Zu früh zu viel wissen wollen


Nicht, dass Eskobar unfreundlich wären. Sie wollen ihre Eier nur eben erst ausbrüten, bevor sie darüber reden.

Während man an einem tristen Montagabend durch das zugeschneite Stockholm läuft, überteuerte Pizza isst und unliebsamen Gedanken nachhängt, weiß man zwar schon, dass man irgendwann am nächsten Tag die Band Eskobar treffen wird, ist sich aber noch lange nicht darüber bewusst, dass der so genannte Rock-Journalismus am morgigen Tag völlig neu definiert werden wird. Dienstag, 8:50 Uhr, das Telefon klingelt, die Promoterin der Plattenfirma V2 Schweden ist dran: Eskobar seien bereits auf dem Weg zum Lydmar Hotel, in dessen Lobby man sie gleich sprechen wird. Die Direktive ist unmissverständlich: Nicht frühstücken, stattdessen sofort anziehen und ein Taxi rufen. Ist das noch Rock’n’Roll? Mal sehen.

Daniel Bellqvist (singt), Frederik Zäll (spielt Gitarrel und Robert Birming (spielt Schlagzeug) haben sich gerade Kaffee bestellt, obwohl sie ausgeruht und unverbraucht aussehen und keiner der Drei eine Sonnenbrille braucht. Das neue, dritte Album-, ein Geheimnis. Niemand darf ins Studio, nicht einmal die wichtigsten Mitarbeiter des Labels wüssten bislang, wohin die Reise geht, versichert Bellqvist mit entschuldigender Miene, a thousand last chances wird es heißen, so viel erfahren wir immerhin und zwei Stücke gibt es vorab zu hören. In weiser Voraussicht (über einen Monat später gibt es immer noch nur diese beiden Titel) fragen wir trotzdem mal nach.

„Naja, weint du, die neue Platte wird schon irgendwie eine Mischung unserer ersten beiden Alben werden“, sagt Robert Birming. „Also grob gesagt: Nicht so akustisch wie unsere erste Platte till we re dead, aber auch nicht so elektronisch wie theresonlynow. Im Grunde ist es sogar die erste unserer Platten, die ziemlich genau einfängt, wie wir auch live spielen. Auch das Songwriting und die Texte von Daniel haben sich stark verbessert, finde ich. Sie sind ehrlicher und auch direkter geworden. „

Über weitere Songtitel lasst man sich nichts entlocken, man wisse selbst noch nichts Genaues … Solche Zurückweisung geschieht übrigens keineswegs aus Gründen der Arroganz: Eskobar sind im Gegenteil furchtbar nette und eloquente Gesprächspartner, die sich bloß etwas überrumpelt fühlen, weil da jemand zu einem so frühen Zeitpunkt schon so viel wissen möchte. Macht aber nichts, reden wir eben über die Vergangenheit. In der für Eskobar eine Lücke reserviert war zwischen immensem Erfolg in Schweden [theres only now erklomm den ersten Platz der Charts und“.Someone New“, das Duett mit Heather Nova, gehört zu den kommerziell erfolgreichsten schwedischen Singles überhaupt] und dem unbefriedigenden Dasein einer schwelgerischen und in guten Momenten etwas weltenfernen Pop-Band aus der zweiten Reihe, etwa hierzu Lande oder auch in Großbritannien. „Klar, stimmt schon“, nickt Daniel Bellqvist und rückt den Müsli-Teller zur Seite. „Und auch bei der Sache mit Heather gehörte ja ein wenig Glück dazu. Plattenfirmen sind da ja nicht immer ganz ehrlich.“ Alle grinsen und Robert Birming sagt: „Ich bin mir ziemlich sicher, wie das abgelaufen ist. Die haben Heather Nova gesagt: „Eskobar lieben deine Musik und wollen unbedingt mit dir arbeiten!‘ Und umgekehrt: „Hey, ihr drei, Heather Nova liebt eure Musik und möchte unbedingt mit euch arbeiten!‘ Und so haben wir uns irgendwo in der Mitte getroffen. Aber davon abgesehen: Wir mögen ihre Stimme wirklich sehr gern!“

Egal, wo und wann immer man in Schweden den Fernseher oder das Radio einschaltet: „Someone New“

zu entkommen, ist ziemlich aussichtslos. Neulich hat eine herzensgute Oma Daniel Bellqvist nach einem Konzert gestanden, wieviel ihr das Lied bedeutet. Also, wenn das kein Rock ’n’Roll ist … Während die Zerealien auf dem Frühstückstisch langsam zur Neige gehen, plaudert man noch etwas über all die Dinge, die sonst so passieren hier oben in Schweden, oder schon passiert sind. Europe-Sänger Joey Tempest [„The man, the myth, the hairdo'“, wie Frederik Zäll witzelt) ist längst weggezogen, Kristofer Aström schon wieder im Studio und Bands jüngeren Datums wie Granada oder Paris haben sich gerade erst auf den Weg gemacht. In einem kleinen Plattenladen im Stadtteil Södermalm wünscht man sich Glück und bestaunt die vielen Bootlegs von Jeff Buckley und all den anderen freudlosen Songschreibern. Hier ist noch Platz für Gram und £ Schwermut. Und diese Band lächelt dazu