Das Unberührbare. Eines der einflußreichsten Debütalben alter Zeiten. Von den Stooges über Sonic Youth bis zu den Strokes, alle haben sie aus dieser Quelle getrunken. Und es werden täglich mehr. Was war passiert? Ende 1964 trifft Lou Reed, Pop-Songwriter und Rocktyp, der sich für Avantgarde und Abgründiges interessiert, in New York den Exil-Waliser John Cale. Intellektueller mit klassischer Musikausbildung, der sich für Rock interessiert. Bassist Sterling Morrison stößt dazu und Moe Tucker, stilprägende Anti-Schlagzeugerin. Andy Warhol wird Mäzen, drückt ihnen die Eiskönigin Nico aufs Auge – Reed meutert, bekommt aber gottlob seinen Willen nicht -, unterschreibt die Schecks, nennt das „produzieren“. Und hält der Band kraft seines Status den Rücken frei für eine beispiellos radikale Platte. Mit Texten voll ungehörtem Sozialrealismus [DroMärz

gen! Sadomaso!] und Musik zwischen zauberhaftem Pop und Avantgarde-Noise: Reeds Feedback-Arien, Cales sägende Viola, Tuckers hypnotisches Bollern – so was hat die Welt noch nichl gehört. Allen Labels ist das zu heftig, nurVerve, Jazz-Tochter des Giganten MGM, greift zu, verlangt aber eine radiotaugüche Single. Mit Hausproduzent Tom Wilson entsteht „Sunday Morning“, einer der zauberhaftesten Kompromisse der Popgeschichte. Fast ein Jahr nach den ersten Aufnahmen erscheint das Album. Kurz sieht es nach Durchbruch aus, dann: Zerwürfnis mit Warhol. Bockmist bei der Vermarktung; die folgenden Alben verkaufen noch weniger, Ende der 60er sind die Velvets fast vergessen. Später einmal sagt Reed. er habe in den 70ern solo weitergemacht, weil er berühmt werden mufite, damit das Velvets-Zeug wiederveröffentlicht wurde-ein hehrer Antrieb für eine Solo-Karriere. Das Album kam zurück zum Bleiben. Und haut 40[!l Jahre nach seinem Entstehen immer noch Schalter raus. Weltweit, jeden Tag.