Tipps + Hilfe: Wie man als DIY-Band eine Tournee organisiert


Als junge, neue Band will man natürlich schnellstmöglich auf Tournee gehen. Doch ohne Umsicht und gute Planung geht das schnell nach hinten los.

Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf metal-hammer.de veröffentlicht.

Steht man als (nicht nur Nachwuchs-)Band ohne Label, Promoter oder Manager da, gilt es viele Hürden und Probleme selbst zu meistern. Matt Bacon (Dropout Media, Prophecy Productions) und Nate Carson (Drummer von Witch Mountain) geben ausführlich Info darüber, was es alles zu beachten gilt (mit Dank an Metal Injection). Beide sind Profis in Sachen Tournee-Organisation. „Also lasst uns in die Grundlagen eintauchen und die Schlüsselfragen aufgreifen um zu erkennen, ob eure Band bereit für die Herausforderung ist, in den Van zu steigen und einige Shows zu spielen“, eröffnet Bacon.

Woher weiß man, dass man bereit ist, zu touren?

„Es ergibt keinen Sinn, zu touren, solange ihr keine EP oder ein Album veröffentlicht habt und einige Reviews dazu geschrieben wurden“, so Carson. „Damit das passiert, solltet ihr jemanden haben, der sich um die Pressebemusterung kümmert. Wenn ihr in eurer Heimatstadt nicht konstant mindestens 50 Leute bei Auftritten zieht, braucht ihr auch nicht zu glauben, woanders kämen mehr. Dann: Sollten innerhalb der Band irgendwelche Spannungen herrschen, klärt diese, bevor ihr auf eine Tournee geht. Denn gemeinsam auf eine Reise zu gehen mit schlechtem Essen, viel Alkohol, auf dem Boden zu schlafen und wochenlang in einer Blechdose zusammengepfercht zu sein, wird eure Beziehung zueinander aufs Härteste testen.“

Bacon hat dem nicht viel hinzuzufügen. „Rechnet euch nicht zu viel aus, speziell bei den ersten Shows in der Fremde. Egal, wie vorsichtig ihr rechnet – es wird vermutlich immer noch weniger dabei herausspringen. Heutzutage sind so viele Bands unterwegs, besonders in den Großstädten. Ihr befindet euch also jeden Abend im Wettbewerb mit einigen anderen Konzerten, die gleichzeitig stattfinden. Und nur, weil ihr zum Beispiel in San Jose drei Facebook-Freunde habt, werden dort nicht Dutzende Leute zu eurem Konzert kommen.“

Wie legt man sich eine Tournee-Strategie zurecht?

„Wenn man keinen Vermittler hat, muss man viel tun“, beginnt Carson diese zugegebenermaßen schwierige und aufwändige Aufgabe zu erklären. „Am besten ist es, sich mit Bands aus anderen Orten anzufreunden und diese auch zu unterstützen. Heißt: Bringt sie am besten bei euch zu Hause unter, wenn sie bei euch in der Stadt spielen. Dadurch vergrößert ihr den Band-Freundeskreis und ihr könnt auf Hilfe zählen, wenn ihr mal unterwegs seid. Aber geht diese Sache nicht mit Anspruchdenken an, denn niemand ist jederzeit verfügbar.

Im Allgemeinen ist es sehr schwer, eine Antwort von einem Club oder Booker auf seine Mails zu erhalten, wenn sie einen nicht kennen. Daher ist es wichtig, dass man bereits Beziehungen geknüpft hat. Zusätzlich solltet ihr darauf achten, an kleineren Orten die Gigs für das Wochenende zu planen und in den größeren Städten unter der Woche. Und, ganz wichtig: Lernt, was die Begriffe Hold, Challenge und Advancing bedeuten.“

Die Zwölf-Veranstalter-Theorie

Bacon erklärt direkt: „Wenn ein Promoter zu euch sagt, er wird euch einen Abend reservieren, ist das ein Hold. Eure Show ist aber erst bestätigt, wenn das komplette Line-up steht. Somit haben auch andere Bands die Möglichkeit, sich weitere Holds zu sichern. Wenn ausreichend Holds vorhanden sind, beginnt der Challenge-Status. Dann hat man 24 Stunden Zeit, sein Zeug zusammenzupacken und sich seinen Platz im Line-up zu sichern. Schafft man das nicht, ist der Hold verloren. Advancing ist, wenn man etwa einen Monat vor dem geplanten Auftritt an den Veranstalter eine Mail schickt, in welcher man alle wichtigen Details bestätigt und Informationen abfragt, wie beispielsweise Auftrittszeit, Ladebereiche und mögliche Nahrungsversorgung. Erhält man keine Antwort, sollte man mindestens einmal wöchentlich nachhaken.“

Eine andere Möglichkeit ist Bacon zufolge das regionale Wachstumsprinzip. „Ich habe eine Taktik entwickelt, die ich die Zwölf-Veranstalter-Theorie nenne. Diese basiert darauf, dass ihr euch auf 12 Gebiete (inklusive der eigenen Heimat) konzentriert, in denen ihr als Band bekannt werden und wachsen wollt. Spielt jedes Wochenende an zweien davon und fahrt sonntags wieder nach Hause. So spielt ihr über das Jahr konstant Konzerte, ohne zu weit fahren zu müssen und baut euch eine starke Präsenz auf. Als Label-Mitarbeiter bin ich beispielweise VIEL mehr an einer Band interessiert, die im Nordosten regelmäßig 50 Leute zieht als einer, die in sieben Jahren am anderen Ende des Landes ein paar Mal vor 13 Leuten aufgetreten ist.“

Was sind die wichtigsten Schritte beim Booking an einem neuen Ort?

Für unbekannte Bands ist das immer ein Dilemma, erklärt Carson. „Am besten bucht ihr weit im Voraus, aber die meisten Veranstalter geben neun Monate vorab keinen Samstagabend für eine unbekannte Band her. Macht ihr es drei, vier Monate vorher, kann das zu kurzfristig sein. Merkt ihr, dass es zeitlich zu eng wird, solltet ihr es anderswo erneut versuchen. Eine gehetzte Tour wird immer eine schlechte sein.“

Bacon rät dazu, die E-Mail an Organisatoren sehr professionell aussehen zu lassen. „Das macht einen besseren Eindruck. Veranstalter wollen immer, dass alles möglichst komplikationsfrei über die Bühne geht. Wenn ihr Mails schreiben könnt, die genau das vermitteln, wird euch das sehr weiterhelfen. Und euer Verhalten wird sich in der DIY-Szene herumsprechen.“

Wie stellt man sicher, dass die Show gut läuft? Wie kann man die Veranstalter unterstützen?

Hier gibt es viel Grundsätzliches zu erwähnen. Carson zählt auf: „Postet viel auf euren Social Media-Kanälen. Macht Promofotos, erstellt eine aktuelle Band-Biografie, ein Band-Logo. Versorgt die Veranstalter mit dem Material und schickt ihnen auch 45 Tage vor dem Gig Poster zu. Helft ihnen dabei, dass die Leute vor Ort heiß darauf werden, dass ihr ein Konzert geben werdet. Sucht euch jemanden, der sich während der Tournee um die Presse kümmert. Versucht, starke lokale Bands als Support zu bekommen. Seid nett und antwortet schnell auf sämtliche Anfragen.

Selbst wenn Frust aufkommt: Bleibt professionell und cool. Macht euch die Risiken und Erträge vorher bewusst. Rechnet durch, wie viel Prozent von den Ticket-Verkaufserlösen euch zukommen werden und welche Ausgaben auf euch zukommen, bevor ihr überhaupt einen Cent sehen werdet. Versucht auch, mindestens einen Zehner pro Kopf für Versorgung (nur für Band und Crew) und eine Hand voll Getränke-Bons zu bekommen. Falls man das nicht zugesprochen bekommt, könnte es finanziell riskant werden.“

Bacon ergänzt, dass ihr grundsätzlich alles dafür tun solltet, um den Veranstaltern zu helfen. „Zudem solltet ihr regelmäßig in Kontakt mit ihnen bleiben. Ihr wollt schließlich nicht, dass sie euch schnell wieder vergessen und aus Versehen noch eine andere Show für den gleichen Tag buchen! Das passiert öfter, als ihr denkt. Darüber hinaus solltet ihr nie einen Gig als bestätigt ankündigen, solange der VERANSTALTER keine Facebook-Event-Seite erstellt hat.“

Welche sind die größten Fehler, die DIY-Band beim Buchen einer Tournee machen?

„Sehr oft haben Bands den Drang, viel zu früh auf Tournee gehen zu wollen“, beginnt Carson. „In den Achtziger- und Neunziger Jahren konnte man noch einfach in seinen Wagen springen, quer durch das Land fahren und in jedem Keller auftreten. Aber: Damals kostete der Sprit nicht mal ein Drittel des heutigen Preises und ihr verliert all euer Geld, wenn ihr nicht vorab gut plant. Stellt sicher, dass die Leute eure Band kennen, bevor in einem Ort auftretet. Baut euch einen guten Ruf auf, indem ihr cool, nett und vor allem sehr cool und sehr nett seid. Es gibt eine Million Arschlöcher in beschissenen Bands. Seid keine davon.“

Bacon stimmt hundertprozentig zu. „Auf Tour zu sein, ist teuer, und ihr habt weniger Hilfe, als ihr vermutet. Und es gibt mehr Konkurrenz, als ihr denkt. Deswegen rate ich euch noch mal: Beginnt regional. Auch dabei kommt ihr auf den Geschmack, was auf euch zukommen kann, aber ihr müsst weder die Band-Kasse noch die Moral untereinander zu sehr strapazieren. So viele Bands gehen auf Tour, weil sie denken und fühlen, genau das ist es, was sie tun sollen. Aber das zahlt sich sehr selten wirklich aus.“

Als Schlussfazit möchte Bacon aber auch noch mal die positive Seite des Lebens on the road betonen. „Trotz allem: Auf eine Tournee zu gehen, ist auch mordsmäßiger Spaß. Also habt keine Angst, auf eurem Weg ein paar Risiken einzugehen! Wenn ihr mit sorgfältiger Budget-Planung und vorsichtig gesteckten Zielen losgeht, werdet ihr bereit sein für die beste Erfahrung eures Lebens. Macht euch bewusst, dass es sehr lange Zeit dauern kann, eure Band als Liveact zu etablieren und ihr viele harte Nächte durchstehen müsst, bis sich die Dinge ins Gute ändern können. Was Nate und ich mit diesem Beitrag erreichen wollten, ist, wie ihr euch absichern und Desaster vermeiden könnt. Tourt klüger, nicht härter. Es WIRD sich auszahlen.“