Mercury Rev
DER GRAUE VORHANG WIRD VON HAND BEISEITE GEZOGEN, UND SCHON IST alles so, wie es sein soll. Mercury Rev sind da, und sie sehen genauso aus wie beim letzten Mal. Sänger Jonathan Donahue hat um die Augen wieder dezent Glitter aufgelegt, Gitarrist Grasshopper trägt eine blickdichte Sonnenbrille, und auch der Keyboarder links außen versteckt sich hinter Augengläsern, Modell „Chefpilot“. Erwartungshaltungen sind eben dazu da, erfüllt zu werden. „It’s great to see you“, behauptet Jonathan Donahue und sieht dabei gleichermaßen verhuscht, beseelt und ein bißchen bedröhnt aus. Aber: Der Mann meint das ehrlich. Schließlich ist er erst seit kurzem Popstar, und wer diesen Status nach über zehn Berufsjahren endlich erreicht hat, verbreitet keine Lügen. Schon gar nicht vor Publikum und im Schein von einem Dutzend schwer romantischer Kerzen. Grasshopper rückt die Brille zurecht, und dann öffnet sich die wundersame Welt, die sich Mercury Rev auf ihrem grandiosen Album „Deserter’s Songs“ erspielt haben. „Goddess On A Hiway“ ist der erste Song, und wenn der auf Platte schon im Breitwand-Format gepreßt war, so kommt er live noch ein paar Nummern größer. Das hier ist Cinemascope, großes Kino, schwelgerische Melodien, jeder Song eine Hymne. Nach „Goddess On A Hiway“ heißen die Hymnen unter anderem „Endlessly“ – diesmal in einer etwas beschwingteren Version, in der die singende Säge schneller sägen muß – und „Funny Bird“. Dazu macht das Pedal heftig „wah-wah“, und die beiden Keyboarder lassen ihre Instrumente so schön schwummrig schwurbeln, daß es einem ganz psychedelisch wird. Danach ist wieder die große Ehrlichkeit dran: „Thanks everybody“, sagt Donahue ungefähr zum zwölften Mal, und dann ist Showtime für Grasshopper. Die Cover-Version von Nick Caves „Into My Arms“ reicht zwar nicht ans Original ran, aber immerhin hat der Mann hübsch in die Mundharmonika geblasen. Gleich darauf wird bei „Syrenge Mouth“ richtig gerockt, so daß sich mit Fug und Recht behaupten läßt: Headbangen macht mit langen Haaren doch mehr Spaß. Spaß machen schließlich auch noch die beiden Coverversionen, die die Band später vom Stapel läßt. Bei „Isolation“ markiert Donahue derart inbrünstig den John Lennon, als würde der Nickelbrillenträger leibhaftig für uns singen – und im Anschluß schenken uns Mercury Rev noch Neil Young. „Cortez The Killer“, ohnehin schon ein Kleinod in Sachen epischer Breite, wird nochmal gedehnt und so auf Länge gegniedelt, bis man mit den Gitarrensaiten locker den Kölner Dom einwickeln könnte. Wem da nicht Tränen in den Augen standen, der ist definitiv ein grober Klotz. Und dann: Schluß, Aus, Ende. Wir sind berauscht. Enthusiasmiert. Einfach rundrum froh. Der doofe Alltag kann kommen. Von uns aus gleich morgen. Denn wir haben ja Mercury Rev. Und Mercury Rev machen glücklich.
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