Ruhrpott-Clowns


Auf der letzten Tour, da haben wir ja nur zweieinhalb Stunden am Abend gespielt – aber jetzt kracht es wieder richtig“, freut sich Lupo auf die 86er Grobschnitt-Tour. Im Klartext heißt das: Unter dreieinhalb Stunden machen sie’s diesmal nicht, die Jungs aus Hagen. Jungs? Na ja, das Haupthaar beginnt sich bei einigen zu lichten, und ihr 15jähriges Bühnenjubiläum haben sie 1985 hinter sich gebracht. Aber heute fühlen sie sich frischer denn je, und wer vor ein paar Jahren noch geglaubt hatte, die „Rockopas“ würden jetzt langsam in Rente gehen, sieht sich getäuscht: Mit grundsoliden Zuschauerzahlen, einer beinharten Fangemeinde, gut gefülltem Terminkalender und Radiodauerbrennern a la „Wie der Wind“ ist falscher Zweckoptimismus sicher nicht der Grund, wenn sie sagen: „Wir sind heute in Höchstform. „

Es sind keineswegs die Fans von gestern, die in die Konzerte kommen, um dem untergegangenen Freak-Paradies ein paar wehmütige Tränen nachzuweinen. Milla Kapolke: „Heute kommen unheimlich viel junge Leute zu uns, die die Rand von früher gar nicht mehr kennen können — und die sind begeistert, weil sowas kaum noch einer auf der Bühne macht. „

Sowas das ist bei Grobschnitt neben der Musik immer die Show gewesen: Opulente Lichtschwelgereien, vom zweiten Leadsänger (!) Toni Moff Mollo per Computerpult auf der Bühne in Szene gesetzt, verrückt-witzige Showeinlagen und Feuerzauber. Vorbei sind die Zeiten, da sie zu rüden Methoden greifen mußten und den Hausmeister kurzerhand im Klo einsperrten, wenn der bei einem kleinen Feuerwerk vor seinem geistigen Auge schon die Halle abbrennen sah.

Inzwischen ist man auf beiden Seiten nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen. „Aber das heißt nichts — eigentlich sind wir noch genauso verrückt wie früher. Das bist du dir als Rockmusiker schuldig — egal, ob mit 18 oder mit 35.“

Nach Jahren haben sie plötzlich wieder Lust bekommen, die „Sahara“ —- alten Grobschnitt-Hasen noch in bester Erinnerung —- wieder aufzumöbeln und neben Stücke zu stellen, die noch gar nicht veröffentlicht sind. Ihre nächste Studio-LP geht die Band nämlich erst nach dieser Tournee an. Wer solange nicht auf neue Töne verzichten will, kann sich mit SONNENTANZ einen Live-Mitschnitt aus dem letzten Jahr zu Gemüte führen.

Und diese Platte ist ein absolutes Kuriosum, eine durch und durch typische Grobschnitt-Aktion: Zum dritten Mal bringen sie ihr ältestes Stück — „Solar Music“ — auf Platte heraus, zum x-ten Male völlig umgebaut —- schlagender Beweis für die Philosophie, aus der die Hagener seit 16 Jahren ihre Energie beziehen: Die eigene Geschichte, die eigenen Traditionen nicht aus den Augen verlieren und dabei offen sein für stetige Entwicklung.

Man kann sich auf die nächste „Solar Music“-Version freuen … 1992 vielleicht?