Status Quo


Born to boogie: Status Quo spielt seit einem Jahrzehnt laut, hart und fröhlich ein und dieselbe Musik. Gleichwohl schiafft die Band nicht ab: Der Rhythmus rollt, der Speed-Rock-Kessel kocht, die Haarmähnen fliegen wie hier bei Gitarrist Francis Rossi.

„Was haben wir bloß an uns, das aus unseren Zuhörern die reinsten Berserker macht?“ wundert sich Status Quo-Gitarrist Francis Rossi schon seit Jahr und Tag. Die Rock-Kritiker wundern sich auch, zumindest die sogenannten „seriösen“. Deshalb haben sie über die Gruppe, die im März wieder mal durch Deutschland tourte, den Mantel barmherzigen Schweigens ausgebreitet.Und wenn sie den einmal lüften, dann nur, um Gift und Galle zu spukken über die Dreistigkeit, mit welcher eine Plattenfirma immer wieder dieselben Plastikstücke verpacken und dabei glatt behaupten kann, das sei jeweils etwas Neues. Aber bitte schön: wer war es, der in der ersten Hälfte unseres Jahrzehnts allen Anfeindungen zum Trotz die Glut unterm Speed-Rock-Kessel vorm Erlöschen bewahrt hat? Quo natürlich. Nicht nur deshalb sollten wir sie lieben.

„Do You Wanna Boogie?“ Klar, 5 Mann. Bis die Sohlen qualmen und die Fetzen fliegen.

Mit Status Quo und der Presse war das schon immer ein Kapitel für sich. Manager Colin Johnson erinnert sich mit Schaudern an die frühsiebziger Dürrezeit der Gruppe: „Sie wollten alle nichts von uns wissen. Es war eine klassische Snob-Situation. Man hat uns mit Adjektiven bedacht wie ,laut‘, .schmutzig‘, abgedroschen.Ich habe es dann schließlich aufgegeben und die Presse völlig ignoriert, sie nicht mehr zu Gigs eingeladen. Wir haben ausschließlich auf unsere Fans gebaut, und die sind uns treu geblieben. Das hat uns groß gemacht.“

Groß gemacht, das heißt im Falle „Status Quo“: zu einem überraschenden Comeback verhol fen. Denn Francis „Mike“ Rossi (27, leadguitar + lead vocals), Alan Lancaster (28, baß guitar + vocals) und John „Spud“ Coghlan (30, drums) sind uralte Bühnenbekannte. Am 13. Mai 1977 können sie ihr 15 jähriges gemeinsames Bandjubiläuni feiern: als „The Spectres“ waren sie schon zu einer Zeit aufgetreten, da auch die Beatles gerade die ersten Plattenstudios von innen sahen.

Die Band, die seinerzeit mit Roy Lynes noch einen Organisten hatte, trieb fünf Jahre lang unter wechselnder Flagge („Traffte Jam“, „Status Quo“) in der Flaute. Im selben Jahr, 1968, als mit Rick Parfitt (28, guitar + vocals) ein fünfter Mann einstieg, blies es das Quintett dann urplötzlich in die Charts. „Pictures Of Matchstick Man“, „Ice In The Sun“ und „Down The Dustpipe“ hießen die Teenie-Hit-Stationen, die binnen weniger Monate abgehakt wurden und die Gruppe 1970 wieder ratlos in eine trübe Zukunft blicken ließen.

Sie war nicht nur erneut auf einem Popularitäts-Nullpunkt angelangt — schlimmer als das: ihr Rock-Renommee war aufgrund ihrer Teenie-Hits restlos im Eimer. Jobs gab es auch nicht mehr, weil gewöhnlich kein Veranstalter so dumm ist, mit kommerziellen Eintagsfliegen von gestern sein Geld zu riskieren.

Die Band brauchte fast drei Jahre, um ihr verkorkstes Image wieder zurechtzubiegen. Miese Jahre mit besseren Trinkgeldern für Auftritte in Clubs und Air-Force-Kantinen, voller Versuche, wenigstens im Ausland als Hard-Rocker wieder Tritt zu fassen. Die Status Quo-Mitglieder begannen, sich mit eigenem Musikmaterial zu versorgen, schufteten sich durch fünf bis sechs Shows pro Woche, schwitzten, fluchten und landeten am Ende in der Riege der „zehn besten Live-Acts“ (Melody Maker Pop Poü ’73), wo sie bis heute auch blieben.

Hatte man den Hitparaden-Quo von einst keine anständige Bühnenshow zugetraut, so lief der Hase jetzt genau andersherum. Die Gruppe lieferte zwar Jahr für Jahr gewissenhaff eine LP ab: 1972 „Piledriver“, 1973 „Hello“, 1974 „Quo“, 1975 „On The Level“, 1976 „Bhie For You“, die sich ausnahmslos gut verkauften und diverses Chartmaterial enthielten. Aber Status-Quo-Musik auf schwarzem Vinyl war und ist wie ein Sprengsatz ohne Zunder. Den bekommt der Fan erst live nachgeliefert…

Dem Phänomen „Status Quo“ ist nicht leicht auf die Schliche zu kommen. Schließlich dürfte es weltweit einmalig sein, daß ein und dieselbe Band ein Dutzend Jahre lang nur für die Teens spielt. Die sind schließlich das treuloseste Publikum, werden rasch älter, ändern ständig ihren Geschmack. Teen-Star-Karrieren halten höchstens zwei Jahre, normalerweise.

Auch Mike Rossi hat sich überlegt, warum Quo trotzdem noch oben schwimmt. „Manchmal glaube ich“, sagt er, „daß unser Erfolg weniger daran hängt, was wir spielen, als daran, was wir sind.“ Präziser: Quo-Musik ist nichts anderes als der akustische Rahmen für ein Verbrüderungs-Ritual zwischen Akteuren und Fans. Obschon diese Trennung eigentlich unsinnig ist. Denn bei Quo-Konzerten gibt es nur Akteure.

Da ist zuerst das Publikum. Sozialstatistischer Fan-Steckbrief: 17 Jahre, Lehrling, männlich. Sie tragen Jeansjacken, die in der drangvollen Enge der Konzerthallen unter den Achseln schweißnaß werden, führen Schlachtgesänge auf den Lippen, sind trinkfreudig, rüde und liebenswert. Beim Verlöschen der Saalbeleuchtung schwappen sie nach vorn, halten für fünf Minuten mit der Lautstärke der voll aufgerissenen Sound-Batterie mit, stampfen mit dem ganzen Körper, spielen auf Phantasiegitarren, recken beide Hände zum V-Zeichen aus der auf- unf abwippenden Menge. Ich habe bei einem Quo-Konzert noch nie jemanden sitzen sehen. Oben spielt die Band. Ihre Musik ist der Herzschlag des Publikums, ist Drive und Körperlichkeit. Body-Music auf einer Rhythmus-Leadgitarre, einer Rhythmus-Rhythmusgitarre, einem Rhythmus-Baß und einem Rhythmus-Schlagzeug, mit rhythmischen Vocals obendrauf. Laut, hart und trotzdem fröhlich. In der Substanz der immergleiche Boogie auf immergleichem Lärmpegel, mit wechselnden Rock’n’Roll-Schnörkeln als Erkennungsmerkmale für einzelne Songs. Den langsamen Blues, der auf den Status-Quo-LPs als Kontrast und Verschnaufpause herhalten muß, hat die Gruppe in der Garderobe gelassen.

Oben tobt die Band. Mit atemlosem Laufpensum, schweißtriefend, und jenem vielkopierten Gitarristen-line-up, das das Frontcover von „Piledriver“ ziert: enggeschlossen, Gitarrenhälse ins Publikum zielend, darüber drei wedelnde Haarmähnen. Und keiner im Saal, der sich nicht mit den vieren identifizieren könnte: sie sind kumpelhaft, unkompliziert, direkt, ehrlich. Eine „street band“, die für ,Street guys“ spielt, ohne Allüren und Star-Arroganz. Quo spricht die Sprache ihrer Anhänger, kleidet sich wie diese. „Blue For You“ ist nicht nur ein LP-Titel — es ist ein Programm, eine Weltanschaunung. Bei keinem großen Rock-Act ist der Graben zwischen Bühne und Publikum so schmal wie bei Status Quo.

Der hautnahe Kontakt wird auch in Zukunft die Szenerie bei Status Quo-Konzerten beherrschen. Selbst wenn — wie angekündigt — das Hauruck-Image der Gruppe etwas geliftet wird — „Abschiedsgeschenke“ werden aus Quo’s jüngster Deutschlandtour und ihrem neuen Live-Doppelalbum deshalb noch lange nicht. Denn wie sagte Kronzeuge Rossi schon vor Jahr und Tag? „Status Quo — das war immer ,gettin‘ up and groovin‘. Und wenn wir mal was anderes machen wollen: unser Publikum wird immer nur unter dieser Bedingung mitspielen.“