ROD STEWARD


Sein Image als Sex-Symbol hänge ihm längst zum Halse heraus. Am wohlsten, so gestand er Sylvie Simmons in seiner Heimat Los Angeles, fühle er sich im Kreis seiner männlichen Freunde

Du wirst eher ernst genommen, wenn du Jeans trägst, meinte Lene Lovich einmal. Wenn das so ist, dann hält sich Rod Stewart an eine uralte Weisheit. Sein T-Shirt sieht aus, als habe er gerade damit die Fenster geputzt. In abgewetzten Jeans räkelt er sich auf dem Teppich im Hause seines Managers, die Teekanne in Reichweite.

Er sieht jünger aus. Bierbauch und Doppelkinn sind einer echten Beverly Hills-Diät zum Opfer gefallen. Er ist so fit, blond und braun wie der klassische kalifornische Surfer Boy. „Je älter du wirst,“ Rod demonstriert einen perfekten Handstand, „desto schwerer wird es. Besonders wenn du zwei Stunden lang über die Bühne rennst und dabei auch noch singen sollst. Das ist Schwerarbeit.“

Es scheint, als habe er vergessen, was er mir bei unserer letzten Begegnung sagte: keine action mehr auf der Bühne. Er wolle sich hinstellen und nur eines tun: Singen.

Rods Gesicht ist rot. Weniger weil er ertappt wurde, sondern weil er so lange kopfgestanden hat. „Ich bin ein verdammter Lügner, das stimmt. Ich bewege mich gern, nur letztes Jahr hatte ich etwas Übergewicht, das war’s. Oder ich hatte gerade so eine Phase, in der ich wollte, daß man meine Musik ganz besonders ernst nimmt. Aber letztlich Finde ich, daß Rock’n’Roll zunächst einmal Spaß ist. Du mußt rausgehen und eineShow draus machen. Du kannst dich vor 12000 Leuten nicht einfach hinstellen und singen, oder?“

Glaubst du, daß man dich inzwischen musikalisch für voll nimmt, oder hast du’s aufgegeben, dir darüber ausreichend den Kopf zu zerbrechen? „Die Leute nehmen mich ernst genug, sonst wäre ich nicht mehr so erfolgreich. Es wäre ganz schön, wenn ich jetzt auch mal ein wenig Anerkennung von Kritikerseite bekäme. Vielleicht gelingt es mir mit dem neuen Album. Denn mein Lebensstil hat meine Songs und meine Stimme immer überschattet. Jeder schreibt natürlich zuerst einmal über meine Kinder, meine Freundinnen oder meine Frau. Da fällt es schwer, die Musik wieder in den Vordergrund zu rücken.“

„Ich glaube, daß viele Leute auch nicht ausschließlich an der Musik interessiert sind. Sie haben die Platte, nehmen sie mit nach Hause, spielen sie und wollen nun wissen, was einen so bewegt. Das ging mir ja selbst so mit Elvis Presley, Otis Redding und anderen Musikern, die mich interessierten. Ich habe ganz gern auch mal einen Blick in ihr Privatleben riskiert.“

Die neue Platte läßt vermuten, daß Rod eher das Leben eines Studenten als das eines Familienvaters führt. Die Titel: „Only A Boy“, „Out With The Boys“, „Sonny“ oder „Young Turks“. Jung? Dieser „Junge“ ist immerhin 35!

„Ich steh auf diese Songs. Das ist auch der einzige Punkt, in dem meine Frau und ich nicht auf der gleichen Wellenlänge liegen. Mein Vater geht immer noch gern runter in die Kneipe, um mit den Jungs einen zu heben. Ich bin genauso, und in dem Punkt streite ich mich auch ständig mit ihr. Sie kann einfach nicht kapieren, daß ich Spaß dran habe, soviel Zeit mit den Jungs in der Band zu verbringen.“

„Weil Männer… ich genieße die Gesellschaft von Männern mehr als, glaube ich, Frauen das untereinander können. Männer können sich zusammen unheimlich gut amüsieren, da gibt’s eben diese Kameradschaft und darum habe ich auch diese Songs geschrieben.“

Er steht schon wieder auf dem Kopf. Im Grunde meines Herzens ist es auch das, was ich machen will. Es kommt ’ne Menge über meine Teenagerjahre darin vor. Verlorene Jugend!“

Balance verloren. Rod fällt auf den Rücken, belohnt sich mit einer Tasse Tee und beklagt sich über die Unfähigkeit der Amerikaner, dieses Zeug anständig zuzubereiten. Eine gute Tasse Tee kann er in ganz Kalifornien auch mit seinem vielen Geld nicht auftreiben. Dafür war er letztens gerade drüben in der alten Heimat, genauer gesagt in Belfast, um „mir ein Fußballspiel anzusehen – meine alte Nationalmannschaft gegen Nordirland“

Seine Frau war bei der Gelegenheit gleich von einer populären Frauenzeitschrift interviewt worden, wobei sie Verständnis für Rods zweite Jugend äußerte. Zumindest erheblich mehr als alle anderen Damen seiner Vergangenheit, die ihm in ihren einschlägigen Biografien anhängten, geizig, schwul und ein Miststück zu sein.

„Ich habe den Artikel nicht gelesen, aber meine Mutter meinte, es sei eine nette Geschichte. Aber um ehrlich zu sein, ist gerade dieser Punkt zur Zeit ein Prüfstein in unserer Ehe, und sie muß das einfach schlucken. Ich werde mich jedenfalls nicht ändern. Meine Frau kommt nicht zu uns ins Studio. Sie steht nicht auf Rock’n’Roll. Sie mag ein paar von meinen langsamen Songs, aber was ihr wirklich gefällt, ist Country & Western-Musik, weil sie aus Texas kommt.“

„Wenn ich mit den Jungs aus der Band zusammen bin, sagt meine Frau: ‚Du hast jetzt fünf Tage mit ihnen im Studio verbracht, warum sollen sie jetzt noch zum Essen rüberkommen?‘ Wenn du fünf oder sechs Stunden im Studio bist, kannst du nicht einfach nach Hause gehen und dich ms Bett legen. Du läufst noch auf Hochtouren, nachdem du einen Track fertig gemacht hast, da hast du anschließend eben das Bedürfnis, mit den anderen irgendwo in einer Bar noch etwas zu trinken, wo wir uns dann gegenseitig auf die Schulter klopfen und erzählen, wie toll wir wieder waren.“

Unter den sieben Musikern, die diesmal mit auf Tournee gehen, sind ein ehemaliger Roadie, ein ex-Tornados-Gitarrist und -Rod hält mitten im Aufsetzen inne, von einer plötzlichen Erkenntnis getroffen „zwei ehemalige Babys und ein Womble!“ (Erinnert Ihr Euch an die Wombles? Diese weißen Plüschwesen, die Popsongs für den Kindergarten sangen?) „Ist das lächerlich! Zwei Babys und ein Womble in der verdammten Rod Stewart Band!“

Der ehemalige Womble („dem ist das so peinlich! Er hat das nur gemacht, um seine Miete bezahlen zu können. Er hat eine Zeitlang unsere Gitarren gestimmt.“) ist Robin Le Mesurier, einer der drei Gitarristen. Der andere Neue ist ex-Babys Wally Stoker, der ex-Babys-Drummer Tony Brook nachgefolgt war. Carmine Appice hat die Band verlassen, um ein Soloalbum zu machen.

„Tony hat auf dem Album sämtliche Drums gespielt, da war es nur gerecht, daß er in die Band aufgenommen wurde.

Und Tatsache ist, daß mich die Jungs deswegen auch ganz schön unter Druck gesetzt haben. Ich glaube, jeder andere Musiker hätte gemerkt, daß er nicht mehr in der Band ist, wenn ein anderer auf der Platte spielt. Aber nicht Carmine Appice in seiner Dickfelligkeit. So wurde er entlassen. Bei den anderen war er nicht sehr beliebt, obwohl ich ganz gut mit ihm klar kam. Aber ich komme mit jedem klar- und das hier ist wirklich ein großartiger Haufen.“

Er hat jetzt ein paar Monate lang Gelegenheit, ununterbrochen mit diesem Haufen zusammen zu sein. Von der Styx’schen Schule des Tourens halt er nicht viel (ein paar Tage unterwegs, dann nach Hause zu Frau und Kindern) . „Ich ziehe nur los krach, peng, polter -und hinterlasse überall im Land Trümmerhaufen. Das macht mir immer noch Spaß. Ich mag Extreme. Frau und Kinder um mich haben und dann für ein paar Wochen lang auf den Putz hauen.“

„Das ist auch der einzige Grund für uns, Platten zu machen, weil wir dann anschließend wieder auf Tournee gehen und einen draufmachen können. Studios mag ich nicht besonders. Und ich verstehe nicht, was einige Leute gegen Tourneen haben. Klar, das ist schon hart – wenn du dabei nicht so lebst wie wir, nur die besten Hotels und so – aber es bringt unheimlich Spaß und du triffst jeden Tag so viele verschiedene Leute, jeden Abend ein anderes Publikum. Ja, irgendwann hast du auch die Nase voll, aber was verdammt nochmal könnte ich sonst schon tun? Wie würde ich sonst mein Geld verdienen ?Ich betrachte das immer unter diesem Aspekt. Wir ändern die Songs ständig um, weil sie uns sonst zum Halse heraushängen. Das heißt „Maggie May“ bring‘ ich immer noch gern. Obwohl wir ständig üben, kann ich mir noch immer nicht den Text merken.“

Um nochmal auf krach, peng und polter zurückzukommen: Folgende Worte waren es nämlich, mit denen Rod die fortgeschrittenen Aufnahmetechniken des jüngsten Albums beschrieb: “ Vorher nur einen Drink, reingegangen und die Songs runtergehämmert. So haben wir es gewöhnlich bei den Faces gemacht. Ein paar Drinks und wham! Sich betrinken. Bei den letzten paar Alben habe ich möglicherweise viel zu viel Wert auf Details gelegt“, gibt er zu.

„Die letzte LP habe ich produziert. Ich dachte, ich versuch’s mal, aber möglicherweise hole ich fürs nächste Mal einen Produzenten, wenn ich einen geeigneten auftreibe. Du bist wirklich in den Arsch gekniffen, wenn du derjenige bist, der entscheidet, was draufbleibt und was nicht. Wir brauchen einen Erwachsenen im Studio, oder es kostet ein verdammtes Vermögen. Ungefähr 140 Dollar die Stunde.“

Warum kaufst du dir dann nicht dein eigenes?

„Daran habe ich bereits gedacht. Nimm die Kosten der letzten beiden Alben und ich hätte jetzt schon eins. Aber das würde nur noch mehr Kopfzerbrechen bedeuten als ich sowieso schon brauchen kann. Noch mehr Probleme.“

FOOLISH BAHAVIOUR war für sein Empfinden so ein Problem-Album. “ Wir haben da alles ausprobiert: Reggae, Ska, alles mögliche. Nur um zu sehen, ob wir’s konnten, aber es ging nicht. So sind wir auf die Dinge zurückgekommen, die wir beherrschen.“

Und er kam auch wieder auf Cover-Versionen zurück, obwohl er während unseres letzten Interviews geschworen hatte, nie wieder eine anzurühren.

„Man muß auch im Stande sein, seine Meinung zu ändern. Was man beim Rock’n’Roll nie vergessen darf, ist, daß es keine Regeln gibt. Und rückblickend auf FOOLISH BEHAVIOUR denke ich mir, daß ich meine Fähigkeiten als Songschreiber in einigen Stücken einfach überstrapaziert habe. Ich bin nicht der geborene Songschreiber.

Für mich ist es das Schlimmste an der Arbeit. Ich hasse es, Songs zu schreiben, besonders die Texte, weil man da zu viel drüber nachdenken muß. Deswegen bin ich auch zu Bernie gegangen (B.Taupin ist Elton Johns alter Partner). Ich hatte es satt, brauchte Unterstützung.

Rods Lieblingssong ist Bernies „Never Give Up A Dream“, gewidmet Terrence Stanley Fox, der mit 23 Jahren an Krebs starb. Er hatte sich vorgenommen nachdem man ihm schon ein Bein amputieren mußte – bei einem Marathon-Lauf durch Kanada Geld für den Krebshilfefond zu sammeln.

„Als ich das im Fernsehen sah, hatte ich wirklich einen Kloß im Hals. Dieser arme Teufel, auf dem Weg durch Kanada, gab noch zwei Tage vor seinem Tod ein so unglaubliches Interview. Er wußte, er wird sterben, weil sich der Krebs schon von seinem Magen aus in die Lungen gefressen hatte. Er lag da in seinem Krankenhausbett und redete über einen Traum. Da hob ich mir wirklich gedacht, sowas nenn‘ ich Tapferkeit. Ich jammere schon, wenn ich mal eine Grippe habe. Sowas gibt dir zu denken.“

Und rechtfertigt offenbar sogar einen Gospelchor für diesen Song. Was hat es denn damit auf sich und vor allem mit dem Kreuz am Ohrring auf dem Schallplattencover? Ist Rod jetzt auch wiedergeboren?

„Nee, nee, nee, den trage ich schon seit Jahren. Ich hatte schon immer was im Ohr, warum also nicht mal ein Kreuz? Obwohl ich nichts, dagegen hätte, wiedergeboren zu werden. Ich merke langsam, daß ich nicht jünger werde.“

Im Ernst? Rod Stewart spürt sein Alter? „Eigentlich nicht. Ich finde, Alter hat nichts mit Rock’n’Roll zu tun, wirklich nicht. Dein Äußeres hat eine Menge damit zu tun, und der Sex Appeal. Aber daran habe ich, glaube ich, überhaupt nicht gedacht, als ich damals Bill Haley sah. Mein Bruder hatte mich ins Konzert mitgenommen, als ich zehn war. Ich bin nicht davon ausgegangen, daß der 33 war, ne Glatze hatte und ziemlich breit um die Hüften war. Das hat mich nicht davon abgehalten, mir seine Musik anzuhören. Die ganze Band hat mich ganz schön angemacht, der ganze Saal hat getobt.“

Aber Bill Haley hat nie „Do You Think I’m Sexy“ gesungen.

„Richtig, der war nie ein Sex-Idol. Aber ich würde nicht sagen, daß ich jemals ein Sex-Idol im klassischen Sinne gewesen bin. Mit der Zeit muß man halt akzeptieren, daß man auf Frauen eine gewisse Anziehungskraft ausübt, finde ich. Nicht auf alle Frauen, aber man kann es nun mal nicht leugnen, und so sagst du dir eben, das ist halt so. Also ich habe nach wie vor eine große Nase und die eine oder andere Macke – eine Menge sogar. Aber irgendetwas muß doch an diesem verletzlichen Persönchen dran sein, was den Mutterinstinkt in den Frauen mobilisiert.“