Die Fantastischen Vier :: Platte des Monats: 4:99

Sie waren gefordert. Sie haben nicht gekniffen. Sie standen noch, als sich die Pulverdampf-Schwaden gefährlich langsam verflüchtigten. Business as usual im Ländle der Fantastischen Vier? Nicht ganz. Mit VIER GEWINNT mußten sich die Stuttgarter 1992 gegen die Zweifler durchsetzen, die in dieser Musik kein Hit-Potential sahen; mit DIE VIERTE DIMENSION (1993) gegen die Schreier, die ihnen Verrat an einer damals nur marginal existierenden Szene vorwarfen; mit LAUSCHGIFT (1995) gegen die Lästerer, die sie als Eintagsfliege abtaten. Und nun? Jetzt gilt es nicht mehr, negative Erwartungen zu enttäuschen, jetzt geht es darum, positive Erwartungen zu erfüllen. Vier Jahre ist das letzte Studioalbum der Fantastischen Vier alt. Und in eben jenen vier Jahren wurden die deutschen Turntables von 33 auf 78 rpm geschaltet. Schlag’nach im HipHop-Lexikon unter, sagen wir, „F“ wie „Fantastische Vier“ – Fettes Brot, Fischmob, Freundeskreis, Fünf Sterne Deluxe. Besitzt das Wort der Stuttgarter angesichts der Konkurrenz heute überhaupt noch die Geltung wie vor vier Jahren? Oder müssen sie ihre Villa im HipHop räumen? Von wegen: „Dieses Haus ist besetzt ohne Pause bis jetzt / denn wir kamen zuerst, und wir gehen auch zuletzt“. DIE VIERTE DIMENSION ist SGT. PEPPER, LAUSCHGIFT das „Weiße Album“ und 4:99 ist ABBEY ROAD – ohne allerdings den traurigen Beigeschmack von letzterem. Aus Bandmitgliedern wurden Charaktere, aus der Forderung nach Weiterentwicklung die Suche nach dem Großen im Einfachen. 4:99 sucht den Weg nach vorne durch die Hintertür, den Weg nach oben durch die Kellertür. „Human Beatbox“ (im Opener), Electro (bei „Michi Beck In Hell“), Benztown-Funk und Southwestern Soul (in „Le Smou“), rohe Percussion-Grooves (bei „Die Stadt die es nicht gibt“) heißen die Stationen. Der Sound des Albums bemüht sich um Zurückhaltung, ein gezielter Effekt sagt mehr als hundert Spielereien. Ein kurzes Gebell in Richtung Konkurrenz („Jeder falsche Prophet im Land macht sich stark“) und die Reise beginnt mit dem letzten Klassiker dieses Jahrtausends: der Single „MfG“. Aus sprachakrobatischem HipHop-Urgestein zu prächtigem Pop in vier Meißelschlägen. Hallo Amerika, das können nur die Stuttgarter. Und es geht packend werter: „Hammer“ bes(w)ingt die romantische Liebe so groß wie von hier bis Sonnenuntergang – und ist „high dabei“ mit sanften Sitarklängen. „Michi Beck In Hell“ präsentiert sich als poetische Großtat, von der soziodramatischen Ich-Erzählung zum MC-Posing im Fantasieland, Schmalz-Schluß inklusive. „Weiter als du denkst“ versinkt brennend in opulenten, psychedelisch flackernden Sounds. „Hoffung“ startet mit wattierten Beats und Streicherklängen und schildert treffend die Tage, in denen der „Blues“ sich nicht vertreiben läßt. Zumindest musikalisch werden Smudo, Thomas D, Michi „Hausmarke“ Beck und And.Ypsilon solche Tage so schnell nicht erleben. Sie präsentieren sich auf 4:99 als HipHop-Hausmacht, der textlich und musikalisch kaum ein anderer deutscher Art gewachsen ist.