Chronicle – Wozu bist du fähig? :: Regie: Joshua Trank

Dreizehn Jahre nach „Blair Witch“: Das Reality-Kino tritt in seine nächste Phase ein.

Realität und Kino stehen miteinander auf Kriegsfuß. Die Idee der Inszenierung schließt aus, dass das, was man auf der Leinwand sieht, echt ist. Schnitt, Beleuchtung, Kameraposition sind stets geprägt von dem Bedürfnis, eine Haltung einzunehmen. Kino kann wahrhaftig sein, das wahre Leben zeigt es nicht. Das ist inzwischen ein Problem für Hollywood, das verzweifelt dagegen ankämpft, das jugendliche Publikum zu verlieren. „Found-footage-movies“ oder „handheld cinema“ sind nun die Antworten auf das Erfolgskonzept Reality-TV. Die Kinobranche setzt damit auf Reality-Kino, oder besser gesagt: Kino, das Realität suggeriert, weil es von nachvollziehbaren Quellen wie Videocams, Smartphones oder Überwachungskameras aufgezeichnet wurde. Im Jahr 13 nach „Blair Witch Project“, der das Subgenre begründete, stellt „Chronicle – Wozu bist du fähig?“ jetzt die vielleicht entscheidende Zäsur dar: Das Regiedebüt des 26-jährigen Joshua Trank ist das erste Beispiel des Reality-Kino, das nicht auf den Novelty-Effekt setzt, sondern seine ureigenen Mittel nutzt, um einen verdammt guten Film zu machen. Drei Freunde stehen im Mittelpunkt: Andrew, ein Einzelgänger, zeichnet jede Tätigkeit von sich und seinem Cousin auf Videokamera auf – Facebook mit Play-Button. Mit ihrem neuen Kumpel Steve planen sie den Abstieg in ein enges Erdloch. Dort entdecken sie, dass sie Superkräfte besitzen, die man trainieren kann wie Muskeln. Entspannt und witzig sind die ersten Momente, wenn die Jungs all das machen, was jedermann machen würde, wenn er Superkräfte besäße: Röcke werden gelüpft, Streiche gespielt. Doch dann kippt die Stimmung: Was als „Jackass“ beginnt, mündet in einen fabelhaft gemachten Thriller, wenn Andrews neue Fähigkeiten auf sein Gewaltpotenzial treffen. „Chronicle“ lotet scheinbar mühelos die Tonalitäten von Teenagerkomödie, Superhero-Story und Porträt einer gequälten Seele aus.