Sportlich, meine Herren!


Wer braucht Big Brother? Die Verseifenoperung des Fachbereiches Leibesertüchtigung machte 2000 Riesen-Fortschritte.

2000 war ein großes Sportjahr für Leute, die sich nicht für Sport interessieren. Das fing an mit dem fortdauernden Kampf des Läufers Dieter Baumann gegen ein B-Film-reifes Zahnpasta-Doping-Komplott und ging weiter mit einem weinenden Schumi (ist er doch ein Mensch?) in Monza. Die knalligsten Real-Life-Soap-Elemente hatten aber die Balltreter auf Lager. Da musste im Juni „Sir“ ERICH ‚Der Konzeptor‘ RIBBECK zur EM im Benelux antreten. Dem war kurz zuvor unter dem Vorwurf der seelischen Grausamkeit Karriereabschnittspartei Uli Stielicke davongelaufen, man hatte ihm flugs Ex-Kopfballviech Horst Hrubesch zur Seite gesetzt. Und mit einem geradezu amüsant bocklosen Kader, der passiven Widerstand (gegen Gegner und Ribbeck) praktizierte, scheiterte das Unternehmen kläglich noch in der Vorrunde. Hrubesch weinte, die Spieler wurden medial als Vaterlandsverräter gepeitscht, der ohnehin immer leicht abwesend wirkende Ribbeck ging ganz, und im Telekom-Werbespot schwenkte fortan die Kamera durch eine leere Spielerkabine. In solch schwerer Stunde stieg Gottkaiser FRANZ BECKENBAUER herab und holte der gebeutelten Nation unter Aufwendung allen verfügbaren Gegrinses die Fußball-WM 2006 ins Land – fast hätte ihm ein Haufen fieser Nestbeschmutzer die Heiligsprechung allerdings versalzen: ein Bestechungsfax-Scherz der „Titanic“ sorgte für Aufruhr unter den aufrechten teutschen Fußballfreunden. Auftritt Heilsbringer Nr. 2 RUUUDI ‚Riese‘ VÖLLER, und plötzlich hatte die Fußballnationalmannschaft sogar wieder Lust, Fußball zu spielen. Im Sommer dann das Sportereignis für Sportuninteressierte: die Olympischen Spiele in Sydney. Da sah’s mit dem deutschen Medaillenspiegel zunächst nicht so gut aus, worauf sich kurzfristig der Bundesinnenminister (!) einschaltete, und beim Abschlussfest spielten Kylie, Men At Work, Midnight Oil und INXS mit einem Michael-Hutchence-Stimmenimitator (wo waren AC/DC und Nick Cave?). Herrjeh. Im Herbst machte König Fußball dann Entertainment-technisch den Sack zu: Als eine von den Medien gepush-te“ Mega-Schlammschlacht um angebliche Kokain-Vorwürfe von Bayern-Manager ULI HOENESS (der, am Rande, früher im Jahr schon gegen die Toten Hosen und ihre kindische „Bayern“-Single gezürnt hatte) an Leverkusen-Coach CHRISTOF DAUM fing es an. Dann ließ sich Daum Haare auszupfen, obwohl er damit „die Demokratie“ in Gefahr sah – zwei Wochen später war er in Miami untergetaucht, Reiner Calmund walrosste traurig, der Boulevard ließ die letzten Hemmungen sausen, und Harald Schmidt beantragte Titelschutz für Daum-Gags. Wir erfuhren, dass es einmal einen Spieler namens Jimmy Hartwig gab und Franz „Ich-rede-mich-um-Kopf-und-Kragen, aber-es-nimmt-mir-ja-keiner-krumm“-Beckenbauer einen mörder Drogen-Therapeuten abgegeben habe. Aber es ging noch was: Hoeneß, der in der Causa Daum noch auf eine Entschuldigung der Justizministerin wartete, hatte plötzlich Behörden-Ärger mit seiner Bratwurst-Fabrik am Hals, der heilige Franz ein uneheliches Kind, ein kurzhaariger Daum meldete sich über „Bild“ aus Florida mit einer zweiten Haar-Analyse und forderte „Rehabilitation“ – und dann kam auch noch der Terrier zurück: Bundes-Berti a.d. Vogts übernahm Daums Posten bei Leverkusen, ja. Wird wirklich Zeit für die Winterpause.