Spliff Radio Show


Als Nina Hagen im Hamburger Audimax nach ihrem ersten Auftritt mit neuer Band und neuem Showkonzept („Anarchie in Germany, das klappt doch nie“) resigniert die geplante Tournee abbrach, kam der Verkauf der LP „Unbehagen“ ins Stocken. Das zweite Album der Nina Hagen Band – aufgenommen nach der Trennung der wilden Berliner Sängerin von der Gruppe – war das letzte Produkt der Zusammenarbeit gewesen, ein Kompromiß aus Vinyl anstelle eines Schadenersatzprozesses.

Unbehagen empfinden die ehemaligen Mitwirkenden des an Ninas Aufsässigkeit gescheiterten Bandprojekts inzwischen nicht mehr. Allein die Negativpromorion des ehemaligen weiblichen „Front-Man“ entlockte Keyboarder Reinhold Heil ein „leider“, denn die Musiker bekommen nun nicht noch mehr von dem Tantiemen-Segen des Album-Verkaufs.

Dabei können sie das Geld gut gebrauchen. Nicht etwa, weil sie seit dem Split der Band die Kohle aus dem Fenster geworfen hätten. Nein. Heil und seine Kollegen Bernd Potschka (Gitarre), Herwig Mitteregger (Schlagzeug) und Manne Praeker (Baß) haben investiert – in Instrumente, in die Requisiten einer neuen Bühnenshow und in sich selbst. Sie haben ein Jahr lang im Keller unter dem „Wienerwald“ in der Martin-Luther-Straße in Berlin komponiert, getextet und gefeilt. Pfingsten präsentierten sie sich mit einigem Hosenflattern zu einem „Heimspiel“ im Berliner Kant-Kino. Drei Konzerte waren angesetzt.

Und alle drei wurden ausverkauft. Dennoch setzte die Band 12000 Mark in den Sand -Geld, das in die aufwendige Licht- und Tontechnik hineingebuttert wurde, ein Minus, das bewußt einkalkuliert worden war.

Und was hatten sie zu bieten? Ganz einfach: die beste Rockshow, die in Deutschland bislang produziert worden ist – Udo Lindenbergs Bayreuther Pomp zum Trotz und Nina Hagen mit ihrer obskuren Lust am Improvisieren ins Stammbuch. War es vielleicht bis dahin nur ein Verdacht gewesen, der bei den beiden Alben der alten Nina Hagen Band von dem Firlefanz und der Koketterie der DDR-Emigrantin weggewischt worden war, jetzt zeigte die Gruppe, daß ihre Musik die Basis für den Erfolg der Gruppe gewesen ist. Nina, die puppenhafte Blenderin, lebte und zehrte von den Einfällen der Band. Sie stieg aus, als sich die Musiker dagegen wehrten, ihr, wie gefordert, mehr Einfluß auf die Musik zu geben.

Die neue Band hat nicht nur einen neuen Namen – sie heißt „Spliff“ -, sondern auch neue Sänger. Ja, gleich zwei. Und das ist noch nicht alles. Denn die als „Spliff Radio Show“ von vorne bis hinten konzipierte Darbietung wird moderiert. Rick Delisle, amerikanischer Rundfunksprecher, zelebriert diese rockige Parodie auf Radio-Livesendungen aus den USA der vierzig Leute hinzu und nun heißt es, daß Spliff die heißeste Rock- Show machen, die Deutschland im Moment zu bieten hat…

ger Jahre. Unterbrochen von Jingles („Got no friends, got no fun. Listening to Splifi Radio you can see the sun“) und fiktiven Commercials, treiben die rockigen Songs eine Geschichte voran: die unheimliche Karriere von Rocko J. Fonzo, der aus der Mülltonne stieg und ein großer Rocksänger wurde. In den Texten – die komplette Show läuft in englisch – beschäftigt sich „Spliff“ mit dem brutalen Musik-Business und den Seelenverkäufern in den Schallplattenfinnen. Das ist die Branche, mit der sie ihre ureigenen Erfahrungen gemacht haben, schon als politisch orientierte Mitstreiter der „Lokomotive Kreuzberg“ und als Interessenvertreter eines kollektiven Geschäftsgebarens in dem Unternehmen mit Nina Hagen.

Erst als das Konzept zum neuen Programm stand, suchten sich die „Spliff“-Leute die beiden Sänger aus. Im Februar kam so Ali Klimek, bekannt als Fools-Artist im Trio „Busby Berkeley“, dazu, nachdem sich Firmen und einzelne Künstler zu Häuf im Büro der Gruppe, in lim Raketes Fabriketage in Kreuzberg, angedient hatten. Rakete, Manager und gleichzeitig als Mitglied der Band Ausputzer in allen schwierigen Situationen, über die Motive des Australiers, der sich gesanglich enorm verbessert hat: „Das war seine einzige Chance, sich am Rock’n’Roll zu rächen.“ Denn Klimek hatte die gleichen Vorstellungen über das korrupte Business, ohne das Rockmusik so schön sein könnte. „Große Namen wollen wir nicht, sondern Leute, die wir für die besten hielten“, fügte Jim Rakete auf die Frage hinzu, wie die Auswahl ablief. Lisa Biallak, ehemals Sängerin der holländischen Formation „Gruppo Sportivo“, kam im März auf Wunsch der Band noch dazu.

Als das line up stand, wurde der Drei-Tage-Gig vorbereitet, womit sie beweisen wollten, „wie geil das ist“ (Rakete). Und das hat das Berliner Publikum, vor dem sich „Spliff“ am meisten fürchtete, bestätigt. Zwar nölten ein paar Feuilletonisten Tage später herum, das sei alles zu perfekt. Doch hatten die wohl nicht mitbekommen, daß es in Deutschland gerade daran fehlt: an ausgetüftelter, selbstbewußter, genau getimter Show mit sauberem Sound, stimmigen Einsätzen und geilen Klängen. Denn „Rock Is A Drag“ (einer der Titel aus dem Show-Zyklus), wenn alles stimmt.

„Spliff“ hat sich vor allem auf die Bühnenpräsenz kapriziert. Die Platte, die im September die Show komprimiert enthalten wird, ist mehr ein Nebenprodukt und eine Einnahmequelle.

Daß sie nun englisch singen, hat nichts mit dem Schielen auf den amerikanischen Markt zu tun, auch wenn ihre Songs wie „Jet Set Star“ oder „Gooroo“, „Cheap Tricks“ oder „Tooled Fool“ kommerziell vielversprechend klingen. Englisch ist halt die Sprache der Rockmusik, die Frontieute der neuen Show können diese Sprache am besten, und amerikanisches Radio, das sich ebenfalls wie eine Droge verbreitet hat, parodiert man authentischer in der Ursprungssprache. Deutsch zu singen, das ist für „Spliff“ überhaupt kein Thema mehr. Schließlich braucht man kaum Sprachkenntnisse, um die Show zu verstehen.

Wenn die Platte auf dem Markt ist, wird eine große Tournee mit möglichst vielen Auslandskonzerten gemacht. Nach einem Jahr Kellerfron sind die Musiker „unheimlich spielgeil“ (Bernd Potschka). Wie weit das Publikum darauf einsteigt, wird sich zeigen. Die Erwartungen sind hoch. Und auch die Umsatzgrößenordnungen, um die es geht. Schließlich haben die ersten beiden Platten in Deutschland und Europa zusammen etwas mehr als 1,3 Millionen Käufer gefunden. Die wollen ein drittes Mal überzeugt werden.