David Leaf und John Scheinfeld :: Akte USA vs. John Lennon

Ein Popstar im Visier des FBI

Ging es nicht eine Nummer kleiner? Nein, ging es nicht. Die US-Behörden, wegen Rassenunruhen, Vietnam-Desaster und frecher Bürgerrechtsaktivisten noch paranoider als sonst, zogen in den frühen Siebzigern alle Register: John Lennon, 1971 mit Gattin Yoko Ono nach New York verzogen, galt den Mächtigen im lande tatsächlich als potenzieller Umstürzler und Staatsfeind. Man könnte meinen, Präsident Nixon hätte andere Probleme gehabt, doch er, FBI-Chef Hoover, Watergate-Konspirateur Gordon Liddy und der erzkonservative Senator Strom Thurmond ließen nichts unversucht, Lennon zu bespitzeln, bloßzustellen und seine Einbürgerung zu verhindern.

Knapp 300 Seiten FBI-Akten sprechen eine deutliche Sprache. Dass der Idealist Lennon, Exponent der misstrauisch beäugten „linken“ Rock-Kultur, in seiner politischen Schlagkraft dramatisch überschätzt wurde, steht außer Frage, ebenso, dass die geplante Abschiebung seinen Mythos nährte. Viel Feind, viel Ehr.

Lennon und Ono reagierten damals mit gewohnt verschrobener Symbolik und riefen den Staat „Nutopia“ aus – ohne Grenzen, ohne Papiere und mit einer Nationalhymne, die aus drei Sekunden Stille bestand. Die dazugehörige Pressekonferenz kann man auf Akte vs. John Lennon bewundern, einer Dokumentation, mit der John Scheinfeld und David Leaf ein Kapitel jüngerer Zeitgeschichte öffnen, in dem Rockmusik noch als subversive Kraft galt und das Polit-Establishment weit davon entfernt war, mittels AC/DC-T-Shirt den Rocker zu simulieren.

Scheinfeld und Leaf arbeiten akkurat, messen Lennons politischem Potenzial aber ein wenig zu viel Bedeutung bei – womit sie sich unfreiwillig den paranoiden Anklägern von einst annähern. Als pazifistische Symbolfigur spielte Lennon gewiss eine tragende Rolle, mehr aber auch nicht. Zwar kannte er einige der radikaleren Kräfte persönlich, doch er blieb, was er immer schon war: Künstler, Freigeist, Utopist, der Anti-Bombenleger schlechthin.

Ironie der Geschichte: Nicht Lennon musste gehen, sondern Tricky Dick Nixon, der über die Watergate-Affäre stolperte. Und da Nachfolger Gerald Ford mit größerer Weisheit gesegnet war, erhielt der einst „unerwünschte Ausländer“ doch noch seine Green Card.