Bob Dylan :: Chronicles

Erster Teil der Erinnerungen des Jahrhundertnölers.

Ich gestehe (und schäme mich): Ich habe zu Bob Dylan nie Zugang gefunden. Seine Songs verfolgen mich, seit ich ein kleiner Bub war, ich habe ihn mir live angeschaut, mehrmals, seine Platten und Texte studiert, ich weiß um seine Bedeutung und Wirkung … aber, ehrlich, ich kann mit all dem nur theoretisch etwas anfangen, praktisch geht es an mir vorbei wie (und jetzt ducke ich mich kurz unter den Tisch) James Last und Bill Haley. Aber nachdem die Taschenbuchausgabe der ersten Lieferungseiner Memoiren nun seit drei Tagen im Krankenlager neben mir Hegt und „Versuch’s!“ flüstert, lasse ich mich vom influenzabedingten Leschunger überwältigen. Und stelle fest: Das liest sich alles recht flott, diese (um böswillig den Klappentext zu zitieren) Erinnerungen „einem charmanten und seltsamen Jungen“ (sic!), der in den 60ern in New York rumhängt und was werden will, wovon er selber nicht genau weiß, was es ist, in Kaschemmen und anderswo Songs spielt, die ihm vor allem aus unergründlicher Liebe zur US-Historie auf der Seele brennen, auch mal in spätere und frühere Zeiten springt und sich große Mühe gibt, cool zu wirken (was er vielleicht auch ist, da mag die Übersetzung notwendigerweise einiges schlucken, über die Tatsache hinaus, dass ein anständiger Lektor jedes „als sei“ in diesem Buch durch ein „als wäre“ ersetzt hätte usw.). Von der Historie hat er einige Ahnung, was er hier und da auch zeigt, aber – eben – cool, ohne allzu viele Details, und sein Gedächtnis ist – falls die zitierten Dialoge und Anekdoten wirklich authentisch sind – phänomenal. Und trotzdem berührt mich auch dieses Buch nicht wirklich; es rauscht vorbei, seltsam leidenschaftslos, nicht nur wegen der aufgesetzten Lakonie und Dylans Neigung zum Aufzählen von Namen, die ein Großteil der lebenden Weltbevölkerung noch nie gehört hat. Aus vielen Szenen schreien Witz, Situationskomik. Bezüge regelrecht heraus, aber der Autor lässt ihr Schreien ungehört verhallen, erzählt einfach weiter, so wie er singt, und so geht die Sache dahin, bis sie halt aus ist, vorläufig, und irgendwann weitergeht. Ich weiß auch nicht: Liegt’s an mir? Muss wohl so sein, drum lasse ich wertend Vorsicht walten, ausnahmsweise.

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