Uriah Heep am Ende?


Frankfurt, 9. Juni 1974. In der Frankfurter Festhalle sitzen 7000 Rockfans und wollen was erleben für ihr Geld-immerhin 19DM pro Mann. Uriah Heep, Black Oak Arkansas und drei weitere Bands sind angesagt. Aber es gibt weder Musi noch Gaudi. Nach stundenlangem Warten werden die enttäuschten Besucher heimgeschickt. Ein geplantes Wiederholungskonzert findet nicht statt.

Skandal in Deutschland

Wer die Schuld an diesem schwarzen Sonntag trägt, wird jetzt ein Gericht entscheiden. Der Veranstalter von Mama Concerts und der Heep-Manager Gerry Bron beschuldigen sich gegenseitig. Die deutsche Presse jedenfalls hat einmütig einen Dritten gegeißelt: Uriah Heep. Dazu hat die Gruppe bisher geschwiegen. Kein Wort der Entschuldigung, kein Zurückweisen der Vorwürfe. Die fünf flotten Engländer stehen da wie die bösen Buben, als seien sie raffgierig und rücksichtslos gegenüber ihren deutschen Fans, die ihnen schließlich den Durchbruch ermöglicht haben. Wie eine Band, die es vor lauter Arroganz nicht nötig hat, den Mund aufzutun.

Erst jetzt, knapp ein Jahr nach den unglückseligen Vorfällen, meldet sich Ken Hensley, Boß, Komponist und Tastenmann der Uriah Heep zu Wort. Eigentlich wollte er nur sein neues Album vorspielen und dazu rosige Zukunftsperspektiven einer möglichen Solokarriere entwerfen. Aber zuerst will Ken wissen, wie die Stimmung für Uriah Heep in Deutschland liegt. Ken: „Eine deutsche Popzeitung hat uns einen Negativ-Orden verliehen. Können wir uns nochmal nach Deutschland trauen?“

ME: „Man wird Euch natürlich mit einer gewissen Reserve begegnen. Was war damals wirklich los?“ Ken: „Wir haben nicht durchgeblickt. Unser Manager hatte wohl laut Vertrag das Recht, uns die beste Zeit einzuräumen und auch zu bestimmen, in welcher Reihenfolge die anderen auftreten. Darüber hatte er Streit mit dem Veranstalter. Sie konnten sich nicht einigen. So sind die Roadies mit unserer Anlage, die die anderen mitbenutzten, weitergefahren. Aber – die Geschäftsleute haben für uns und nicht durch uns entschieden, daß wir nicht auftreten sollten. Als ich in Frankfurt ankam, war die Anlage schon weg. Alle Gruppen saßen den ganzen Nachmittag im Hotel herum und wollten nichts weiter als spielen. Gefragt hat uns keiner. Das Schlimmste: Auch heute könnte ich solch eine Katastrophe nicht verhindern. Obwohl ich mich im Gegensatz zu früher meinem Manager gegenüber deutlich emanzipiert habe.“

„Wir sind unschuldig“

ME: „Ihr habt 25.000 DM im voraus kassiert, keinen Ton losgelassen und bis heute geschwiegen. Warum 0 “ Ken: „Wir waren unschuldig. Es ist einfach ungerecht, daß wir den Kopf hinhalten sollen.“

ME: „Bassist Gary Thain erlitt im September einen Stromschlag, im Januar verließ er Euch. Es gab viel Krach in Deiner Gruppe, ihr habt nicht mehr miteinander geredet. Du hast über musikalischen Stillstand geklagt. Jetzt habt Ihr mit dem Bassisten John Wetton Euer neuntes Album fertiggestellt. Geht es jetzt wieder bergauf?“ Ken: „Wer weiß. Es ist nicht mehr so wie früher. Ich habe mich immer mehr auf meine eigene Karriere konzentriert. Hier – mein zweites Solo-Album „Eager To Please“. Wenn es mir gelingt, damit Anerkennung als Solo-Künstler zu erringen, steige ich bei Uriah Heep aus. Dann wird ein ganz neues Kapitel in meinem Leben beginnen.“ „Eager To Please“ zeigt den neuen Ken Hensley. Es ist nicht so schwerblütig wie „Proud Words On A Dusty Shelf“. Teilweise wurde es in Los Angeles eingespielt. Die Leichtigkeit und unkomplizierte Dynamik des amerikanischen Westküsten-Rock prägen den Sound. Dazwischengestreut zeigt sich Ken als Meister leiser, freundlicher Balladen. Den Schwermetall-Rock der Uriah Heep ahnt man nur in der Ferne.

Jetzt ist alles drin

Auch privat gibt sich Ken jetzt betont lebensfroh. Lange Zeit war er unausgeglichen, manchmal richtig deprimiert.

Ken: „Mein neuer Stil: Seit Neujahr trinke ich nicht mehr – die Gelbsucht, die ich mir vor drei Jahren in Amerika holte, hat mich immer wieder heimgesucht. Auch andere Sachen sind tabu. Ich stehe morgens um halb neun auf und werfe mich auf die Arbeit. Wenn ich bis mittags kein Stück komponiert habe, gehe ich zum Autorennen. Ich sitze natürlich selbst i“n meinem Dulon Formular Ford 2000. Bei Höchstgeschwindigkeit vergesse ich alle Sorgen und entspanne mich vollkommen.“ Vor Kens schlichtem Eigenheim in der Nähe des Londoner Flughafens parkt sein BMW 30 SI. In Californien grasen derweil zwei teure Pferde und warten darauf, daß Herrchen reiten lernt. „Das kommt bald“, verrät Ken. „Ich verkaufe mein Haus und ziehe richtig aufs Land. Oder nach Californien. Jetzt ist alles drin!'“