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Der Teenpop wurde 2002 neu verpackt: Die "Anti-Britneys" eroberten die Welt im Sturm.

„Hier bin ich, Avril Lavigne, das Mädchen, das einfach nur es selbst sein und seine eigene Musik schreiben will. So viele Leute sagen: ‚Wow, wie cool. Und sie zieht sich so anders an.‘ Aber dann gibt es auch all die anderen, die sagen: ,Oh mein Gott, sie ist nur das Produkt der Plattenfirma‘. Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll“

Bla.bla, bla, bla und herzlichen Glückwunsch, uns geht es ja da auch nicht anders. Natürlich war es einbisschen erfrischend, wie rotznasig die Kleine im Video durch das Kaufhaus galoppierte. Wie sie völlig ohne Lampenfieber auf ihren wenigen Deutschland-Gigs Feuerwerke pubertärer Energie abfeuerte. Und erst die Haltung: „Ich lass mich von den Leuten – in der Industrie nicht rumschubsen. Sonst sähe ich wahrscheinlich wie eine zweite Britney Spears aus, aber das bin ich nun mal nicht. „Auch wenn Avril hier irrt. Britney war gestern, und das wussten auch die Rumschubser. Vermutlich trug Pink mit ihrem mutigen Auftreten nicht unwesentlich dazu bei, den Weg für ein neues Lebensgefühl zu bereiteten, das sich genau rechtzeitig zum Niedergang des Teenpop durchsetzte. Dass der Stern von N*SYNC und Britney seinen Zenit überschritten hatte, konnten auch verzweifelte Rettungsversuche wie das zu Recht gefloppte, überflüssige „I Love Rock’n‘ Roll“ nicht verhindern, und so beeilten sich die großen Plattenfirmen, einen neuen Zeitgeist zu bedienen. Wen kümmerte es da, ob MTVs „Best New Artist“ Lavigne aus der kanadischen Kleinstadt Napanee wirklich skaten kann („I suck“), ob sie die Gitarre beherrscht („G-Dur ist mein Lieblingsakkord“) und ob sie all die Songs selbst geschrieben hatte? Professionelle Hitschreiber, das verriet das Booklet ihres millionenfach verkauften Debüts „Let Go“, standen ihr zur Seite. Haarsträubende Zeilen wie „He was a boy, she was a girl -can I make it any more obvious? He was a punk, she did ballet – what more can I say“ hatte der Teenager vermutlich trotzdem selbst verfasst. „Ich will respektiert werden. Ich wackel nicht mit dem Arsch und zieh auch keine Push-up-Bras an!“, verkündete sie „frech“. Die Verpackung als „Skate Punk“ traf den Nerv der Zeit, auch wenn Avril – ein erklärter Fan von Shania Twain und den Dixie Chicks – die eigene Haltung mit Krawatten mit der Aufschrift „Orgasm Donor“ unterwanderte. Als sich vor zwei Jahren der R’n’B im eigenen Silikon-Sumpf festgefahren hatte, zauberte Clive Davis mit Alicia Keys einen „crediblen“ Superstar aus dem Hut, der das Genre mit all seinen geschätzten Konsumenten in eine neue Phase führte: Echtes Talent, konnte man damals überall hören, macht eben einen Unterschied. It’s all just a little bit of history repeating.