Westernhagen: Nachlese zur 95er-Affentour


Mit Kinofilm und Live-Soundtrack, Titel: 'Keine Zeit', zieht Westernhagen ins Weihnachtsgeschäft

Dicke Teppiche und blitzblank geputztes Edelholzmobiliar. Gediegene Atmosphäre. Marius Müller-Westernhagen, Deutschlands erfolgreichster Rockstar, bittet zur Audienz in eine Suite des Hamburger Nobelhotels Atlantic. Gerade hat der 47jährige Musiker und Schauspieler die Arbeit an Kinofilm und Live-Soundtrack zur letztjährigen Affentour beendet. Der drahtige Herr mit modischem Ziegenbärtchen und schwarzem Nadelstreifen-Anzug wirkt wie der smarte Chef einer Werbeagentur. Im übertragenen Sinne ist er das schließlich auch – in eigener Sache.

Wie kam der Kontakt zu Donn A. Pennebaker zustande?

Der Kölner Filmproduzent Gerhard Schmidt hatte die Idee, die Affentour zu dokumentieren. Ich war davon zunächst nicht begeistert, da ich ohnehin genug Streß hatte und sagte ihm: Wenn überhaupt jemand diesen Film drehen sollte, dann Pennebaker.

Warum drehte dieser Kultregisseur ausgerechnet mit dem in den USA völlig unbekannten Westernhagen?

Natürlich bin ich davon ausgegangen, daß der das sowieso nicht macht. Deshalb habe ich Pennebaker auch als Regisseur vorgeschlagen, denn so wäre ich leicht aus der Nummer ‚rausgekommen. Aber ich habe die Hartnäckigkeit von Schmidt unterschätzt, der Pennebaker CDs und Interviews von mir geschickt hatte. Einige Zeit später war ich im Urlaub irgendwo in der kalifornischen Wüste, und dort rief mich Pennebaker tatsächlich an. Wir trafen uns dann und waren schnell einig.

Pennebaker zeigt in seinen Filmen vorwiegend Menschen, die sich im Umbruch befinden. Inwiefern war die Affentour für Dich ein Wendepunkt?

Das war mir zunächst selbst auch nicht bewußt, aber auf dieser Tour sind Sachen passiert, die ich nie vorher erlebt habe und die ich nicht für möglich gehalten hätte.

Zum Beispiel?

Daß man eine Band und eine so große Crew unterwegs zu einer perfekt funktionierenden Gemeinschaft zusammenschweißen kann. Die Sorgen, die ich mir im Vorfeld der Tour gemacht hatte, waren unbegründet, es war sehr familiär: Alle hatten Spaß, alle zogen an einem Strang, und die Stimmung war sehr liebevoll. Das Feeling in der Band hat sich aufs Publikum übertragen. Es gab während der Konzerte Publikumsreaktionen, wie ich sie noch nie zuvor erlebt habe.

Filmszenen zeigen dich in der Badewanne, im Bett, nach dem Köln-Konzert sieht man dich gar im Auto weinen. Haben sie dich wenigstens beim Pinkeln in Ruhe gelassen?

(lacht) Da war ich gottlob allein. Penny und seine Frau Chris waren sehr sensibel. Es gab Situationen, etwa die zehn Minuten vor einem Konzert, wo ich sagen konnte: jetzt wäre ich wirklich gern mal für einen Augenblick allein. Und das haben die beiden respektiert. Überhaupt war unsere Zusammenarbeit von gegenseitigem Respekt geprägt.

Du lebst mit deiner Frau Romney in Hamburg. Hat Westemhagen einen Diener, der ihm den Morgenrock bringt? Wer kocht das Frühstücksei?

Nein, alles ganz normal. Wir haben eine Haushälterin, die dreimal die Woche kommt, ansonsten ist alles normal. Romney und ich würden es auch ablehnen, wenn jemand bei uns leben würde, der irgendwelche Dienstbotenfunktionen ausführt. Ich möchte einfach nicht in einer falschen Welt leben. Die Vorstellung, nicht mehr auf die Straße gehen zu können, ist mir ein Graus.

Kannst du dich noch ungestört mit Freunden in einer Kneipe treffen?

Natürlich. Hier in Hamburg sind die Leute relativ reserviert. Wenn man sich normal benimmt, akzeptieren sie das auch. Ich geh‘ ab und zu in die Stadt, setz‘ mich mitten ins Einkaufszentrum und trinke einen Kaffee. Ich brauche solche Situationen auch, um schreiben zu können. Würde ich in einem Vakuum leben, würde ich solche Texte schreiben wie Michael Jackson heute. Nichts gegen Jackson, ein hervorragender Künstler, Riesentalent – aber er lebt inzwischen in einer Scheinwelt.

Was macht Deutschlands erfolgreichster Rockstar mit seinem Geld?

(lacht) Erstens sorgt die deutsche Steuer dafür, daß es nicht zuviel wird. Zweitens würde ich sagen: Das geht niemanden etwas an.

Du hast zehn jähre lang keinen Film mehr gedreht. Warum?

Ich sah damals nicht mehr die Möglichkeit, mich zu entwickeln. Und ich weiß bis heute nicht, ob ich wirklich das Talent habe, ein großer Schauspieler zu sein. Auch weil ich hier nie die Bedingungen dafür vorgefunden habe. Der deutsche Film scheitert immer wieder an seiner Spießigkeit, das geht schon bei der Finanzierung los.

Verfolgt dich die Figur Theo noch?

Überhaupt nicht. Neulich hab‘ ich mit Warner Brothers darüber geredet, ob sie ‚Aufforderung zum Tanz‘ (erster Theo-Film, 1976) auf Video herausbringen möchten. Dabei habe ich herausgefunden, daß heute sehr viele Leute, auch in meinem Publikum, gar nicht wissen, daß ich Filme gedreht habe. Mein Gott, ‚Theo gegen den Rest der Welt‘ ist über fünfzehn Jahre her.

Du hast in der Branche den Ruf, daß mit dir nicht gut Kirschen essen ist …

Ich bin nicht konfliktscheu. Du kommst nur weiter, wenn du Risiken und Konflikte in Kauf nimmst. Der ehemalige Can-Keyboarder Irmin Schmidt hat mir mal gesagt: Marius, wenn du mit der Nase in den Himmel willst, mußt du aufs Hochseil und das Risiko eingehen.

Bist du ein Kontroll-Freak?

Ich möchte stets die höchstmögliche Qualitätsstufe erreichen. Und ich bin ein Perfektionist.