Shout-Out-Louds-Studiobericht: erste Höreindrücke!


Knapp zweieinhalb Jahre nach der Veröffentlichung von Work sind die Shout Out Louds damit beschäftigt, letzte Feinarbeit am Nachfolgealbum vorzunehmen. Wir haben sie in ihrem Studio in Stockholm besucht.

In der Ecke steht Ziggy Stardust. Also, das Album. Und an der Wand hängen nicht nur einige Gitarren, sondern auch ein großformatiges Foto von Marilyn Monroe. Man hat es sich ein bisschen schön gemacht. Trotzdem: Das Studio von Johannes Berglund, das im Keller eines Hinterhauses im ruhigeren Teil der Stockholmer Innenstadt liegt, verströmt eine angenehm angeschrammte Atmosphäre des Unfertigen. Zwei Räume plus eine Abstellkammer. Ein Mischpult, das nicht riesengroß ist, aber auf einem geschwungenen Holzkorpus ruht. Und im Nachbarzimmer ein paar weitere Gitarren, einige Keyboards, von denen ein signalroter Nord-Analogsynthie das wichtigste ist, ein Schlagzeug plus diverse Einzelteile. Bunte Orientteppiche, eine Blumentapete.

Wer wirklich in der Ecke steht, ist Adam Olenius. Sein Bart ist voller geworden, er sieht ein ganzes Stück älter aus als zuletzt. „Ich mag diesen Teil der Stadt. Er ist schön weit weg von Södermalm, wo die ganzen anderen Bands abhängen. Hier hast Du eher Leute, die Elektro machen oder so.“ sagt der Sänger und Gitarrist der Shout Out Louds. Neben ihm sitzen Keyboarderin Bebban Stenborg und Gitarrist Carl von Arbin. Quasi die Rumpfmannschaft der Shout Out Louds, die seit einem guten Jahr in den Kellerräumen in Östermalm kampiert und gerade dabei ist, letzte Hand an die Songs des kommenden Albums anzulegen. Sie hängen sauber in Din-A-4-Format an der Tür, tragen Titel wie „14th Of July“, „Gangster“, „Blue Eyes“ oder „Fun Fun“. „Das kann sich aber noch ändern. Work in Progress“, sagt Olenius und lacht.

„14th Of July“ ist der erste von vier Songs, die uns vorgespielt werden. Und was da aus den Boxen kommt, klingt gut. Anders als die doch eher getragenen Stücke des letzten Shout-Out-Louds-Albums Work, aber auch anders als das, was die Schweden vorher machten. Der Bass ist wichtiger als jemals zuvor, der Song rutscht in einigen Momenten dezent Richtung Track ab. Man muss an all die Franzosen denken, die den Crossover zwischen schickem Pop und Elektro so gut beherrschen, an Phoenix oder Benjamin Diamond, aber auch an die Bands des Kitsuné-Labels und an die kühnen britischen Pop-Modernisten Metronomy. Oder, kurz gesagt: Die Shout Out Louds klingen nach der Gegenwart. Adam Olenius wippt mit. „Ziemlich gut“, sagt er, als der letzte Ton verstummt. Und auch, wenn er sein Eigenlob als Aussage formuliert, bemerkt man die Frage, die dahintersteckt: Fotograf Matze und ich sind die ersten Journalisten, die auch nur einen Ton des neuen Materials zu hören bekommen.

Wir können ihn beruhigen. „14th Of July“ ist einer der besten Songs, die die Band bisher geschrieben hat. Ein Hit, ohne jede Frage.  Gleichzeitig ein angemessen bekümmertes Coming-of-Age-Klagelied über das hübsche Mädchen, die blonden Haare, ihr Jugendzimmer, Südfrankreich, die Meinung der Eltern und das abendliche Feuerwerk.. „Is the vacation long enough to keep me in the game“, schmachtet Olenius. Sein „Boys Of Summer“? Er muss lachen, möchte sich einer genauen Analyse allerdings entziehen.

„14th Of July“ ist das Resultat einer für die Shout Out Louds neuen Arbeitsweise. Wo man Work gemeinsam mit Phil Ek (Built To Spill, The Shins) in den USA aufnahm und angesichts eines Zeitrahmens von nur drei Wochen wohl vorbereitet ins Studio ging, war diesmal im Vorfeld wenig bis nichts klar, erzählt Olenius. „Alles, was wir wussten, war: Wir wollten schnell weiter machen. Und wir wollten den üblichen Weg – Songs schreiben, Songs proben, aufnehmen, veröffentlichen – verlassen. Der kann sehr ermüdend sein.“ Also mietete man sich vor gut eineinhalb Jahren bei Berglund ein und fing einfach an, aufzunehmen.  „Wir haben jede Idee ausprobiert, die uns in den Kopf kam. Ergebnisse waren uns zunächst egal.“ Dementsprechend langwierig war der Arbeitsprozess: „Manchmal brauchten wir nur zwei Stunden für einen Song. Danach diskutierten wir dann aber drei Wochen lang darüber. Generell ist es so, dass jede Stelle auf dieser Platte sehr oft in Frage gestellt und gegebenenfalls umgeschrieben wurde.“, fügt von Arbin an. Man bemühte sich dabei, die üblichen Rollenverteilungen zu brechen. „Meistens waren wir zu dritt im Studio, weil Ted und Eric nicht so viel Zeit hatten. Niemand weiß, wer auf dieser Platte welches Instrument spielt Bei einigen Songs übernahm ich die Drums, Johannes trug ebenso einiges bei.“

Die anderen Nummern, die wir hören, gehen in eine ähnliche Richtung wie „14th Of July“ erschließen sich aber langsamer. Klar ist: Klassischer Indiepop ist’s nicht mehr. Elektronische Musik, Filmmusik und Soul spielen ebenfalls eine große Rolle. „Es ist eine groovige Platte“, sagt Olenius. Zuletzt habe er vor allem Underword und Chemical Brothers gehört. Inhaltlich funktionieren die Songs über Parameter, die man von den Shout Out Louds kennt, triggern jene schwer zu fassende Sehnsucht an, die so gut zu Olenius’ Stimme passt. Und irgendwie hört man das Meer raus. „Es klingt nach Urlaub. Nach der Riveria oder Hawaii, sagt der Fotograf. Olenius muss lachen, wirft weiße Anzüge und Learjets in die Assoziationsmaschine. Bebban Stenborg ist es, die das Gespräch wieder Richtung Ernsthaftigkeit dreht: „Viele unserer Songs handeln vom Reisen, thematisieren Orte, die man irgendwann während seines Lebens erreichte. Solche Geschichten, solche Bilder sind wichtiger als je zuvor“, erklärt sie, um kurz darauf anzufügen: „Work war schwarzweiß. Das hier wird eher eine bunte Platte.“

Um ihre aktuelle Aufgabe – sie ist gerade dabei, die „16 bis 18“ Lieder so aufzubereiten, dass man sie auch auf der Akustikgitarre spielen könnte – beneidet man die Band nicht. „Wir haben in den letzten vier Tagen mehr gearbeitet als in den letzten eineinhalb Jahren“, sagt Adam Olenius und erzählt vom Druck, der langsam steigen würde. „Plötzlich müssen wir Entscheidungen treffen. Aber es ist eine schöne Belohnung plötzlich einen Song, der seit 15 Monaten in der Mache ist, fertig zu haben.“

Das neue Album der Shout Out Louds wird voraussichtlich Anfang 2013 veröffentlicht.  Ein Titel steht noch nicht fest.

Fotos: Matze Hielscher