Zeitlupe


Mai 1979

Im Mai 1979 intensivierte sich der Cashflow auf Rick Davies’Konto. Während sich die Überweisungen von seiner Plattenfirma zunehmend stauten, musste Davies auch eine Abhebung machen: 100 Dollar, die der Supertramp-Gründer seinem Drummer Bob C. Benberg (alias Bob Siebenberg) schuldete. Der hatte gewettet, das neue Album der Londoner, „Breakfast In America“, werde die amerikanischen Top 10 knacken. Davies hielt dagegen – und verlor. In Europa bereits im März veröffentlicht (Platz 3 in England, Platz 1 in Deutschland), nistete sich das Album am 12. Mai in den USA, wo man auch schon die Mainstream-Wuchtbrumme „Rumours“ (1977) der England-Übersiedler Fleetwood Mac verschlungen hatte, für ganze sechs Wochen an der Spitze der Charts ein.

Charts zum Frühstück Mit ihrem sechsten Album etablieren Supertramp sich als Softrock-Titanen. Und sind endlich „big in America“.

Davies überreichte

Benberg den Hunderter, gerahmt und mit einer Plakette versehen: „Gib den bloß nicht aus, du Ratte!“ Seine Überraschung über den wuchernden Erfolg des sechsten Albums seiner Band dürfte aber doch eher Koketterie gewesen sein. Schließlich hatten Supertramp, in Europa seit „Crime Of The Century“ (1974) eine dicke Nummer, in den letzten Jahren verstärkt den US-Markt beackert (sie lebten mittlerweile in Kalifornien). Den anbiedernden Plattentitel durfte man da ruhig als Empfehlung verstehen.

1969 hatte Davies Supertramp auf Anregung des holländischen Jung-Millionärs und Rockfans Stanley August Miesegaes gegründet, der sie zwei Alben lang sponserte, bevor er das Interesse verlor. Aus artrockigen Anfängen entwickelte die Band über mehrere Umbesetzungen (nur Davies‘ Songwriting-Partner, Gitarrist und Sänger Roger Hodgson war von Anfang an dabei) und fünf Alben hinweg einen gefällig-ohrwurmigen Softrock-Sound (getragen von Piano, Davies’Wurlitzer-Orgel und den kontrastierenden Stimmen von Davies und Hodgson) mit bis zum 77er-AIbum „Even In The Quietest Moments“ noch starken Prog-Ambitionen. Die waren schließlich auf „Breakfast In America“ gänzlich einem eingängig-schunkeligen Folk/Vaudeville-Pop-Rock gewichen, vor dem es im Sommer’79-und in ungezählten Hit-Radio-Nachmittagen seither kein Entrinnen mehr gab. Nicht weniger als vier Hits warf das Album ab, „The Logical Song“,“Goodbye Stranger“, „Take The Long Way Home“ und den Titelsong. Vom Postpunk-Zeitgeist benasrümpft, stand es in unzähligen Haushalten zwischen Cat Stevens, Eagles und E.L.O., Supertramp waren die Könige des AOR-Radio und nun auch in den USA Kandidaten für die großen Stadien. Obwohl sie immer für alles gestanden hatten, wogegen Punk anrannte- pompösen Hochglanz-Pop,dessen Protagonisten in Cabriolets durch L.A. gondelten – hatten Supertramp die punkexplosion Ende der 70er mit nur leichtem Schleudertrauma überstanden und gingen nun in den kommerziellen Overdrive -wie auch eine 7oer-Rock-Großmacht ein paar Etagen höher: Pink Floyds erfolgreichstes Album,“The Wall“, erschien ein halbes Jahr nach „Breakfast“. Und wie bei Floyd war auch bei Supertramp Anfang der 80er Jahre die Luft raus: Auf der gigantischen Tournee (150 Daten allein in den USA) meldete Hodgson „Spirit und Kommunikation innerhalb der Band“ sowie „Freude an der Musik“ als vermisst. Nach einem flachbrüstigen weiteren Album („Famous Last Words“) steuerte er 1982 eine Solokarriere an. Seine Ex-Kollegen supertrampen bis heute weiter. Dabei dürfte die Rente seit Mai 1979 weiß Gott gesichert sein: Über 20 Millionen mal hat sich „Breakfast In America“ seither verkauft.Tendenz weiter steigend.