The Singles


Liebe Freunde der kürzeren physischen Tonträger, ich heiße Sie herzlich Iwillkommen in 2007. Nicht im Jahr 2007, sondern in 2007. Auch in 2007 werden noch Singles veröffentlicht. Natürlich auch Punk-Singles. Punk-vor allem der amerikanische – hat sich über die Jahre zu einer Musikrichtung entwickelt, die here to stay ist. Anti-Flag aus Pittsburgh, Pennsylvania, sind seit bald 14 Jahren unterwegs in der guten, klassenkämpferischen, politischen Sache. „This Is The End For You My Friend“ (RCA/Red Ink/Rough Trade) – der Titelsong vom Album FOR BLOOD AND EMPIRE (erschienen in 2006] plus zwei Unveröffentlichte – ist trotz guter, klassenkämpferischer, politischer Absichten einfach so ein Punk-Gebolze, das man sich auch von den Toten Hosen vorstellen könnte. Was haben die eigentlich gemacht in 2006?

In 2005 hauten Bloc Party mit der Veröffentlichung ihres Debütalbums SlLENT ALARM gleich mal im ganz großen Stil auf die Pauke. Das soll auch in 2007 nicht anders werden. Eine Woche bevor das nicht weniger als sensationell zu bezeichnende neue Album A WEEKEND IN THE CITY veröffentlicht wird, erscheint die Single „The Prayer“ Wichita/V2/Rough Tradel. Und die hat’s mal wieder in sich: ethnisches, polyrhythmisches Getrommel, tribales Gesumme, eine Bloc-Party-Hüpf-und-Spring-Melodie, hymnische rockrockende Gitarrenschichten und Soundgimmicks direkt aus dem Spielautomaten. Sensationell, oder?

Bereits in 2006 gab es einige dramatische Veränderungen bei Client. Client A und Client B erweiterten das Line-up um Client E – „E“, verstehst du, zwinkerzwinker. Wobei die Bandmitgliedennnenaddition wahrscheinlich eher optische Gründe hatte als musikalische, weil die Musik bei Client eh aus dem Laptop kommt, bzw. vom Mann hinter dem Vorhang. Dann haben Client noch das Label „Toast Hawaii“ ihres Entdeckers und Mentors Andy Fletcher verlassen, was wiederum die Existenzberechtigung des Labels in Frage stellt, weil Client seit eh und je das einzige Signing auf dem Label des Depeche-Mode-Mannes waren. Aber das ist uns alles freilich ganz egal. „Lights Go Out“ (Out Of Line/SPV) heißt die neue Single auf dem neuen Label, und sie zeigt die Entwicklung der Band vom relativ knackigen, auf den Punkt kommenden Elektropop zu Seguencerflächen-verliebten Humpa-Humpa-Gedöns. Aber die Remixe (Florian Meindl, Basteroid, Spetsnazl sind wieder mal der Wahnsinn.

Wenn einer das Recht hat, seine am 26. Tag in 2007 erscheinende EP „The Return Of The Magnificent“ (BBE/Rapster/Rough Trade) zu nennen, dann ist das wohl DJ Jazzy Jeff. Jazzy Jeff ist eine lebende Legende, der zusammen mit Will Smith als DJ Jazzy Jeff & The Fresh Prince in den 80er-Jahren das Haus gerockt hat. Die neue EP ist der Vorbote des neuen, gleichnamigen Albums, das später in 2007 erscheinen wird. Schöner oldschooliger HipHop, der sich nicht zu schade dafür ist, auf smoothen G-funky Nebenschauplätzen stattzufinden. Und: Das erste „Motherfucker“ kommt auch erst nach 31 Sekunden.

Wenn man nicht ganz genau wüsste, dass dieser Alternative-Hard-Rock-Metal-Post-Grunge-Schmonz von einer Band aus Wales stammt, könnte man glatt glauben, dass die Posen-Rock-Sülze der Lostprophets amerikanischen Ursprungs ist. Aber die amerikanischen Schwanz-Rock-Heinzen sind ja mittlerweile auch schon wieder ein bisschen weiter: Bei Bombast-Schmalz- und Kuschelrock. „Can’t Catch Tomorrow (Good Shoes Won’t Save You This Timel“ (Sony BMG) samt Demo- und Wasweißiichnochalles-Versionen geht in 2007 genauso wenig, wie es in 2006 gegangen wäre. Oder in 2005.

Auch in 2007 bleiben die Grenzen fließend zwischen dem, was man „Intelligent Techno “ und „Intelligent HipHop“ nennen könnte. Der schlagende Beweis für die These: die Split-EP „Detroit Underground Vol. 7 Big Beaver Rd. EP“ (Detroit Underground/Neutonl der beiden Berliner Produzenten Phon.o Vs. Litwinenko. Während Phon.o seine Tracks eher von einem HipHop-Stübchen aus produziert, schraubt und cuttet Litwinenko seine Musik in der Techno-Ecke zusammen. Die beiden treffen sich dann in der Mitte des Raums – an einem Ort. denn man HipHop-Techno nennen könnte. Oder „Crunk .

Es gab bereits in 2006 eine schöne Verfahrensweise von manchen deutschen Vertretungen von Neue-englische-heiße-Scheiß-Bands-Labels, die hoffentlich auch in 2007 fortgesetzt werden wird: Anstatt – wie in England – drei, vier Singles einer Band zu veröffentlichen, kommt irgendwann in Deutschland eine EP, auf der diese drei, vier Single-A-Seiten dann enthalten sind. Die EP „The Pigeon Detectives“ (Dance To The Radio/Cooperative Music/V2/Rough Trade) von The Pigeon Detectives ist eine ausgabenschonende Angelegenheit geworden, weil hier auch die allererste Single („Im Not Sorry“) der Band aus Leeds mit drauf ist, die in England innerhalb eines Vormittags komplett ausverkauft war und jetzt auf Ebay für ein paar 100 Euro angeboten wird. The Pigeon Detectives machen so eine Art Kaiser-Chiefs-Hymnen-Pathos-Pop, der in der Nähe von Fußballstadion-Schlachtgesängen wohnt und im Moment noch schön lodernde Flammmen schlägt. Es ist – verdammt nochmal – Nick „Kaiser Chiefs“ Hodgsons favourite Band, you know.

Da muss man schon sagen: heiliger Bim-Bam! Aus Dundee in Schottland kommen The View (Durchschnittsalter: 18 Jahre – uiuiui], die mit ihrer schön betitelten Single „Wasted Little DJs“ (1965 Records/Red Ink/Rough Trade) ein wahres Punk-ohne-Post-Feuerwerk entfachen. Da fühlt man sich drei Songs lang glatt an die rumpelnde, scheppernde, heisere, rohe Energie der Libertines erinnert. Und ein Fade-Out mitten in einem splitternden Punk-Gitarrensolo hat es auch schon ein paar Spielzeiten lang nicht mehr gegeben. The View wurden übrigens entdeckt vom Libertines-Entdecker James Endeacott. Das wird was geben mit The View. In 2007.