-Clowns,dabei ist die Gang um die Brüder lan und Roger Lewis eine jamaikanische Reggae-Institution seit 1969. Was als Hotel-Band begann, wurde in den 7oern besonders in den USA zu einem Markenzeichen für verdaulichen „Reggae-Light . 1978 nahm man in King Tubbys Studio anspruchsvolle Dub-Cuts auf, die Blood & Fire nun erstmals in höherer Auflage veröffentlicht.Trotz Top-10-Ruhm verkaufte Inner Circle davon in Deutschland nur 800 Stück.

LINVAL THOMPSON Everybody Needs Money (extendea version) 5:38 Top-Produzent und Urvater des jamaikanischen Dancehall Erste Cuts nahm Thompson als Teenager in New York auf, bevorer in Jamaika gefragter Sänger in den Studios von Tubbyund Perry war. Ab Mitte der 70er produzierte er selbst und legte mit seiner Arbeit den Grundstein für den „Dancehall“ der 80er. Heute veröffentlicht er den eigenen Backkatalog und macht in Immobilien.

THECHANTELLS & U BROWN ChildrenOfJah/ Time ToUnite 6:41 Roots-Aufnahme aus dem legendären Channel One-Studio 1977 startete Roy Francis das Label Phase One und landete mehrere Reggae-Hits mit den Chantells. Blood & Fire veröffentlicht mit „Children Of Jah“ das Roots-Material der Chantells, d ie f ü r den Titelsong m it dem späteren Star-DJ U Brown (Foto) kooperierten. Die Rhythmen spielte die Channel One-StudiobandThe Revolutionäres mit Sly Dunbar ein.

CONCOS Solid Foundation 5:56 Outtake aus einem der bedeutendsten Dub-Reggae-Alben 1977 veröffentlichten die Congos mit „The Heart Of The Congos“ eine LP, die der Reggae-Historiker und Blood & Fire Labelmitarbeiter Steve Barrow in eine Reihe mit Marleys „Natty Dread“ und Burning Spears „Marcus Carvey‘ stellt. Die LP zählt zu den perfektesten Produktionen, die Lee „Scratch“ Perrys Black Ark-Studio verließen, selten war der Betreiber in seinem Schaffen so visionär. Das Master galt lange als verloren, bis Blood & Fire 1996 eine digital überarbeitete Version präsentierte.

AUGUSTUS PABLO & VIVIAN JACKSON Pablo Dread In A Red 3:06 Dub-Legende Pablo in rarer Aufnahme mit Yabby You Am 18. März 1999 starb mit Pablo (Foto links) einer der innovativsten Geister des Genres. Während KingTubby sein Geschick als Produzent und Remixer beisteuerte, hatte Pablo die Visionen als Musiker.die zur Erfindung des Dubführten. Vivian Jackson (alias Yabby You, rechts) wurde im Ghetto in Kingston geboren und starb mit 17 fast an Unterernährung. Trotz bleibender körperlicher Schäden bewegte er sich lange in King Tubbys Umfeld und veröffentlichte spirituell geprägte Dub-Scheiben.