Zaho de Sagazan live in der Berlin Philharmonie: Die Oscar-Performance
Ein cineastisch anmutender Abend, bei dem die Bauchgefühlsklatsche mit Orchester sowie Farb-, Licht- und Schattenspiel gefüttert wird.
Once more mit Orchester: Zaho de Sagazan hat ihr Debütwerk LA SYMPHONIE DES ÉCLAIRS mithilfe eines Sinfonieorchesters neu interpretiert. Doch was für die Singer-Songwriterin eine Art Frischekur ihrer Songs von 2023 ist, wirkt in der Berliner Philharmonie gänzlich unbeeindruckt von jeglichem Zeitstempel.
Filmreif
Grund dafür ist eine filmreife Inszenierung, bei der die Mittzwanzigerin durch alle großen Emotionen führt und dennoch auch die kleinen Zwischenmomente nicht außen vor lässt. So besingt sie die letzte Zigarette mit genauso viel Nachdruck wie die letzte Reise eines Menschen. Es sind eben diese Geschichten, die zeitlos wirken – die mit all der dargebotenen Theatralik in Kombination mit Streich-, Holz-, Blech- und Schlaginstrumenten hineinziehen und sich wie ein Kinofilm im Kopf für später festsetzen.
Kein Electro, dafür Inbrunst
Zaho de Sagazans Darstellungsweise – mal grazil im Engtanz, dann wieder höchst dramatisch in inszenierter körperlicher Auseinandersetzung mit dem Dirigenten oder gar schulterzuckend clownsartig – lässt keine Neutralität zum Geschehen zu. Bitte alles fühlen, gerne komplett überdimensioniert. Dafür geht die Französin mit Überstimme und einer Millennium-Falcon-Gedächtnisfrisur auch mal von ihren Treppenstufen, die an den Weg zum Mikrofon auf der Oscar-Bühne erinnern, hinein ins Publikum. Zwar wird der elektronische Part ihrer sonstigen Liveshows hier streng vernachlässigt, doch dafür schimpft sie mit umso mehr Inbrunst auf Deutsch („scheiße, scheiße“) und zögert auch mal so lange den Beginn eines Chansons hinaus, bis vom Auflachen bis hin zu spürbarer Irritation und Anspannung alles im Publikum hervorgekitzelt ist.
Doppelt „Tristesse“
Bei all der Schauspielerei und dem dazu passenden Stimmungslicht fehlt allerdings ein wenig der Raum für den Gesangs- und Soundausbruch – fürs Zerfasern. Das Orchester bleibt genauso artig im Rahmen, wie die Performance der exakt geplanten Choreografie entspricht. Die Zugabe ist daher kein Track-Nachschlag, sondern eine Wiederholung des bereits Gesehenen. Denn nur das, was im Zuge ihrer „Symphonic Concert“-Tour geprobt wurde, kann auf die Bühne gebracht werden. Immerhin fragt sie – an dieser Stelle einmal aus der artifiziellen Rolle fallend – das Publikum, was es sich wünscht. Die Crowd ruft nach „Tristesse“.
Und Zaho de Sagazan könnte sich wohl keine besseren Mitmusiker:innen wünschen, wie sie selbst zuvor in Interviews betonte und nun erneut auf der Bühne wiederholt. Bei jeder einzelnen Person bedankt sie sich abschließend – und im Gegensatz zu den Academy Awards wird sie hier nicht von einer Rausschmeißermelodie übertönt. Eine Oscar-reife Performance, bei der es die Zuschauenden lediglich durch den Einsatz von Lichtspots mit wirklich großen Schattenmomenten zu tun bekommen.



