The Strokes: Interview mit Julian Casablancas über „Angles“ – Teil 3


Der neue Musikexpress bietet nicht nur die exklusive Single "Under Cover Of Darkness" der Strokes aus ihrem aktuellen Album "Angles", sondern auch ein Interview mit Julian Casablancas in New York.

Für unsere Titelgeschichte mit The Strokes traf Musikexpress-Redakteur Jörg Harlan Rohleder Strokes-Sänger Julian Casablancas zum Interview in New York. Aber es kommt noch besser: der Ausgabe liegt eine Original 7″ Vinyl Limited Collectors Edition bei – von der Single „Under Cover of Darkness“ mit der B-Seite „You’re So Right“. Dieses exklusive Stück Vinyl ist ausschließlich zusammen mit dem Musikexpress erhältlich. Under Cover Of Darkess ist die Vorabsingle des Strokes-Albums „Angles“, das am 18. März erscheint.

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Das Interview:

In New York trägt man noch immer Röhrenjeans, und Schuld daran sind diese fünf Herren: Seit ihrem Debüt 2001 werden The Strokes als Heilsbringer  des Rock gefeiert. Doch in den vergangenen fünf Jahren hörte man kaum etwas von ihnen – allenfalls von Soloausflügen und einem Sänger, der nicht im Studio auftauchte. Trotzdem ist das neue Album fertig. geworden. Jörg Harlan Rohleder traf Julian Casablancas. New York, ein Café im East Village. Julian Casablancas, ohne Sonnenbrille und erschreckend nüchtern, fragt, ob ich Zucker zum Espresso nehme. „Gerne, Zucker ist gut“, antworte ich. Während ich umrühre, beobachtet mich der 32-jährige Sänger und Songwriter der Strokes aufmerksam. Schließlich sagt er : „Es gibt ein kurzfristiges und ein langfristiges ‚gut‘, unglücklicherweise haben die beiden oftmals nicht viel gemein …“

Sie sprechen über den Zucker, den ich gerade in meinen Espresso gerührt habe?

Ja. Und über andere Substanzen, die im ersten Moment positiv erscheinen mögen, langfristig aber kaum einen Sinn ergeben …

… wie Alkohol oder andere Stimmungsaufheller.

Auch da erinnert man sich nach ein paar Jahren nicht mehr an die großartigen Nächte, sondern nur noch an den Kater am nächsten Tag.

Sie trinken kaum mehr Alkohol, oder?

Nicht mehr so wie früher, ja.

Ihr Hang zu exzessiven Nächten war geradezu legendär.

Wie gesagt: Ich erinnere mich fast nur noch an den Kater am nächsten Tag. Als ich aufgehört habe, so viel zu trinken, dauerte dieser fast ein Jahr. Aber wir hatten Spaß zusammen, zumindest bilde ich mir das ein.

Herr Casablancas, wie fühlt es sich an, wieder Teil der großen Pop-Verwertungsmaschine zu sein?

Wenn die Maschine so geschmeidig tuckert wie heute, geht es mir gut! Kronleuchter in der einen Ecke, die Früchte der harten Arbeit in der Hinterhand. Nein, es geht mir gut. Und der Band auch: Wir sind stärker als jemals zuvor.

Fünf Jahre sind in Ihrem Geschäft eine kleine Ewigkeit: Hatten Sie gar keine Angst, als Band in Vergessenheit zu geraten?

Nicht, seit sie uns vergangenes Jahr für einen ziemlich hohen Betrag als Headliner des Reading Festivals gebucht haben. Obwohl da das neue Album nicht mehr war als eine wünschenswerte Notwendigkeit.

Dieses ist nun tatsächlich fertig, ein gelungenes Comeback. Was würde denn der Is This It-Ca­sablancas von Angles halten?

Er würde sagen: Sei selbstbewusster. Und ich würde antworten: Schieß dich nicht immer so ab, dann kannst du es mehr genießen. Die Mädchen, die ganze Feierei – was hast du davon, wenn du dich danach an nichts mehr erinnerst?

Dabei war das doch Ihr heimliches mission statement: Die Strokes traten an, um den Rock ’n’ Roll zu retten.

Ja, aber es wäre doch auch wünschenswert, sich danach daran zu erinnern. Mir war früher sehr viel egal, wenn ich getrunken hatte. Dementsprechend konnte ich es nicht genügend schätzen.

Fünf Jahre sind vergangen seit dem letzten Album. Warum mussten wir so lange darauf warten?

Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte es nicht so lange gedauert. Ich war bereit. Doch dann mussten meine Bandkollegen erst einmal Soloprojekte verwirklichen.

Woraufhin Sie auch ein Soloalbum veröffent­lich­ten. Eine Retourkutsche?

Es blieb mir ja nichts anderes übrig. Meine Sicht der Dinge hat sich in den vergangenen fünf Jahren extrem gewandelt. Und vielleicht war das notwendig, um wieder zusammenzufinden.

Vielleicht wollten Ihre Freunde einfach einen ihrer eigenen Songs auf einem Album hören?

Sie klingen beinahe so, als hätte ich diesem Anspruch im Weg gestanden.

Immerhin schrieben Sie früher jede Note im Alleingang. Bis hin zu den Gitarrensoli.

Das war dieses Mal nicht so. Deswegen heißt das Album ja auch Angles, jeder sollte seine Ideen einbringen, ich habe mich ein wenig zurückgelehnt und am Ende alle Ideen miteinander verstrickt. Davon habe ich immer geträumt, von Anfang an. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Ja, früher schrieb ich alle Strokes-Songs. Aber nicht, weil ich wie ein Geschmacksdiktator das so wollte. Ich forderte die anderen ständig dazu auf, sich einzubringen. Und was kam? Nichts. Stattdessen nehmen sie Soloalben auf …

… und wurden dadurch selbstbewusster. Wenn man sich Angles anhört, hat sich das gelohnt.

Das mag sein. Und ja, ich bin stolz auf das Ergebnis! Das Album ist ein wenig poppiger als gedacht, dennoch speziell, außergewöhnlich und zeitlos genug. Ich habe das Gefühl, dass sich jetzt die Mühen der vergangenen Jahre ausbezahlen könnten.

Die Musik mag poppiger klingen, Ihre Zeilen durchzieht jedoch nach wie vor ein düsterer Unterton: Die erste Single heißt dementsprechend: „Under The Cover Of Darkness“.

Mich faszinieren seit jeher diese militärischen Fachbegriffe: in Deckung gehen, Schutz suchen in der Dunkelheit. Mehr jedoch noch der Gedanke, sich für Monate zu verabschieden, von den Freunden, seinem Leben, Kindern, seinem Partner. All das zurückzulassen, um ins Ungewisse vorzudringen. Ein sehr intensives Gefühl. 

Eines, das Sie schon in jungen Jahren auf eine gewisse Art kennenlernten, als Ihre Eltern entschieden, Sie auf ein Eliteinternat in der Schweiz zu schicken.

Es war furchtbar dort, furchtbar langweilig. Die Schule an sich war eigentlich nett …

… nett kann auch gut und schlecht sein …

… genau wie Zucker, da haben wir es wieder. Nein, es waren die Mitschüler, mit denen ich nichts anfangen konnte.

Aber dort trafen Sie doch Albert Hammond Jr., Ihren späteren Strokes-Bruder.

Ja, aber mit ihm konnte ich damals auch nichts anfangen. Er war ein paar Jahre jünger als ich, zwei oder so, was damals eine zu große Barriere war. Der einzige Grund, warum ich ihn überhaupt wahrgenommen habe, war die Tatsache, dass er der einzige andere Amerikaner auf der ganzen Schule war. Immerhin war ich der Einzige dort, der nett zu ihm war.

War es eine Entscheidung Ihres Vaters oder Ihrer Mutter, Sie in die Schweiz zu schicken?

Die meines Vaters. Er war ebenfalls dort zur Schule gegangen und fand es toll. Aber wir sind eben ziemlich unterschiedlich. (Pause) Hmm, vielleicht aber auch nicht. (Pause) Ich wuchs bei meiner Mutter auf, es war also eine Entscheidung von ihm, die er aus der Distanz fällte. Meine Mutter war nicht wirklich glücklich darüber. 

Hat er Sie dorthin geschickt, weil Sie schon in jungen Jahren in der Schule dadurch auffielen, dass Sie morgens vor Unterrichtsbeginn Alkohol tranken?

Meiner Mutter war es sehr wichtig, dass ich einen anständigen Abschluss mache. Sie hatte zu jung die Schule verlassen, und dies war ihr einziger großer Wunsch. Es stimmt mich immer noch traurig, dass ich ihr diesen nicht erfüllen konnte. Ich war wirklich schlecht in der Schule.

Immerhin führt die Dwight School, die letzte Schule, die Sie besucht haben, Julian Casablancas als prominenten Alumni auf. An zweiter Stelle, vor Paris Hilton und einem Mitbegründer der Lehmann Brothers.

Das wusste ich nicht. Wahrscheinlich ist es alphabetisch geordnet.

Truman Capote steht weit unter Ihnen.

Oh, das ist interessant. Ich dachte, die Schule sei nicht so alt.

Sie sind in Manhattan aufgewachsen. In Deutschland kennen wir zwei prominente Variationen, die davon erzählen, in New York Teen­ager zu sein. Trinken im Park klingt eher nach „Kids“, Privatschule auf der Upper West Side eher nach „Gossip Girl“.

Meine Jugend war definitiv eher „Kids“ als „Gossip Girl“! Meine Freunde und ich hingen auf der Straße ab, spielten Basketball im Park, das Übliche halt. Wir waren definitiv kein Teil irgendeines Jetsets. Von daher: „Kids“ – auch wenn ich den Film nicht sonderlich mag.

Von der Glitzerwelt Ihres leiblichen Vaters (Gründer der Elite-Model-Agentur – Anm. d. Redaktion) haben Sie weniger mitbekommen als von der Welt, in der sich Ihr Stiefvater, der Maler Sam Adoquei, bewegte?

Absolut. Ohne ihn würde ich heute nicht hier sitzen. Er war der erste Erwachsene, der mir etwas beibringen konnte. Als Kind will man nicht hören, was Eltern und Lehrer einem erzählen. Bei ihm war es anders. Alles, was er sagte, klang für mich so wahr. Jeder Satz machte Sinn. Und das nicht nur im Bereich Kunst, nein. Er war es, der mir die Lektion mitgab, dass nur der, der am härtesten für eine Sache, die er liebt, arbeitet, der Beste sein kann. Das mag banal klingen, und normalerweise verdreht man die Augen, wenn jemand eine solch banale Wahrheit ausspricht, bei ihm jedoch klang es anders. Er war sicher so etwas wie mein Held, jedenfalls ein Vorbild, damals.

War es Ihnen wichtig, für Ihre Leidenschaft auch berühmt zu werden?

Das weiß ich gar nicht. (Pause) Vielleicht mit 16 schon, so wie es sich eben jeder 16-Jährige hinter verschlossener Tür wünscht, berühmt oder einmalig zu sein, anders eben. Ich wollte vor allem gut in dem sein, was ich mache. Und offen gestanden auch davon leben können. Aber es gab keinen Fünfjahresplan oder dergleichen.

Sie sprachen gerade schon von Helden: Welche anderen Helden begleiteten Sie in Ihrer Jugend?

Musikalisch waren sicher Nirvana und Pearl Jam wichtig für mich. Und durch deren Musik entdeckte ich die 80er, Punk, all das.

Was bewegte Sie dazu, ein Instrument zu spielen? Sie hätten auch Ihrem Stiefvater in die Malerei folgen können.

Ich war so gelangweilt in der Schweiz, dass ich bei einem Theaterstück mitmachte. Ich spielte einen Schaffner, eine kleine Rolle. Beim zweiten Stück übernahm ich dann die Hauptrolle in Brechts „Der kaukasische Kreidekreis“.

Sie hätten auch Schauspieler werden können.

Mit 14 fand ich die Schauspielerei tatsächlich spannend, zumindest für ein paar Monate. Mich störte jedoch diese Leere daran. Selbst große Schauspieler wie Marlon Brando konnten diese Leere nicht aufwiegen. Man spielt eben nur die Rolle eines anderen.

Also entschieden Sie sich, lieber die Gitarrensoli für andere zu schreiben?

Nicht auf diesem Album, nein.

Sind Sie eigentlich ein Kontrollfreak?

Heute weniger.

Ein Perfektionist?

Eher.

Denken Sie manchmal zu viel über die Dinge nach?

Durchaus. (lacht) Mir fällt es immer schwer, den Punkt zu erkennen, an dem etwas fertig ist. Aber die Fähigkeit, diesen Punkt zu treffen, ist maßgeblich dafür verantwortlich, ob etwas großartig oder mittelmäßig wird.

Dabei wirkt all das, wofür die Strokes stehen, immer so unfassbar cool, so lässig, fast schon zu abgewichst.

Darum geht es auch: Je härter man für etwas arbeitet, desto leichtfüßiger wirkt es.

Vielleicht war dies das Manko bei First Impres­sions On Earth: Vielleicht haben Sie zu lange daran rumgeschliffen.

Möglich. Wir haben damals versucht, das zu erreichen, wo wir jetzt angekommen sind. Und sind daran gescheitert. Ich wollte die anderen damals schon in den kreativen Prozess einbeziehen, aber es war schier unmöglich, sie zu motivieren. Die Attitüde stimmte nicht.

Problematisch war sicher auch die Tatsache, dass Sie als fünf Freunde angetreten sind und es einen Modus Operandi gab, der sich zuvor bewährt hatte.

Schon, aber ich hatte, wie gesagt, diesen Traum, dass wir uns dorthin entwickeln. Es ging nie ums Geld oder darum, berühmt zu sein. Wir wollten etwas Cooles erschaffen. Zusammen.

Es war sicher nicht gerade einfach, im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit erwachsen zu werden – und darüber hinaus Freunde zu bleiben.

Menschen und Freundschaften verändern sich, egal, ob man in der Öffentlichkeit steht oder nicht.

Als Is This It rauskam, waren Sie und die anderen Strokes Anfang 20, heute sind Sie Anfang 30. 

Dazwischen liegen die zehn Jahre, in denen sich Menschen wahrscheinlich am meisten verändern, in der sich die Persönlichkeiten am meisten entwickeln. Der eine geht immer noch gerne aus und schaut sich Sportübertragungen an, der andere will ständig in den Urlaub fahren, man kennt das ja. Mittlerweile haben wir teilweise einfach anders gelagerte Interessen, hängen mit unterschiedlichen Leute ab, und manchmal wundert man sich über den einen oder anderen Kommentar, den jemand ablässt. Dennoch glaube ich, dass wir heute besser zusammenarbeiten können als jemals zuvor. In einem Büro sind schließlich auch nicht alle die besten Freunde – und trotzdem kann man auf einem professionellen Level hervorragend harmonieren.

Fühlen Sie sich manchmal schon erwachsen?

Es gab diesen einen Moment: Ich spielte mit ein paar Kids in Dänemark Fußball – wir waren im Heimatort meiner Mum –, und ich wollte unbedingt ein wenig kicken, also spielte ich mit den Teenies auf dem Hartplatz. Irgendwann kam mir das jedoch komisch vor – also beendete ich das Ganze, bevor irgendwelche Eltern ankommen und denken könnten, ich sei irgend so ein Typ, der ihren Kindern nachstellt.

Haben Sie jemals ernsthaft daran gedacht, das Experiment The Strokes vorzeitig zu beenden?

Davon halte ich nichts. Warum sollte man eine Band auflösen? Man kann sie auch einfach ruhen lassen. Deswegen ist die Option, sich als Solokünstler zu verwirklichen, auch so spannend: Man will ein T-Shirt ohne Logo drucken oder ein Video unter Wasser drehen? Go for it! Niemand hält einen kreativ zurück. In letzter Konsequenz ist die Band aber genau deshalb so wichtig für mich: weil ich sehr wohl zu schätzen weiß, welches Projekt mir welche Möglichkeiten offenhält. 

In gewisser Weise markieren Is This It der Strokes und die Auflösung der White Stripes Anfang und Ende der Indie-Nullerjahre. Sind die Strokes die letzten Überlebenden der eigenen Revolution?

Es gibt noch viele andere Überlebende, gerade jetzt schneiden wir nicht gerade schlecht ab. Denken Sie nur daran, wer kürzlich den wichtigsten Grammy gewonnen hat: Arcade Fire! Bitte fragen Sie mich jetzt nicht, wer diese Countrytypen waren, die so abgeräumt haben. Ausschlaggebend für mich war der Grammy für Arcade Fire. Seither frage ich mich, ob es tatsächlich eines Tages dazu kommen könnte, das sich Qualität am Ende durchsetzt und nicht der Schrott, mit dem am meisten Geld verdient werden kann, das Zeug eben, das bei iTunes lauthals rausgeschleudert wird. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich habe nichts gegen iTunes, anfangs war es total cool, aber heute geht es nur noch darum, am meisten zu verkaufen. Genau wie früher, als noch Musik lief auf MTV.

Ich dachte immer, YouTube wäre das neue MTV.

Nicht wirklich: Auf YouTube kann man schauen, was man will. Es ist wie MTV in gut.

Aber man muss selbst aktiv sein: Man kann sich nicht berieseln lassen, sondern muss sein eigener Programmdirektor sein, selber filtern.

Entweder das oder abwarten, was die Playlists der anderen für einen rausfiltern. Genau wie in der Musik: Es gibt mehr als jemals zuvor, aber es ist schwieriger geworden, das Gute darunter zu finden.

Was in gewisser Weise Segen und Fluch der digitalen Revolution der Nullerjahre darstellt.

Absolut.

In welcher Weise hat sich Ihre Heimatstadt in der vergangenen Dekade verändert?

Es gibt mehr Starbucks und weniger dunkle Bars als früher!

In vielen Jahrzehnt-Rückschauen war Is This It das wichtigste musikalische Ereignis der Nullerjahre.

Hmm, ja. Und?

Sie wurden als der Heilsbringer des Rock ge­feiert und Is This It als das Album, das New York musikalisch zurück auf die Landkarte brachte.

Ich sage es mal so: Meinetwegen waren wir die Retter des New-York-City-Rock in den Augen von jemandem, der nicht aus New York City kommt. New York ist so groß und so eklektisch, dass wir hier allerhöchstens in einem Viertel als Retter des Rock gelten dürften. (lacht) In anderen Gegenden war etwas anderes mit Sicherheit spannender. Und genau das macht die Schönheit und den Reichtum von New York aus.

In London hieß es, die Libertines sind die Strokes von England, in den Südstaaten hieß es, die Kings of Leon sind die Strokes des Südens … Vielleicht war der Impetus, den die Strokes vorgaben, wichtiger und vor allem größer als die Strokes an sich.

(Pause) Vielleicht haben wir ein paar Bands inspiriert, ihren eigenen Weg zu gehen.

Und eine Horde von Hipstern, Röhrenjeans zu Chucks zu tragen.

So sahen damals alle unsere Freunde aus.

Sie erwähnten gerade die Countryband, die fünf Grammys gewonnen hat: Lady Antebellum. Für deutsche Beobachter eine unbekannte Größe.

Keine Ahnung, wer das ist. Und ich bin Amerikaner. Wahrscheinlich irgendein Trupp, der bei Müttern, die gerne Broadwaymusicals hören, hoch im Kurs steht.

Sind Sie nicht vor weniger als einem Jahr Vater geworden?

Okay, vielleicht sollte ich sagen, bei Großmüttern. (lacht)

Wie gefällt sich denn Ihre Mutter in der neuen Rolle?

Sie ist glücklich.

Und wie geht es Ihnen als Vater?

Genauso! Unser Junge ist fantastisch, geradezu magisch, wirklich das Beste, was mir jemals widerfahren ist.

Fällt es Ihnen leicht, Vater zu sein?

Eine schwierige Frage! Mir fällt jedenfalls auf, wie viele Leute, auch gute Freunde, sich doch ziemlich merkwürdig verhalten, wenn es darum geht, die Rolle als Eltern anzunehmen: das ganze überflüssige Drama, die schlaflosen Nächte, diese ganze Hilflosigkeit, wenn das Kind anfängt zu schreien …

… was sicher an einer Überforderung liegt.

Ja, aber die ist irgendwie auch unnötig. Es geht doch darum, sich auf seine Instinkte zu verlassen: Wenn das Baby schreit, will es entweder essen, frische Windeln, schlafen oder einfach auf den Arm genommen werden. Ich verstehe wirklich nicht, warum so viele Eltern hilflos danebenstehen und zusehen, wie das Baby schreit. Anstatt zu diskutieren, sollte man es einfach mal auf den Arm nehmen. Noch schlimmer sind Eltern, die ihren Kindern gleich einen Stundenplan aufdrücken. Was soll das? Wenn Kinder so jung sind, geht es nicht um ein Curriculum, sondern um Aufmerksamkeit und Vertrauen, denn die bestimmen, wie später das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern wird. Noch kann ich über Eltern lachen, die ihre Kinder aus einer Hilflosigkeit heraus verhätscheln und dennoch keine gesunde Beziehung zu ihnen zustande bekommen. Von daher denke ich schon, dass gewisse Regeln und Formen wichtig sind. Damit meine ich nicht, fies und streng und kalt zu sein, sondern den Kindern das zu geben, was sie brauchen – im Gegensatz zu dem, was sie wollen. Selbstverständlich ist das nicht einfach, und trotzdem hoffe ich, den richtigen Gradmesser zu finden. Geschenke und materielle Erfüllung ersetzen nun mal weder Zuneigung noch echtes Interesse.

Haben Sie jemals daran gedacht, Cal Casa­blancas außerhalb Manhattans großzuziehen?

Darüber haben wir gesprochen, selbstverständlich. Aber, entgegen aller Erwartungen, gibt es auch in Manhattan gute Nachbarschaften, um Kinder großzuziehen. Auch wenn man diese suchen muss.

Fürchten Sie nicht, dass andere Eltern, die nicht um die Untiefen des Lebens wissen, ruhiger schlafen können als Sie?

Wie bitte?

Ist es Fluch oder Segen, dass Sie um die Gefahren wissen, die dort draußen auf Ihren Sohn warten? 

Sie meinen Drogen und dergleichen?

Ja.

Geht es nicht vielmehr darum, frühzeitig eine ehrliche und gesunde Beziehung zum Kind aufzubauen? Dann kann man auch über solche Dinge reden. Wenn man nicht frühzeitig eine gute Basis aufbaut, bringt es mit Sicherheit nichts, einem Kind, wenn es zehn Jahre alt ist, anzufangen zu erklären, warum dies oder jenes gut, schlecht oder wie auch immer ist. Dann ist ohnehin alles verloren. Nehmen Sie meinen Sohn: Er ist noch kein Jahr alt und kann noch nicht sprechen. Und trotzdem lernt er gerade jetzt, wie die Menschen in seinem Umfeld agieren, wie sie sich verhalten, was passiert. All das sind prägende, lebenswichtige Erfahrungen. Den größten Fehler, den Eltern meiner Meinung nach machen, ist, zu glauben, dass man Kinder erst später erziehen muss. Was soll dabei rauskommen? Dann muss man sich nicht wundern, wenn kein Vertrauen herrscht und das Kind denkt: Was willst du eigentlich von mir?

Lesen Sie an gleicher Stelle demnächst den vierten Teil unseres Interviews.