Ton, Steine, Scherben – Köln, Luxor


So wie den Rolling Stones niemand ernsthaft den Ruf streitig machen wird, die besten Rock-Opas zu sein, die wir je hatten, sind Ton, Steine, Scherben das einzig ernstzunehmende und sinnvolle Rock-Relikt aus 68er Tagen. Immer noch finden sich grimmige Polit-Freaks in Scherben-Konzerten, die keine“.Kaffeekranz-Musik“ (O-Ton einer Besucherin) wollen und bei „Keine Macht Für Niemand“ mit erhobener Faust für die Weltrevolution trainieren, einem Song, bei dessen Entstehung viele von ihnen gerade den ersten Schulranzen bekamen.

Als es Sänger und Frontmann Rio Reiser an einer Stelle zu bunt wird, sagt er: “ Wir können natürlich auch zwei Stunden lang abwechselnd den, Rauch-Haus-Song‘ und. Keine Macht Für Niemand‘ spielen.“ Aber dafür ist die große Mehrheit der Leute nicht gekommen. Sie wollen die Band sehen, die die Rockmusik in ihrer rohen und puren Essenz so gut beherrscht wie keine zweite Gruppe in der BRD.

Und die Scherben sind nach 15 Jahren heute besser denn je. Nicht nur, daß aus der früher technisch recht amateurhaft wirkenden Gruppe ein musikalisch brillant aufspielender Act geworden ist, auch in puncto Programmgestaltung und Bühnenpräsentation wissen sie, wie man zwei Stunden lang den Spannungsbogen aufrecht erhält. Geschickt mischen sie ihre Klassiker mit neuem Material, polieren Oldies auf und nehmen sich damit selbst auf die Schippe, wenn sie aus der harten „Rauch-Haus“-Hymne eine beinahe a capella gesungene Chor-Nummer machen, nur von Rio am Klavier begleitet.

Gaben sich Ton, Steine, Scherben bei ihrem Comeback vor zwei Jahren politisch betont zurückhaltend – wohl aus Angst, wieder, wie schon in den 70er Jahren, von „der Bewegung“ vereinnahmt zu werden – haben sie mittlerweile ihren Standort als Musikgruppe gefunden und beziehen wieder klare Positionen. Einen Song – mit Klavier und Trompete besonders schön arrangiert – widmen sie den Opfern des 1920 niedergeschlagenen Arbeiteraufstandes.

Und als scharfzüngiger Kommentator des Zeitgeschehens füllt Rio Reiser seine Rolle genauso sicher aus wie als Sänger, der auch die letzten physischen Reserven mobilisiert und stets bis an die Grenzen seiner Kraft geht. Einziges Manko: Es gibt immer noch keine Ton, Steine, Scherben-Live-LP. Warten wir also auf die nächste Tournee…