Rock-Spezialitäten


Der große Boom der unabhängigen Labels schien noch vor kurzem erstmal vorbei zu sein, doch sieht es bereits jetzt so aus, als könne sich die alternative Musik-Szene 1983 konsolidieren. -Seit das Londoner Rongh Trade-Label mit erweitertem Programm aufwartet und auch in Deutschland eine gut organisierte Vertriebs-Adresse besitzt, lohnt es durchaus mal wieder, die dort erhältichen Importplatten näher in Augenschein zu nehmen.

Hilfreich ist dabei zunächst einmal der von Rough Trade Deutschland (RTD) herausgegebene, neue Rough Trade-Sampler, der alle wichtigen Acts des Labels mit je einem markantem Song vorstellt. Das reicht von Aztec Cameras „Pülar to Post“ über Weekend, Robert Wyatt, Go-Betweens, Panther Bums, Cabaret Voltaire bis zu den Virgin Prunes, die in diesen Tagen die hiesigen Bühnen heimsuchen.

Größte Hoffnungen setzt das junge Label in das schottische Duo Aztec Camera (siehe „Neue Gesichter“), von denen RTD auch die neue Maxi vorrätig hat. „Oblivious“ stammt von der LP, doch lohnt die B-Seite u.a. mit dem ganz hervorragenden „Qrchid Girl“ in jedem Falle die Anschaffung.

In England besorgt Rough Trade den Vertrieb so gut wie aller wichtigen Underground-Platten, wovon viele nun über RTD auch in Deutschland erhältlich sind:

The Langhing Clowns – die neue australische Kultband um den Ex-Saints-Gitarristen Ed Kuepper mit einer Zusammenstellung ihrer besten Songs aus drei nur in Australien erschienen LPs. Da finden sich Anleihen aus Psychedelia der Siebziger, jazzigen (nicht straffen) Blaser-Einlagen und New-Wave-NachdenkMchkeit.

The Happy Familiy THE MAN ON YOUR STREET – das Debütalbum einer typisch englischen Band um die Ex-Josef K.-Rhythmusleute Ronnie Torrence und David Weddell sowie dem Sanger und Songschreiber Nicholas Curne, der seine umfangreichen, erzählerischen Texte mit englischer Unterkühlheit vor melodiös-fließenden Gitarren-Rhythmen ausbreitet. Eine Platte, deren Charme sich erst nach kurzem Einteren eröffnet. THE MAN ON YOUR STREET steckt darüber hinaus noch in einem tollen Cover.

Jah Wobble – Sein BEDROOM ALBUM hat nichts mit der Musik zu tun, die er mit den „Invaders Of The Heart“ auf deutschen Bühnen spielte. Hier wirkt er meist allein und liefert ein Beispiel für moderne Hausmusik, die zwischen „sehr gelungen“ und „total daneben“ schwankt. Mit dabei: Wobbles Freund, der Gitarrist Animal, dem ich allerdings nicht allzuviel Talent zusprechen würde. Doch bleibt Jahs Stimme eine der angenehmsten und macht die Platte insgesamt – wie das Cover schon vorausschickt -„perfect toi wght time playing“.

Swamp Children: SO HOT – eine Factory-Band um den A Certain Ratio-Gitamsten Martin Moscrop, der hier als Schlagzeuger auftritt. Ätherische, jazzige Klänge mit leicht südamerikanischem Einschlag, die beispielsweise auch auf das Montreux Jazz-Festival passen würden. Durch und durch wohlklingend, mit zurückhaltend-engelsgleicher Stimme der Sängerin Ann Quigley vor leichtem, luftigen Traum-Rhythmus. Weekend-Nähe, aber kräftiger.

Lemon Kittens THE BIG DENTIST. Kantige, experimentelle Musik mit bedeutsamen Texten von Karl Blake und Danielle Dax, einem Duo aus England, das sich einer ganzen Latte von Instrumenten bedient und bereits mit dem Debüt WE BUY A HAMMER FOR DADDY gute Kritiken eingeheimst harte.

„Wer Psychic-TV mag, der sollte auch mit dieser ähnlich ausdrucksvollen Musik keine Schwierigkeiten haben. Eine Platte zum Zuhören, die aber das Konzentrationsvermögen nicht überstrapaziert.

Mecano: AUTOPORTAIT-Die ersten beiden Mecano-EPs „Untifled“ und „Subtitled“ (zusammen als LP ENT1TLED) können nicht genüg gelobt werden, wurden in SOUNDS auch früher schon öfters erwähnt.

Auf der neuen LP schlägt sich nun der personelle Aderlaß (die für den Mecano-Sound wichtigen Peter Kooyman [g] und Ton Lebbink [dr] sind nicht mehr dabei) doch ziemlich nieder: Es fehlt ein wenig der Drive, impressionistische Klänge dominieren, Sänger Dirk Polak hält sich zurück, bringt aber wiederum einen guten Akkordeon-Part und reichlich russische Dissidenten-Mythologie einen Song intoniert er gar in russischer Sprache!

Zum Schluß ein paar Maxis/EPs von RTD: Stellvertretend für das Disco-Programm (Falkes Liebling: „Last Night The DJ Saved My Life“) wäre die „Konk Party EP“ zu erwähnen, auf der es recht entspannt vor sich hin funkt. Zwischen all dem Hi-Speed-Rap eine ebenso tanzbare Erholung. Boß der Gruppe Konk ist übrigens der zwischenzeitliche Lounge Lizard Dana Vlcek.

Wunderbare Tanzmusik gibt es auch von New Order, und zwar alle guten Single-Nummern vom letzten Jahr auf einer Mini-LP, die aus den USA importiert wird. „Temptarion“, „Hurt“, „Everything’s Gone Green“, „Procession“ und „Mesh“ machen einem im Hinblick auf die neue LP den Mund doppelt wassrig.

Kai Falke