Tortoise
TOUCH
International Anthem/Nonesuch (VÖ: 24.10.)
Ein komplexer Strom aus Sounds und Säundchen, aber ist das denn noch Postrock?
Knapp zehn Jahre ist es schon her, dass Tortoise ihre letzte Platte veröffentlichten. THE CATASTROPHIST zählte nicht zu den Platten der Chicagoer Band, die große Begeisterung entfachen konnten. Die einflussreiche Post Rock Band habe den Zug der Zeit verschlafen und trudele etwas belanglos dahin, so lauteten einige Einschätzungen.
Solche Urteile werden TOUCH wohl nicht zukommen, das Album wurde angeregt von Scottie McNiece, Labelmacher der hippen Jazz und Progressive Schmiede International Anthem, und es klingt wie ein Album, das das Beste und das Außergewöhnlichste der Veröffentlichungen des Labels aus den letzten Jahre aufs Tablett bringt. Nenne es niemals Postrock! Jeff Parker, Dan Bitney, Douglas McCombs, John Herndon und John McEntire wollen vor allen Dingen eins, etikettenfrei unterwegs sein.
Ein komplex rauschender Strom der Sounds und Säundchen, die ihrer Entdeckung harren
Frei von Schubladen lässt sich dieses so gern aus Schubladen springende 10 Tracks Werk aber kaum betrachten, es zitiert Spaghetti Western Gitarrenpracht (zur Eröffnung im wilden, wilden „Vexations“), es schlägt die bislang weiteste Flanke ins Techno Spielfeld (unter Beteiligung von glühenden Synthesizern in „Elka“). Bei „Works And Days“ hören wir dann dem Jazz bei der Erkaltung zu, und „Oganesson“, vorab schon veröffentlicht unter anderem in Reworks von Saul Williams und Makaya McCraven, bringt die geduldige Arbeit an der Jazz Fusion sehr vielfältig zutage.
Die „Night Gang“ begleitet ein schwerer, schwebender, hymnischer Soundtrack. Es geht hier alles irgendwie ineinander über, es ist ein komplex rauschender Strom der Sounds und Säundchen, die ihrer Entdeckung harren. Aber egal, wie man es nennt: Das Leben ist besser mit einem neuen Tortoise Album. Touch!
Diese Review erschien zuerst im Musikexpress 11/2025.



