Weather Report – Hamburg, CCH


Carlos Santana hat einmal gesagt, daß es für ihn das Höchste sein würde, die Spiel-Intensität von Weather Report zu erreichen. Und in der Tat: was Zawinul, Pastorius, Shorter & Co. live über zweieinhalb Stunden hintereinander an Intensität bieten, grenzt an Zaubereil Konzentriert, sich ihres überragenden technischen Könnens voll bewußt, setzen sie in diesem Konzert einen Höhepunkt an den anderen. Schwierigste Unisono-Läufe von Saxophon, Keyboards und Baß bleiben durchsichtig, verschmelzen, lösen sich in fließende Chorusse auf und finden sich, wie aus dem Nichts kommend, wieder zu tragenden Melodiebögen zusammen. Versteht sich, daß dem Ganzen immer ein swingender, verdammt schwieriger Rhythmus zugrunde liegt, der wirklich spielend, als ob es ein Klacks wäre, von Drums und Percussion (Alejandro Acaua und Manolo Bandrena) fantastisch gebracht wird und die Band nach vorn treibt Weather Report-Musik ist so filigran, daß es tatsächlich viel von der Taqesform des einzelnen, seinem Seelenzustand, abhängt, ob ein Konzert ,nur‘ gelingt, in die Hose geht oder zu einem atemberaubenden Erlebnis wird. In Hamburg war es dieses atemberaubende Erlebnis; die überwiegend sehr jungen Fans feierten WR gebührend. Natürlich fehlte Jaco Pastorius‘ Baß-Solo nicht. Aber es hat nicht mehr die Längen vergangener Jahre, Jaco hat daran gearbeitet. Puritanischen Jazz-Fans ist sein Spiel zu technisiert: Mit Zerrern, Tonverformern, Echo- und Wah-Wah-Geräten holt er verblüffende Töne aus dem Fender-Baß, überspielt sich selbst, läßt ganze Passagen stehen, spielt weitere, neue Melodien darüber. Er verarbeitet Jimi Hendrix-Kompositionen, spielt den Baß nicht nur als Rhythmusinstrument, er greift komplizierteste Gitarren-Harmonien, entlockt dem Baß Ober-Unreihen, schlägt auf dessen Körper Beat-Figuren, die das Endlos-Echo wiedergibt. Von einer Verzückung falle ich in die nächste, denn Drummer Äcumo baut ein Solo auf, für das andere, gute Trommler gewiß acht Füße und Hände benötigen. Doch auch hier ist das technische Vermögen nur Mittel zum Zweck, über dem steht das Solo als Ganzes.

Kopf dieses intelligenten, aber durchaus erdigen und in den Bauch gehenden Jazzrock ist der Österreicher Joe (Josef) Zawinul. Sein Spiel an Synthesizern und E-Piano erscheint sparsam, wild, gezähmt, avantgardistisch, einschmeichelnd und warm. So wie alle Kompositiionen faßbar sind. Zusammengehalten wird die Musik durch das excellente kräftig/durchsichtige Saxophonspiel von Wayne Shorter.

Nach über einhundertfünfzig wie im Fluge vergangenen Minuten kann ich wieder Atem holen, ist die Zauberei zu Ende. Und alle die, die überlegt haben, ob sie nicht mal in eine Weather Report-Platte reinhören sollen, sei empfohlen, sich beim nächsten Mal Zawinul & Co. live anzusehen. Die Entscheidung fällt dann leicht!