Wir können nur traurig


Melancholie unplugged: Das Album von Portishead-Stimme Beth Gibbons und Talk Talk-Bassist Paul Webb.

Er kann einem Leid tun. 15 Jahre hat Paul Webb kein Interview gegeben, und jetzt lässt ihn Neu-Partnerin Beth Gibbons im Stich. Die hat nach dem ersten gemeinsamen Gig im Londoner Shepherd’s Bush Empire durchgefeiert und lümmelt sich nun bei Tee und Kopfschmerztabletten in der Hotelbar – absolut kommunikationsunfähig. „Sie kriegt ohnehin kein Wort raus, weil sie viel zu schüchtern ist“, erklärt Webb. Also muss er nun alleine ran, um das zu erklären, was weder Portishead– noch Talk Talk-Fans überrascht: die Zusammenarbeit des Romantik-Pop-Pioniers mit der Jane Birkin des Triphop – eine herbe Schönheit mit bleicher Haut und fettigen langen Haaren, die man im wahren Leben locker übersehen würde, die auf der Bühne aber ein unglaubliches Charisma besitzt. Und genau diese Beth hatte Paul vor neun Jahren als Sängerin für sein erstes Post-Talk Talk-Projekt O’rang abgelehnt. „Nicht, weil sie schlecht war, im Gegenteil: Sie hätte ihr Talent verschwendet. Da war sie bei Portishead besser aufgehoben.“

Was Alben wie „Dummy“ (1994) eindrucksvoll unterstreichen.

Doch Webb und Gibbons blieben in Kontakt und machten sich Ende ’98 ans Songwriting, das sich laut Paul hinzog wie Kaugummi, zumal Beth noch nie ohne Loops, Beats und Samples auskommen musste. „Das hat sie ziemlich irritiert. Ich glaube, sie war ein paar Mal davor, alles hinzuwerfen. „Wobei das Fehlen der Elektronik den markantesten Unterschied zu Portishead ausmacht – eingespielt mit Portishead-Musikern wie Adrian Utley, Clive Deamer und John Baggott, ist das Ganze ansonsten gewohnt sphärisch, episch und morbide. Ein sakrales Cabaret noir, das an frühe Velvet Underground erinnert – mit Beth als mystisch-unterkühlter Nico. „Das Album ist sicher nicht zeitgemäß. Aber das macht es für mich so spannend“, erklärt Beth auf ihrer Homepage. „Out Of Season“ sind die Songs in der Tat – zeitlos gut, mit einer sinister-melancholischen Grundstimmung. „Es ist nicht so, als würden Beth und ich absichtlich traurige Songs schreiben „, so Paul grinsend. „Aber sie fallen uns halt wesentlich leichter. Wir haben ein paar Mal versucht, bewusst fröhlich und optimistisch zu klingen. Und das Ergebnis war jedesmal fürchterlich.“ Dann doch besser so. www.bethgibbons.com