
Früher, da waren die Lippen noch blutrot, das Gras stand hoch, der Sommer dauerte ewig, die Liebe war frisch und die Nacht, die war noch jung. Der Titel des neuen Album von Voodoo Jürgens, WIE DIE NOCHT NOCH JUNG WOR, ist eine Zeile aus „Federkleid“, dem traurigsten und doch denkbar frohgemuten, auf jeden Fall wundervollsten Lied über das Altwerden und das Sterben, das man da draußen seit langer Zeit gehört hat. Zu einem angedeuteten Tango erzählt der Wiener Liedermacher, der als David Öllerer geboren wurde, die Geschichte einer Liebe, die gerade weil sie ewig ist, im Lebensende ihren Schluss finden muss.
🛒 WIE DIE NOCHT NOCH JUNG WOR bei Amazon.de kaufenJa, es geht um die ganz großen Gefühle, die auch Niederschlag im Klangbild finden, das von Jahrmarkt bis Jazzclub reicht, aber sehr gut weiß, wie man Soul buchstabiert. So wird Voodoo Jürgens mit seinem dritten Album nun auch durchaus seinem Landsmann und Namensgeber Udo J. gerecht, wenn er in Songs wie „Weida is gscheida“ den Sound hochzieht, die Arrangements ein gutes Stück dicker werden lässt, ja sogar ein bisserl den Glamour entdeckt.
Aber dann gibt es wieder einen Talking Blues wie „Lassalle Strossn“, in dem Geschichten aus der Wohnungsnot erzählt werden, während eine gestopfte Trompete melancholisch klagt. Da hat sich dann doch nicht viel verändert, die Schwermut ist immer noch das alles beherrschende Gefühl, die Verlierer und Ausgestoßenen, die auf der dunklen Seite, sind die Protagonisten. Bei dem einen reicht das Arbeitslosengeld gerade so, und die anderen wissen nicht mehr, warum sie überhaupt noch zusammen sind. Einer klagt, „bitte verlass mich nicht“, jemand weiß nicht wohin. Aber keine Angst: Erlösung finden alle, spätestens dann halt im Tod.
ÄHNLICHE KRITIKEN
Kimbra :: A Reckoning
Zwischen Verletzlichkeit und Wändewackeln liegt womöglich die Zukunft des Soul.
Sam Smith :: Gloria
Der non-binäre Pop-Star hält sowohl Genre- als auch Gendergrenzen fluide.
SG Lewis :: AudioLust & HigherLove
Das Disco-Wunderkind klopft den schlimmsten Staub aus dem weißen Polyestersakko.
ÄHNLICHE ARTIKEL
Über ein Interview mit Panik Panzer & einen Shitstorm gegen Die Toten Hosen und „Rock am Ring“: Volkmanns Popwoche im Überblick
Das Thema Panzer bestimmt aktuell die News. Leider dreht sich dabei alles um Waffenlieferungen an die Ukraine – keine Rede dagegen von dem Rap-CEO der Antilopen Gang. Höchste Zeit daher, die Perspektive zu wechseln: Linus Volkmann spricht in seiner neuen Kolumne mit Panik Panzer anlässlich dessen ersten Buchs. Dazu noch ein Shitstorm gegen die Toten Hosen – und der neue Track von Mariybu.
Aktuelles über Ikonen: Paulas Popwoche im Überblick
Mit: Miley Cyrus, Shakira, Lana Del Rey, Whitney Houston, Rebecca Black, Jennifer Coolidge und ohne: Celine Dion.
Bodyshaming, Ricarda Lang und der (gar nicht so feine) Unterschied zwischen Kritik und toxischer Vollscheiße
Toxische Trolle und Bodyshaming: Unser Autor Linus Volkmann traute seinen Augen nicht, was auf Twitter aus einem Musik-Interview mit der Grünen-Politikerin Ricarda Lang erwuchs. Die Popkolumne am Rande des Nervenzusammenbruchs – und nicht ohne Gutmenschen-Bekenntnis (und ein paar Tape-Empfehlungen).