Rod und der Smog


Vor Jahren schrieb mal ein kluger Kopf, daß Stars die im Showbusiness vornehmlich mit dem Vornamen angesprochen würden, kameradschaftliche, nette und keineswegs bornierte oder bierernste Typen wären. John, Paul, George und Ringo zum Beispiel. Darunter fiel damals auch Rod Stewart, dessen namen man nur als "Rod The Mod" in den Mund nahm. Inzwischen sieht es anders aus' Ehrfurchsvoll spricht man von Mr. Rod Stewart. Die jugendlichen Streiche mit den Faces gehören der vergangenheit an und ebenso der Stolz, den die Engänder ihrem katzigen Wunderknaben entgegenbrachten. Er ist eine Persönlichkeit geworden, ein anspruchsvoller Entertainer und ein Rockstar der ersten Garnitur.

Aber sein geschäftliches „Erwachsensein“ begann nicht etwa mit „Atlantic Crossing“ seinem hervorragenden vorletzten Album oder mit dem Start seiner Solokarriere etwa um die gleiche Zeit. Er besitzt bereits seit Jahren den Ruf, einer der ausdrucksstärksten Rock-Lyriker zu sein und gilt vielen als begabtester Interpret von fremden Material, wie z.B. dem Dylans, Carole Kings oder Sam Cookers. Diese Bürde mußte mit der Zeit zwangsläufig dazu führen, daß man ihn ernster nahm und auch er sich selber ernster nahm. Das tut er denn heute auch mit wachsender Begeisterung und Erfolg.

Das neue Album

Gerade eben ist sein neues Album erschienen, dem er den Titel „A Night On The Town“ gab und der vermutlich auf Los Angeles gemünzt ist, wo er sich in den letzten Monaten meist aufhielt. Dort entstand der größte Teil der brandneuen 5tücke, und dort hat sich Stewart mit seiner Freundin Britt Ekland eingenistet. L. A., wie Los Angeles kurz genannt wird, ist mit New York wahrscheinlich die geschäftstüchtigste, unternehmungslustige und flimmerndste Metropole der amerikanischen Rock-Szenerie. Schlauberger und gewitzte Geschäftsleute, die vorhaben, drüben etwas ernstzunehmendes vom Stapel zu lassen, werden sich immer in einer dieser beiden Rock-Hochburgen niederlassen. Und Stewart ist bestimmt nicht auf den Kopf gefallen.

Englischer Stil

Wie auf jeder seiner vorangegangen Solo-LPs enthält auch die neue Produktion etwa zur Hälfte Songs anderer Interpreten. Dabei fällt auf, daß Rod sich diesmal mehr oder weniger an englischem „Liedgut“ vergriffen hat, während er sonst stets amerikanische vorzog. „The First Cut Is The Deepest“ stammt von Cat Stevens. „Treadwinds“ von Maggie bell. 2Pretty Flamingo“ war ein Big-Hit für Manfred Mann und von seinem alten Kumpel Ron Wood kommt das herrliche „Big Bayou“. Nur eine einzige Nummer kommt aus den Staaten: Bill Haley’s „Wild Side Of Life“. (Rods Dylan-Interpretations-Zyklus scheint ohnehin seit der vorletzten Platte auf Eis gelegt worden zu sein.)

Das traute Paar

Der Meister himself bemühte sich immerhin, fünf Titel sebst zu komponieren, darunter die Single Auskopplung „Tonight’s The Night“, auf der auch Miss Ekland ihre Stimmbänder strapazieren darf. (Noch dazu in französischen, na sowas!)

Die Dame scheint es ihm ja gehörig angetan zu haben – jetzt läßt er sie bereits mit „singen“. Aber keine Angst, all ihr weiblichen Stewart-Fans. Erst neulich wurde Rod auf einer L.A.-Presseparty gesichtet, wo er im feuchtfröhlichen treiben seine liebe Britt stehenließ und sich den ganzen Abend mit der süßen Schauspielerin Susan George vergnügte. Woraufhin sich Miss Ekland bis über beide Ohren schmollend zurückzog.

Peng! „Fool For You“ dürfte allerdings noch einiges mit der alten Liebe zu tun haben… und außerdem sollen Rod und Britt in Paris angeblich Hochzeitsgarderobe ausgesucht haben.

Rock’n’Roll

Da sich der rauhkehlige Sangesknstler von den Rock’n’Roll-Songs der Produktion „Atlantic Crossing“ nicht sonderlich begeistert zeigte – er sprach nachher davon, daß es völlig nutzlos wäre, mit den Muscle-Shoals-Leuten einen flotten Rocker runterziehen zu wollen – wechselte er, konsequent wie er ist, fast die gesamte besetzung der „Crossing“-LP aus. Joe Walsh, der derzeit überall begehrte Studio- und Eagles-Gitarrist, sorgt jetzt für das Rocken’n’rollen, und die überaus ideenreiche Rhythmusgruppe mit Drummer Andy newmark und Bassist Willie Weeks unterstützt ihn redlich dabei. Die einzig verbliebenden Musiker sind Steve Cropper und Drummer Al Jackson, die beidenlegendären, zuverlässigen Mitglieder von Booker T. und seinen MG’s. Da muß schon ein Erdbeben zuschlagen, um diese Mannschaft am Rock’n’Roll zu hindern. Hoffentlich hat Stewart selbst nicht vergessen, was das heißt – bei seinem edlen Hollywood-Feeling.

Schwierigkeiten

Die neue LP brachte aber nicht nur Millionen von Vorbestellungen, sondern auch Schwierigkeiten ein. Rod, der gewohnt ist, seine Stimme – die einmalige – hinauszuschmettern, bekam plötzlich Probleme ureigenster Art: Kein Ton kam mehr aus ihm heraus! In Los Angeles lag es am Smog, daß diese peinliche Situation eintrat, und nach dem Umzug in die Berge von Colorado und auf die Caribou-Ranch meinte er später nur ironisch: „Dort oben in 9000 Meter Höhe bin ich froh, wenn ich genug Luft zusammenbringe, um beim Gehen keine Atembeschwerden zu kriegen.“ Gottseidank fiel seinem Produzenten Tom Dowd aber rechtzeitig ein Studio in Miami (Florida) ein, wo man derlei Probleme nicht kannte. Im dortigen Criteria-Studio entstand denn auch ein Großteil der LP-Titel, den denen im übrigen noch mindestens fünf in Stewarts Privatarchiv lagern und erst beim nächsten Mal an die Reihe kommen. Jetzt faßte der vom Schicksal so hart getroffene Rod erstmalig wieder neuen Mut, und nach Miami erzählte er jedem, der es hören wollte, daß die neue LP noch weitaus besser werden würde als der Vorgänger. So!

Rod und Ron

Der „Streit“, den einige Journalisten zwischen Rod und seinem langjährigen Freund Ron Wood bemerkt haben wollten, unter anderem beim Auseinanderbrechen der Faces, war, wie man heute weiß, eine reine Publicity-Sucht dieser unverbesserlichen  Klatschtanten. Stewart war mit Sicherheit alles andere als glücklich, als er erfahren mußte, daß Woody künftig als fünfter Rolling Stone die Gitarre schwingen würde, aber er sah auch ein, daß es dabei einzig und allein um Woody’s Entschluß gehen mußte. Nun, nach einigen Monaten des Abstandes, sieht er die Sache mit gemischten Gefühlen. „Ich hoffe nur, daß die Stones Ronnie mehr Gutes tun als davor Mick Taylor. Momentan sitzt Woody in Nassau herum, wird fett und langweilt sich zu Tode – das ist’s, was einem blüht, wenn man ein Rolling Stone wird! Irgendwie tut er mir leid…“ Die Pläne, die zeitweise existierten, eine gemeinsame Rod Stewart/Ron Wood Band aufzuziehen, sind inzwischen endgültig zu den Akten gelegt. Ronnie ist vertraglich an die Stones gebunden, und Stewart wird zwangsläufig nicht so lange warten können, bis sie auslaufen. Das ist 1977 und was dann geschieht…

Die Zukunft

Die Band, mit der Rod im Sommer einige Konzerte in europäischen Fußballstadien absolvieren sollte, steht noch nicht. Und es wird wohl auch noch einige Wochen dauern, bis es soweit ist, denn Rod läßt sich Zeit. Er hat es nicht mehr nötig, etwas zu überstürzen: „Ich werde sicher auf Tour gehen, aber erst, wenn die Gruppe so weit ist und keine Sekunde früher. Selbst wenn es noch zwei Jahre dauern sollte. Dann warte ich eben so lange. Die angekündigten Konzerte hingen sowieso noch völlig in der Luft.“ Rod will endlich die Leute haben, auf die er seit Jahren vergeblich gehofft und gewartet hat, nämlich die besten. Und bis vor ein paar Tagen stand nur ein einziges Mitglied fest: Ex-Faces-Freund und Drummer Kenny Jones. Darüber hinaus munkelt Stewart etwas von einem Musiker aus L.A., einem aus Cincinatti und die restlichen Mitglieder sollen durchweg aus London kommen.

„Es ist mir völlig egal, wie viele Gruppen ich dabei auseinanderreiße. Die Stones wollten Woody, okay, aber ich werde mir jetzt die suchen, die ICH will!“, bemerkt er bissig und offensichtlich doch ein wenig beleidigt, daß Ron Wood die Stones ihm vorgezogen hat. Daß er sämtliche Leute bekommen wird, die er will, darüber besteht nicht der geringste Zweifel. Sein Ruf ist der beste, er ist ein dufter Kumpel (noch) und seine Karriere hat eben erst begonnen. Wünschen wir der englischen Szene, daß nicht allzu viele Bands deswegen ihr Handtuch werfen müssen. Sehr viel mehr Verwirrung und Leerlauf kann sie sich nämlich nicht mehr erlauben.