Werner Becker: „Erfahrung ist unbezahlbar“


Werner Becker, 32, gehört zu den Vielbeschäftigten auf der deutschen Musikszene. Als Mitglied der Gruppe „Randy Pie“ spielt er die Keyboards, er komponiert, arrangiert und produziert je nach Auftrag für die unterschiedlichsten Leute und Musikrichtungen. Becker besitzt jene Disziplin, in der auch im künstlerischen und scheinbar unplanmäßigen Bereich erst eine erfolgreiche Arbeit möglich wird und entwickelte bisher genügend Ideen, um nicht nur als Handwerker, sondern auch als Macher zu gelten. ME sprach mit ihm während der Vorbereitungen für eine neue Ventura-LP, also eine jener Produktionen, bei denen Becker unter dem Pseudonym Anthony Ventura als Chef eines Studioorchesters agiert.

ME: Wie kommt man in so viele musikalische Sättel?

Becker: Wie ,man‘ kommt, weiß ich nicht. Bei mir begann es mit einer Schriftsetzer-Lehre, danach einem halben Jahr Werbegrafik. Da ich aber schon immer Musik gemacht habe und die Wahl zwischen den beiden Sachen treffen muße, kam ich zur Musik, weil’s da besser lief. Schon während der Ausbildung hatte ich bei den ,Valendras‘ gespielt, dann kamen die ,Studiker‘, da hatte ich arrangieren gelernt.

(Valendras und Studiker waren zwei gefragte Showbands im Hamburger Raum.)

ME: Einfach so arrangieren?

Becker: Na ja, früher hatte ich bereits Klavierunterricht und kannte von daher Noten. Dann kam später die Zeit in der Band hinzu.

ME: Würdest Du Dich als Soundmacher bezeichnen?

Becker: Mehr oder weniger schon. Zumindest als einer, der im Background steht.

ME: Bist Du also für den Sound bei „Randy Pie“ zuständig?

Becker: Nicht ganz. Ich arrangiere zwar und habe die meiste Studioerfahrung. Aber der Sound entsteht erst als Gemeinschaftsleistung, und das ist schwerer, als man denkt. Denn nach getrenntem Üben muß man dann auch auf das hören, was die anderen spielen. Live spielt jeder einzelne zuviel, im Studio ist das etwas anderes.

ME: Was ist eigentlich aus Deinen Gesangsambitionen geworden?

Becker: Im Moment Windstille. Ich hab da aber eine LP mit eigenen Titeln im Auge.

ME: Ist es nicht klüger, weil verkäuflicher, eigene Titel mit bestimmten Standards zu mischen, sagen wir halbe-halbe?

Becker: Das kommt darauf an, wie du das machst. Wenn du eine Marktlücke gefunden hast, kannst du auch mit total Eigenem erfolgreich sein. Seit Jahren komponiere ich, doch es kommt dabei nie das heraus.

was ich mir vorgestellt hatte. Es ist doch ‚was anderes, wenn man selber singt. Was mir außerdem oft nicht gefällt, das klingt vielleicht komisch, ist die deutsche Sprache.

ME: Wie meinst du das? Becker: Wenn ich komponiere, singe ich keine deutschen Worte dazu, sondern irgendwelches sinnloses Zeug mit englischem Charakter. Ohne auf die Story zu achten. Wenn dann deutsche Worte hinzu kommen, geht unheimlich viel verloren, finde ich.

ME: Ist Englisch musikalischer oder liegt es daran, daß es nicht deine Muttersprache ist?

Becker: Beides. Englisch klingt musikalischer und außerdem höre ich nicht auf die Texte, sondern auf den Klang der Sprache.

ME: Nun warst du aber Produzent bei Tine Kemp, Co-Produzent bei Curd Jürgens „60 Jahre und kein bißchen weise“…

Becker: … und auch bei Etta Camerons letzter Single. Andersherum: Produktionen sind Auftragsarbeit. Da klingelt das Telefon und ein Autor oder Verlagsmensch fragt, ob du das machen willst. Das ist etwas ganz anderes, als wenn es um meine eigenen Aufnahmen geht.

ME: Mit wem würdest du denn gern mal arbeiten?

Becker: Ich würde gern mal einen englischen Sänger in Englisch produzieren. Schon wegen der Sprache. Einen Typ wie Rod Stewart zum Beispiel.

ME: Wieso? Becker: Solche Leute arbeiten sehr profihaft. Dabei würde ich gern mal in England arbeiten, um Erfahrungen zu sammeln.

ME: Du warst doch aber drei Jahre beim großen internationalen Verlad Chagpel! exklusiv…

Becker: Ja, und der Verlag hat mir viel gebracht, denn er gab mir die Möglichkeit, zu produzieren, zu experimentieren und eine gewisse finanzielle Sicherheit. Trotzdem wurde drüben kein Titel veröffentlicht. Hier war jeder begeistert, doch der Sprung über den großen Teich fand nicht statt. Um das zu erreichen, muß man, glaube ich, freier sein, das heißt, an keinen Verlag exclusiv gebunden sein.

ME: Bald nachdem du bei Randy Pie eingestiegen bist, ging’s mit der Gruppe aufwärts. Wie erklärst du dir den Erfolg?

Becker: Ich würde sagen, das liegt an den Musikern. Es sind sehr gute Leute, die als Gruppe eine einmalige Kombination in Deutschland darstellen. Dazu kam der aufgepushte Start mit Promotion-Eisenbahnfahrt nach Italien. Das fing schon mal ganz gut an.

ME: Wieso hattet ihr dann mit Jean-Jacques Kravetz einen zweiten Tastenmann?

Becker: Das kam eigentlich durch ein Mißverständnis. Vor der Englandtournee sprach mich James Last be einer Choraufnahme an und sagte, icf könne, wenn ich Zeit hätte, be seinen nächsten LP-Produktioner mitspielen. Davon erzählte ich unse rem Gitarristen Bernie. Der hat nui Angebot verstanden, und bald glaub ten alle, ich wollte weggehen. Die Stimmung auf der Tournee war ganz schön mulmig, bis die Roadies mit etwas steckten. Ich klärte die Sache auf, doch inzwischen hatten die anderen Jean-Jacques schon angesteckt, der direkt von Atlantis kam. Und da er dann da war, überlegten wir: Warum eigentlich nicht?

ME: Wie einigt ihr euch? Becker: Es ist ein Problem, wenn zwei Pianisten zusammen spielen. Denn jeder kann nicht so spielen, wie er gerne möchte, zumindest nicht im Studio. Das heißt, jeder muß etwas zurückstecken.

ME: Gibt es Lösungswege für solche Probleme?

Becker: Wir sprechen in der Gruppe darüber, wie wir auch jedes musikalische Konzept ausdiskutieren. Mit Diplomatie und gutem Willen kommt man schon klar.

ME: Kann für dich das Erfolgsgefühl des Produzenten und Komponisten die Mittelpunktstellung des Gitarristen ausgleichen?

Becker: Ja, denn ich habe keine Ambitionen, ein Weltklasse-Pianist zu werden. Das heißt nicht, daß ich nicht übe! Ich weiß, daß mein Metier woanders liegt.

ME: Unsere Leserpost deutet ein sehr starkes Interesse an deutschen Gruppen und Produktionen an…

Becker: Ich glaube nicht, daß es so groß ist. Warum werden denn die Platten nicht gekauft?

ME: Weil eine Stones- oder Stewart-LP immer noch attraktiver als eine Novalis- oder Triumvirat-Scheibe ist, wenn man einmal im Monat, sagen wir, 16 Mark übrig hat.

Becker: Ich glaube nicht, daß der sogenannte Deutschrock eine Zukunft bei uns hat; es sei denn, der Käufergeschmack würde sich wandeln.

ME: Was muß man können und tun, damit man an deine Position kommt?

Becker: Erst mal muß Talent da sein, das ist klar. Die einzige Möglichkeit, als Arrangeur Erfahrung zu sammeln, ist die Zusammenarbeit mit oder noch besser in einer Band. Das ist unbezahlbar. Ich kann mir nicht über einen Musikerbesteller eine Band in’s Studio holen und ausprobieren, wie das klingt, was ich mir vorgestellt und aufgeschrieben habe. Zum anderen muß man sich darüber klar sein, daß es eine harte Arbeit mit einer soliden handwerklichen Basis ist, die man sich am besten in der Praxis aneignet. Schließlich ist es gut, so viel und verschiedenes wie möglich zu machen, auch wenn Spezialisten in Mode sind. Dann kennt man die Instrumente und kann musikergerecht denken und schreiben.