Sponsorship und Rockmusik


Clapton für Camel, Townshend für Bier, die Stones für Parfum - die Werbung entdeckt die Rockmusik

„Sponsorship“ heißt das magische Wort. In den USA gehört es bereits zum Alltag, daß Bier oder Zigaretten-Hersteller Rock-Tourneen finanzieren – und als Gegenleistung die betreffenden Musiker als Werbeträger einsetzen. Was sind die Gründe? Kreist wirklich der Pleitegeier über den teuren Tourneen – oder sind die musikalischen Litfaßsäulen „only in it for the money?“ ME/Sounds ging dem Phänomen nach und stellte die Frage, ob US-Methoden auf die deutsche Musikszene übertragbar sind.

„Haben Sie schon mal gehört daß ein Vertreter in einer einzigen Nacht 100000 Kunden erreicht?“, fragt die Anzeige in einem amerikanischen Werbe-Magazin. Liest man weiter, so erfährt der erstaunte Leser, daß mit dem “ Vertreter “ niemand anderes gemeint ist als die Rolhng Stones. Was die wohl verkaufen? Etwa Sex & Drugs & Rock ’n‘ Roll 7 Falsch, sie werben für… Parfüm!

Und weiter: Jovans (so der Name der beworbenen Parfümfirma) exklusive Sponsorenschaft für die letztjährige Rolling Stones US-Tour gilt, lautAdvertising Age (einer anderen Werbe-Fachzeitschnft), als eine der durchschlagendsten PR-Kampagnen von 1981… Machen Sie sich selbst ein Bild, wie die Zugkraft populärer Musik ihre Geschäfte fördert … Wir infiltrieren die gewünschte Zielgruppe mit Ihrer Werbebotschaft – bei Konzerten, zu Hause. im Handel, unterwegs Wohin die jugendlichen Erwachsenen auch gehen, Ihr Produkt wird in das tägliche Leben integriert. „

Irrtum, wenn man annimm!, daß die werbenden Stones die Ausnahme von der Regel bedeuten, denn längst sind auch andere Rockstars mit der Industrie lukrative Kurz-Ehen eingegangen.

Beispiele. Im Herbst 1982 sponsorte Schlitz-Bier die Abschieds-Tournee der Who; Tom Petty & The Heartbreakers warben für Tecate Bier; Eric Claptons Frühlings-Tournee wurde von Camel Cigarettes mitfinanziert; Kenny Rogers wurde von Jovan eingekauft, die sogar das Parfüm „Gambler And Lady“ nach einem seiner Songs benannten; Hall & Oates liehen Canada Dry ihren Namen; Barry Manilow lächelt für Mamiya-Kameras; Miller Bier, die im letzten Jahr schon Tourneen von Jimmy Büffet und Gary US Bonds unterstützten, haben zusätzlich zehn regionale Bands zu Werbeträgern gemacht – Miller Bier-Poster auf der Bühne, Miller PR-Leute im Publikum, Plakate, von denen die verpflichteten Bandmitglieder mit Miller-Bier prosten. Frage: Soll das Rock n‘ Roll sein‘ Willkommen in den Achtzigern! „Die Stimmung im Lande hat sich geändert“, erklärt Jay Coleman, der für die Stones-Jovan-Verbmdung und ähnliche Kooperationen zuständig ist, „Rockmusik ist weitgehend entpolitisiert. Vor zehn Jahren haben die jungen Leute chemische Fabriken in die Luft gesprengt, wo sie heute nach Jobs Schlange stehen. Man geht nicht mehr zu Konzerten, um Rabbatz zu machen oder zu protestieren, sondern um auf seine Kosten zu kommen. „

Geschäftsverbindungen zwischen großen Firmen und Rockbands sind in den USA heuteschon so selbstverständlich wie… hm… Rockbands selbst. In den letzten vier Jahren verdingte sich Rod Stewart für Sony; Greg Kihn ging für Limonade ms Werbefach, Südstaatler Charlie Daniels pries Kautabak an, Earth, Wind & Fire loben die Vorzüge von Panasonic – und die Fashionband überhaupt, Roxy Music, – Bryan Ferry trägt meist teuren Zwirn – stieg für Denim von Levis in die Bresche.

Aber Sponsoren-Deal ist nicht gleich Sponsoren-Deal. Die Superstar-Abschlüsse vom Schlage der Stones, der Who und Kenny Rogers sind Mehr-Milhonen-Arrangements, die neben den reinen Werbekosten zur Darstellung der Künstler/ Produkt-Beziehung auch die Zahlung sechsstelliger Summen an die Künstler selbst einschließen. So wird im Falle der Stones offiziell von einer Million Dollar gesprochen, die Jagger & Co von Jovan kassierten. Das gleiche gilt für die Who und Schlitz-Bier. Hall & Oates „bescheiden“ sich mit 200 000 Canada Dry-Dollars.

Wo solche, für Normalsterbliche, astronomische Summen über die Theke geschoben werden, muß ein triftiger Grund vorliegen. Es geht um drei Fragen.

1. Warum sind Markenartikler überhaupt an der millionenschweren Verbindung von Rockstars und Produkt X interessiert?

2. Muß ein spezifisches Verhältnis zwischen Produkt und Musiker bestehen?

3. Kann man die Effektivität wirklich messen?

Dazu noch einmal der Werbefachmann Jay Coleman: „Es besteht weitgehend Übereinkunft darüber, daß man durch die Rockstar/Produkt- Verbindung eine geeignete Plattform findet, um den Teenager- und Jungen-Erwachsenen-Markt auf einer imagegerechten Basis anzugehen. Der Künstler, der für Proukt XY wirbt, wird von seinen Fans akzeptiert. Dadurch erhöht sich die Akzeptanz für das Produkt. Die Identifikation mit dem Star wird erleichtert, wenn sich der Fan durch den Kauf des Produktes XY im Glauben wähnt, etwas mit seinem Idol gemeinsam zu haben. „

Aber funktioniert das wirklich? Ein Sprecher von Camel Cigarettes: „Eric Clapton ist eine Institution und hat eine treue Anhängerschaft; Musik ist andererseits wichtig für das Camel-Image. Wir finden, daß die Musik von einem Mann wie Clapton ausgezeichnet in das Interessen-Profil eines Camel-Rauchers paßt.“

Aber woher weiß man, daß der Aufdruck The Camel 1983 Eric Clapton Tour auf den T-Shirts, die bei Clapton-Konzerten verkauft wurden, den Zigaretten-Verkauf tatsächlich erhöht‘ „Es ist unmöglich, so etwas zu messen, denn Zigaretten werden hauptsächlich aufgrund langfristiger Phantasien gekauft, Wenn man sich also auf eine Sponsorenschaft einläßt, dann nur mit der Absicht, ein vorhandenes Verkaufs-Image zu verstärken. Man erwartet nicht notwendigerweise Direkt-Resultate.“

Andere Werber hingegen behaupten, den Verstärker-Effekt der musikalischen Litfaßsäulen messen zu können. Der Werbefachmann von „Tecate Beer“ halt die Verbindung mit Tom Petty für extrem effektiv: “ Wir messen den Erfolg an zwei Dingen neuen Abschlüssen und Verkaufssteigerungen in den Gebieten, wo Petty spielte. „

Längst nicht alle Musiker allerdings begrüßen die neue Verbindung. Obwohl Bruce Springsteen schon von dutzenden Firmen angesprochen wurde, bleibt er bei seinem hartnäckigen ,Nein‘. Bislang wollen auch Bob Seger, The Police, Neil Young und Joni Mitchell diese Geldquelle nicht anzapfen.

Andere Musiker haben schwerwiegende Bedenken, mit ihrem Namen Bier oder Seife zu verkaufen. Billy Joel beispielsweise steht nur mit einem Produkt in Verbindung: Baldwin Piarios. „Ich muß etwas selbst benutzen, um es gutheißen zu können“, sagt er, „und es müßte obendrein etwas sein, was ich wirklich kenne. Das einzige, wovon ich wirklich was verstehe, sind Pianos; und darum werde ich auch nur für Baldwin werben. Sie geben mir auch kein Geld, sondern nur die Instrumente, wenn ich sie – im Studio oder auf Tour brauche. Mein Name ist sehr wichtig für mich,denn es ist der einzige, den ich habe. Wer zum Teufel bin ich denn, den Leuten draußen zu erzählen, was sie kaufen sollen 7 “ Elhot Roberts, Manager von Neil Young, Joni Mitchell, den Cars und Devo, quälen ähnliche Bedenken. „Ein Musiker, der sich sponsern läßt und dafür Geld erhält, vertauscht die Vorstellung, die man von ihm als Künstler hat. aegen die eines Angestellten. Hätte Picasso sich etwa von Schlitz-Bier sponsern lassen? Ich glaube nicht.

Auch Townshend sollte besser nicht mit einem Schlitz-Bier auftreten, während die Stimme im Hintergrund tönt: ,Yeah, when Petes real hot .. ‚ Ich kann mir einfach nicht vorstellen, daß Neil Young oder Joni Mitchell zu einem ihrer Roadies sagen ,Jungs, it’s Miller Time‘. Das würde man ihnen sowieso nicht abnehmen und es würde auch ihrer Glaubwürdigkeit schaden. „

In den sechziger und siebziger Jahren verschwendete niemand einen Gedanken an Sponsorship – mit Ausnahme einiger Musiker, die für Verstärker und Instrumente warben. Verbindungen wie man sie heute kennt, schienen jedoch von beiden Seiten aus undenkbar. Das Bürgerschreck-Image der Stones wollte einfach nicht zum betörenden Duft eines Parfüms passen.

Auch m der jüngsten Geschichte von „Werbung und Rockmusik“ gibt es einige warnende Beispiele. So wurde Journey angegriffen, weil sie für Budweiser warben, also Alkohol anpriesen Daraufhin nahmen sie schleunigst Abstand von einer Verlängerung des Vertrages.

Ärger bekam vor allem Camel-Raucher Eric Clapton. In einem Artikel wurde er heftig angegriffen, weil sein ALBUM MONEY & CIGARETTES keinen einzigen Song gleichen Titels enthalte, keinerlei textliche Parallele, sondern bloß einen qualmenden Eric auf dem Cover und das Wissen um seinen Camel-Deal. Energisch fordert die Verfasserin: „Bitte, Plattenfirmen und Manager, denkt an die Gesundheit der Jugend, bevor ihr Tour-Unterstützungen und PR-Mittel von Firmen akzeptiert, die abhängig machende Produkte verkaufen „

Das mag etwas blaustrümpfig klingen, aber Verbindungen wie die zwischen den Who und Schlitz geben zu denken; vor allem wenn man weiß, daß Townshend erst jüngst als selbstmitleidiger Alkoholkrüppel durch die Presse geisterte. Abgesehen von dem moralischen Feigenblatt, daß manche Tugendwächter .ihren 1 Rockstars gerne vorhalten würden, bleibt die Frage, warum überhaupt Bands und Interpreten seit neuestem nach Sponsoren Ausschau halten. Sind sie, ums mit Zappa zu sagen, „only for the money“ oder kreist wirklich der Pleitegeier über den kostspieligen tour-isüschen Musikunternehmen?

Sicher, technisch aufwendige Tourneen verschlingen Unsummen Andererseits bekommen viele Bands durch das sogenannte „merchandising“, also den Verkauf von T-Shirts, Badges, Aufklebern, Schals etc., die verlorenen Märker wieder in die Tourkasse, „Alles Unsinn“, behauptet denn auch ein New Yorker Agent, der Tourneen für Police buchte, „den Bären von den hohen Kosten laß ich mir nicht aufbinden. Eine Band, die Sponsoren sucht und Werbung macht, tut dies aus einem einzigen Grund; Profit!“

Trotzdem wächst in den USA die Zahl der Musiker, die Sponsoren suchen oder von ihnen gesucht werden. Gretchenfrage: Werden Sponsoren in Zukunft ein fester Bestandteil der Rockmusik, genauso akzeptiert und unvermeidlich wie beim Formel 1-Sport? Wird sich, auf deutsche Verhältnisse angewendet, das Beispiel des Levis Festivals durchsetzen? Kann man sich vorstellen, daß von einer BAP-Tourjacke ein „kühles Blondes“ prangt‘ Abwarten und… Bier trinken!