The Human League


London, Rainbow.

Vielleicht liegt’s an der weihevollen Atmosphäre, die das Weihnachtefest ausstrahlt. Vielleicht bin ich auch nur krank. Aber es fällt mir außergewöhnlich schwer, die Schreibmaschine mit dem üblichen Gift und Galle-Gemisch aufzutanken, um Human League den verdienten Tritt zu verpassen.

Also worüber könnten wir reden? Mit der Musik anzufangen, wäre denkbar ungünstig, denn damit hat die League herzlich wenig am Hut. Die Gruppe schwang sich in England erst zum Erfolg auf, nachdem die Musiker der Band ausgestiegen waren, um BEF/Heaven 17 zu gründen. Die neue Human League wurde dann um einen Sänger, einen Mann für Lichteffekte und zwei amateurhafte Disco-Tänzerinnen neu formiert In diesen angespannten Zeiten fällt der Rockjoumalismus gewöhnlich in seine bewährte „Müll-Asthetik“ zurück; nach dem Motto „das-ist-so-schlecht-daß-es-schon-wieder-gut-ist.“ Ob in der Pop Art, ob bei Horrorfilmen – der Grundsatz bleibt: je schlechter, desto besser. Und aus diesem Blickwinkel werden Rockschreiber, die sonst eigentlich einigermaßen intelligent sind, ständig jeglichen Schwachsinn von Dave Dee bis hin zu Adam Ant standhaft verteidigen. Etwa Steve Sutherland, der im „Melody Maker“ schrieb: „The Human League are one of the very worst groups in the world… and it was brillant.“ Ich glaube, daß denjenigen, die sich freiwillig in fremder Kotze wälzen, sowieso nicht mehr zu helfen ist.

Wartet mal … Wir könnten uns über Haare unterhalten. Die Haar-Treue ist in der Popmusik ein beständiger Faktor. Das reicht von den Beatles-Schöpfen bis hin zu den Stray-Cats-Tollen. Aber die Human League haben diese Treue hart auf die Probe gestellt. Es gibt kaum etwas Unpraktischeres als Phil Oakeys asymmetrischen Pony, mit dem du auf einem Auge blind bist. Nichtsdestotrotz laufen hier in der Halle ungefähr tausend Jungs im Publikum rum, die exakt denselben Haarschnitt haben. Und wißt Ihr was? Die sehen damit viel heißer aus als Oakey selbst.

Vielleicht habe ich damit gerade eine neue Tendenz in der Popmusik entdeckt, die ich bislang übersehen hatte: outdressing the artist – sich einfach so aufzudonnern, daß der da oben mit seinem Bühnendress einfach kein Land mehr sieht. Ich glaube, seit Gary Numan sehen Popstars deutlich schwächer aus als ihr Publikum. Kaum ein Wunder also, daß die zwei einzigen Mädchen, die scheinbar nicht von den Vorzügen des sogenannten futuristic look profitierten, ausgerechnet bei Human League auf der Bühne tanzen. Joanne und Suzanne sind – wie es scheint der Inbegriff des ewig Linkischen, das der englischen Weiblichkeit anhängt. Beide sehen sie aus wie die Princess of Wales. Geschlechtslos in Partykleidern aus Nylon.

Andere weibliche Wesen hier in der Halle wirken nahezu französisch. Falls Ihr jemals in England gewesen seid, werdet Ihr diesen Fortschritt zu schätzen wissen!

Ob diese jungen Dinger wirklich die Ansichten von Human League teilen und an eine Welt glauben, in der „der Stoff, aus dem die Traume sind“ aus New York, Fernsehen, Eiscreme und den Ramones besteht??? Diese Philosophie, die sich so klar aus dem Album DARE herauskristallisiert, sollte uns auf heilsame Art daran erinnern, daß Popmusik Musik für Kinder ist. Diejenigen, die vorn an der Bühne wegen Phil Oakey in Ohnmacht fallen, werden ihn nächstes Jahr schon wieder vergessen haben. Und damit sollte klar sein, daß der 30jährige Journalist dazu nichts Relevantes zu sagen haben kann. Die Human League war auch niemals darauf aus, seinen Beifall zu finden.

Wird man hierzulande Human League mit ebenso offenen Armen aufnehmen wie in England? Ich glaube nicht. Mit dieser schäbigen Bühnenshow und ihren lauen Darbietungen scheinen sie eine spezielle Form von britisch-vorstädtischer Gewöhnlichkeit zu zelebrieren. Es paßt wirklich wie die Faust aufs Auge, daß Oakey Suzanne und Joanne in einer Disco in Sheffield aufgegabelt hat. Wenn das Glück sich wendet, werden sie auch genau da wieder landen.