Falco: Der Kommissar kehrt zurück


1980 fixte er 'Ganz Wien' an. Im Jahr darauf schickte er den 'Kommissar' in die Szene. 'Rock Me Amadeus' machte ihn 1985 zum Überflieger. Doch nur drei Jahre später stürzte der Falke in die Bedeutungslosigkeit ab. Als 'Mann mit dem Koks' aber gelang ihm dieses Jahr das Comeback. Und Anfang '97 erscheint sein neues Album. Grund genug für Falco, wieder abzuheben? ME/Sounds fragte bei ihm nach.

Gars am Kamp. Ungefähr eine Autostunde nördlich von Wien. Hier befindet sich der Horst des Falken. Es ist halb drei Uhr nachmittag. Falco – gewandet in Boxer-Shorts und Polo-Shirt, barfuß und mit Baseball-Käppi auf dem Kopf – öffnet. „Sorry, ich hab‘ verschlafen.“ Jet-Lag. Er ist am Vortag erst aus Kanada angekommen. Mit kleinen Augen aber gut gelaunt führt er uns in sein Heim-Studio. An den Wänden diverse Goldund Platin-Scheiben, über dem Schreibtisch ein Ausriß aus ‚Billboard‘, der belegt, das Falco mit ‚Amadeus‘ drei Wochen lang die US-Charts anführte.

Nach deiner letzten Platte ‚Nachtflug‘ 1992 ist es ja ziemlich ruhig um dich geworden. Was war los?

Nun, meine Plattenfirma denkt nicht in Jahren oder Jahrzehnten, sie denkt in Jahrhunderten. Ähnlich wie die katholische Kirche. Von der Seite gab es also schon mal keinen Druck, etwas zu tun.

Wie bist du dann auf die Idee für den ‚Mann mit dem Koks‘ gekommen?

Ich saß gerade auf der Terrasse und habe mit der Schrotflinte auf Gartenzwerge geschossen, als mich George Glueck (Verleger und Chef von SingSing, die u.a. die H-BlockX unter Vertrag haben — Anm. d. Red.) anrief und sagte, er hätte einen Song, den nur ich singen könnte…

Du bist auf der Terrasse gesessen und hast …

…auf Gartenzwerge geschossen, richtig. Ich hasse Gartenzwerge. Daher stammt auch die Idee für das Video vom ‚Mann mit dem Koks‘.

Warum hast du dich für den Song hinter dem Pseudonym T»MA versteckt?

Nennen wir es nicht verstecken, nennen wir es lieber eine Irreführung des Patienten.

Wie darf man das verstehen?

Ich bin bewußt dem Druck einer NEUEN FALCO-SINGLE entgangen. Und die Kids kennen mich nur als eine Pop-Ikone aus einem anderen Jahrtausend. Aus diesem Grund habe ich auch den ‚Kommissar‘ neu aufgenommen.

Du wärmst deinen Hit aus dem Jahr 1981 auf?

Es handelt sich nicht um einen simplen Remix. Ich habe die Nummer zusammen mit meinem Produzenten Torsten Borger (u.a. Tic Tac Joe — Anm. d. Red.) komplett neu eingespielt. Wer die Nummer kennt, wird sich wundern.

Auf was muß man sich bei deinem neuen Album noch gefaßt machen?

Mehr Songs im Stil von ‚Naked‘? Die Nummer ist ja nun nicht gerade das Maß aller Dinge…

Ich sage „Alles geht heute“. Und Purist war ich nie. ‚Naked‘ ist wirklich nicht der Subtilität letzter Schluß. Wir haben die Nummer eingekauft, den Komponisten kenne ich gar nicht. Für Aufsehen wird aber vor allem die Coverversion des Rio Reiser-Songs ‚Geld‘ sorgen.

Das Feuilleton wird aufheulen, Falco vergreift sich an Rio Reiser…

Unbenommen der Kritik kann ich mich nicht um alles kümmern. Ich hatte leider nie die Gelegenheit, Rio persönlich kennenzulernen. Vor lauter gegenseitiger Berührungsangst hätten wir uns wahrscheinlich auch nie gefunden. Außer vielleicht bei den Sünden des Lebens. Ich muß dazu allerdings sagen, daß ich den Song kurz vor Rios Tod eingespielt habe. Und alle, die Rio kannten und denen ich ‚Geld‘ vorgespielt habe, meinten, Rio hätte lauthals gelacht und die Tantiemen eingesackt.

Falco, der Parade-Hedonist, kokettiert mit dem Parade-Anarchismus eines Rio Reiser?

Hedonist? (lacht) Im Grunde meines Herzens bin ich ja ein Gegenstromschwimmer, ein Anarchist ohne Gewalt. Meine erste Band, Drahdiwaberl, war ja politisch nicht sehr weit entfernt von Ton Steine Scherben. Wir haben auch versucht, uns solange zu verwirklichen, bis wir dann endlich unter unserer Kunst gelitten haben. Ich habe mich dafür entschieden, nicht allzuviel zu leiden

Du bist ja auch ziemlich schnell ins Kommerzlager gewechselt…

Ich war mit Drahdiwaberl im linken Lager. Dann kam ‚Ganz Wien‘ und kurz danach schon der ‚Kommisar‘, mit dem ich über Nacht unglaublichen Erfolg hatte. Ich konnte mir ja keine Salzsäure ins Gesicht schütten, nur um weiterhin von der linken Szene akzeptiert zu sein. Warum hätte ich die Kohle damals nicht nehmen sollen? Ich bin mir sicher, Rio hätte sie auch genommen, fünf Millionen Mark nimmt man eben.

Ein Erfolg, der nicht nur Vorteile mit sich brachte…

Der Erfolg des ‚Kommissars‘ hat mich völlig überrumpelt. Ich bin quasi von irgendeiner Wiener Kellerbühne direkt first class nach Amerika geflogen. Nur habe ich dann gedacht, es wäre Profi-like, die Sache bis zur letzten Konsequenz durchzuziehen.

…und hast dabei gleichzeitig eine Arroganz an den Tag gelegt, die nicht mehr feierlich war.

Was ist schon feierlich? Ich habe versucht, meine unangepaßte Lebenseinstellung beizubehalten und das mündete dann in diese Arroganz. Sie sollte eine zynische Karikatur auf das Establishment sein. Nur leider haben die meisten diese typisch Wiener Art des Sarkasmus nicht verstanden. Meine Art ist es, mich nicht anzubiedem. Was natürlich zur Folge hatte, daß mich viele Leute nicht mögen, was ich auch gar nicht ändern will.

Du hast es ihnen aber auch leicht gemacht.

Klar, Leute, die mich nicht kannten und mich besoffen in Talkshows rumsitzen sahen, konnten mich nicht mögen, weil sie das für bare Münze nahmen. Ich habe ja eine Zeitlang wirklich nur Zeug erzählt, als wäre ich gaga – na und?

Sehr schnell hat es dann auch mit der Trennung des Musikers Hans Holz von der Figur Falco nicht mehr richtig geklappt, oder?

Ich hatte ein schizophrenes Verhältnis zu meiner Karriere. Auf der einen Seite war ich der Musiker, der ernstgenommen werden wollte, auf der anderen Seite habe ich mein Gesicht in einer Dimension verkauft, die sich völlig meiner Kontrolle entzogen hatte. Dieser Widerspruche und das falsche Bild von mir in der Öffentlichkeit haben mir in der Folge sehr zu schaffen gemacht. Ich habe ohne Ende Drogen eingeworfen, bin zum Alkoholiker geworden und war phasenweise psychisch völlig von der Rolle.

Wann kam der Absturz?

Mit einer wirtschaftlichen Fehlentscheidung, die in einer Tournee-Absage endete. 1988 war der totale Tiefpunkt. Ich hatte 86 Kilo und habe zwei Flaschen Whiskey am Tag getrunken. Ich hatte nur noch zwei Möglichkeiten. Entweder mich zu Tode zu trinken oder wieder vernünftig Musik zu machen. Ich habe mich entschlossen, Musik zu machen, ohne Rücksicht auf Konventionen, weil ich glaube Pop-Musik machen zu können, wie sie hierzulande kein anderer macht. Ob man diese Ansicht nun teilt oder nicht.

vom Alkohol bist du aber so einfach nicht weggekommen?

Ich bin ein absoluter Sucht-Typ. Wenn Fußpilz süchtig machen würde, wäre ich der erste Fußpilz-Süchtige. Das Ganze endete irgendwann 1988 nach mehreren Entzügen in einem Sanatorium in Genf, wo ich interessante Leute traf.

Das Publikum wollte in der Zeit ja nichts mehr von dir wissen…

Das ist ja wohl doch maßlos einseitig und übertrieben. Nun, so Sachen wie das Duett mit Brigitte Nielsen (‚Body Next To Body’/i987 -Anm. d. Red.) waren zugegebenermaßen eine Enttäuschung für viele Fans.

Warum hast du es überhaupt gemacht?

Na ja, warum wohl habe ich das gemacht? Ihr toller Gesang kann es ja wohl nicht gewesen sein. Sie trifft ja kaum einen Ton. Dafür hat sie andere Qualitäten… Und die waren mir damals sogar einen Flop wert.

Auch das nachfolgende Album Data de Groove‘ machte ja nicht gerade durch intellektuellen Tiefgang von sich reden …

Doch, gerade dadurch. ‚Data de Groove‘ war im Grunde völlig richtig, nur hätte zu meinen Texten keine Musik stattfinden sollen. Aber ich habe ja für die Figur Falco von Anfag an nichts anderes gemacht, als den einzigen Anzug, den ich zu dieser Zeit hatte, anzuziehen, die Haare unter den Wasserhahn zu halten und eine Sonnebrille aufzusetzten. Da war nicht mehr dahinter. Das hat sich später nicht grundlegend verändert.

Viel Wind um nichts?

Was soll das, ihr habt doch schon einen Bundeskanzler und einen Fußball-Bundestrainer. Mein zukünftiger Schwiegervater (Falco ist derzeit mit dem kanadischen Model Caroline Perron liiert — Anm. d. Red.) hat mich gefragt, was ich beruflich mache. Ich habe gesagt: Ich bin im Pop-Geschäft. Er hat mich gefragt Popcorn oder Popmusik? Pop ist wie Popcorn eine kleine energetische Interaktion, die niemandem schadet, aber ein Ereignis ist.

Jedoch keinen Nährwert hat.

Popmusik muß keinen Nährwert haben. Es gibt auch keinen Grund, Falco und sein Tun als den maßgeblich Verantwortlichen für die Entwicklung des bundesdeutschen Unterhaltungskultur zu protagonieren.

Auch bei meiner Musik geht es weniger um Kalorien denn um Lust und Können. Nur wird das hierzulande nicht akzeptiert, hier wird alles hinterfragt, was ja ganz ok ist, solange man auch das Feuilleton als das sieht, was es sein sollte: Literarisches Handwerk.

Deswegen wanderst du jetzt auch in die Dominikanische Republik aus?

Unter anderem ja, denn Handwerk hat goldenen Boden. Ich bin sogenannter Auslands-Österreicher. Das bringt nebenher klimatische und finanzielle Vorteile. Der eigentliche Grund aber ist, daß ich in den nächsten fünf Jahren Kinder haben möchte und daß ich sie nicht in Europa erziehen will. Die Situation in Europa wird eher schlechter als besser werden, und alle Eltern wollen, daß es ihren Kindern besser geht.

Was kann man dort machen außer den ganzen Tag unter Palmen zu liegen und Cocktails zu trinken?

Skifahren (lacht). Die Frage, was ich in der Karibik mache, stellt sich für mich nicht. Es geht einzig darum, welchen Blödsinn ich in der Zeit hier auslasse. Ich habe hier nichts mehr verloren. Ich bin nur noch in Europa, wenn mich meine Fans haben wollen. Ich möchte meine Kinder mehrsprachig aufwachsen lassen, das ist schon die halbe Schulbildung. Meinen Sohn nenne ich mit Vornamen dann einfach „Diplom-Ingenieur“, das spart enorm Schulkosten.

Denkt man da auch schon mal über das Ende der Karriere nach?

Was haben die Schulkosten meines ungeborenen Sohnes wohl mit dem fiktiven Ende meiner Karriere zu tun? Ganz im Gegenteil, ich mache mir überhaupt keine Gedanken über das Ende meiner Karriere. Ich hatte mit 27 meine Midlife-crisis. Ich fühle mich derzeit fitter als vor zehn Jahren, nicht auszudenken, wenn das so weiter geht.

Die Neunziger stehen im Zeichen von politischer Korrektheit und Bescheidenheit. Nicht gerade Markenzeichen von dir…

Zunächst: Wer behauptet das? Und warum auch? Politically correct wie ich eben bin, habe ich Heike Makatsch für ihre Sendung mit meiner Stretch-Limuosine in Wien herumgefahren und dabei Zigarettenkippen aus dem Autofenster geworfen. Sie hat sich nicht beschwert. Oberhaupt war es für mich ein riesiges Erfolgselebnis, von der ganz jungen Mann- und Frauschaft der neuen deutschen Medienriege so genommen zu werden wie ich bin. Basta.

An Techno, dem entscheidenden Genre der Neunziger, wirst du nicht so leicht vorbeikommen…

Das will ich auch nicht. Die ganzen gelernten analogen Musiker, die Techno als japanische Setzkasten-Übungen abtun, sind für mich zumindest Ignoranten, wenn nicht nostalgische Träumer.

Mit 39 bist du allerdings deutlich älter als die meisten in der Rave-Szene…

Bin ich wirklich 39? Na ja, An 160 Herzschlägen pro Minute ist an sich nichts einzuwenden. Das läßt sich mein geschundener Körper gerade noch abverlangen. Allerdings muß Sie – siehe Yellow Press sich da ein bißchen liebevoll bemühen, was sie – Gott sei Dank – auch noch gerne tut.