Grobschnitt


„“Daß die Gruppe bisher von den Medien fast totgeschwiegen wurde, kommt lediglich von der Unfähigkeit, einen Grobschnitt-Auftritt mit Worten oder Kommentaren auch nur annähernd wiederzugeben!“ dozierte Eroc, seines Zeichens Schlagzeuger, Tontechniker und Chefroadie des westfälischen Irrenhauses Grobschnitt in seinem selbstverfaßten Presse-Info. Die Formulierung dieses Pamphletes hatte er lieber auch gleich selbst in die Hand genommen, denn Grobschnitt kann möglicherweise wirklich nur von einem Grobschnitt am wirkungsvollsten vorgestellt werden.

An dem Image als verrückteste Rockgruppe der Welt (?) bastelt der wilde Haufen mittlerweile seit 1966. Das bislang originellste Gewächs deutschen Un-Krauts verbucht immerhin die Hälfte seines Plattenumsatzes im Ausland, obwohl die Grobschnitt-Show noch nie über bundesdeutsche Grenzen hinauskam. Nach den ersten beiden Veröffentlichungen „Grobschnitt“ und „Ballermann“ wurde von „Jumbo“ erstmals auch eine Fassung in deutscher Sprache nachgeschoben. „Rockpommels Land“ dagegen, die jüngste LP, erscheint in diesen Tagen wieder in englischer Sprache.

Grobschnitt-Platten sind respektlos, blasphemisch, bissig, ironisch, humorvoll. Soweit Situations-Komik akustisch wiederzugeben ist, wird sie integriert. Auf Platte jedoch weitaus zurückhaltender und sparsamer als auf der Bühne, wo es von Slapstick-Einlagen nur so wimmelt. Das symphonische Erstlingswerk „Grobschnitt“ erzählt eine völlig neue Variante der Ölberg-Story — in der Grobschnitt-Version stehen die Gläubigen noch heute mit kalten Füßen in der Wüste und warten auf den Herrn. Effekte wie Maschinengewehrsalven, denen ein lakonisches „Au!“ folgt, sind typisch.

Da es sich bei Grobschnitt wohl weitgehend noch um einen Geheimtip handelt, hier der Versuch einer annähernd zutreffenden Beschreibung des Live-Gigs(Grobschnitt selbst könnten das natürlich besser): Die Musik ist nicht ganz so pathetisch wie die von Eloy und rockiger als die von Satin Whale. Oder anders: Als Mini-Genesis ist Grobschnitt nicht perfekt genug und im Vergleich mit Barcley James Harvest fehlen ganz einfach die Geigen. Dazu kommen Nonsens, Chaos, Humor. 70 Prozent Musik und 30 Prozent (Affen-)Theater, um es einmal statistisch auszudrücken.

Das Grobschnitt sehe Rocktheater wirkt in jedem Fall kommunikativer als ein Guru-Guru-Auftritt. Die eigentlichen Gaukler sind Eroc (Joachim H. Ehrig), der gelegentlich sein Schlagzeug mit dem Holzhammer bedient, und Toni Moff Mollo (Rainer Loskand), der, 1,55 Meter klein, alle Hände für den Spaß auf der Bühne frei hat — es sei denn er muß zwischendurch eines der 17 Lämpchen für die Lightshow reparieren. Da steigt er halt während der Show mal eben auf die Leiter. Relativ normal verhalten sich während des vierstündigen (!) Auftritts Tastenmann Mist (Volker Kahrs), Solo-Gitarrist Lupo (Gerd O. Kühn) und Rhythmusgitarrist/Sänger Wildschwein (Stefan Danielak). Ein zweifelhafter Grobschnitt-Gag ist es allerdings, die Stimme ihres Sängers absichtlich undeutlich abzumischen, und zwar erstens weil es dem Mixer so gefalle und zweitens, weil Wildschwein sowieso nuschele und sein Englisch aus einer Gegend stamme, die beim besten Willen nicht Oxfort heiße. Sehr witzig, oder eben auch nicht.

Die „Weltmeister im Improvisieren“, wie sie sich selbst nennen (Hähä! Die Red.) verirren sich selten in die Metropolen, da sie am liebsten vor maximal 1000 Zuschauern auftreten. Sämtliche Slapstick-Einlagen werden nämlich ohne Mikrofon bewältigt. In diesem Fall sind die Leute aus der Provinz ausnahmsweise einmal im Vorteil. Spart Euch also die Fahrkarte in die Großstadt, um für teures Geld Lindenbergs Panik-Zirkus anzuschauen, wenn Grobschnitt gleich bei Euch um die Ecke spielt. Das ist billiger und bestimmt auch amüsanter!