Sinnsucher


Nach dem Ende von Queen hat Brian May mit diesem Kapitel seines Daseins abgeschlossen. Nun stellt sich der Gitarrist dem richtigen Leben.

Wo ist diese andere Welt, die Du in den Songs Deines neuen Albums besingst?

Die ist schwierig zu erreichen. Ab und zu finde ich eine Brücke, über die ich dorthin gelange. Aber ich mache alles auf die langsame, schmerzhafte Weise. Ich habe es in meinem Leben nie geschafft, die schwierigen Passagen auszulassen.

Gehörte die Zeit bei Queen auch zu den schwierigen Phasen?

Wenn ich zurückblicke, kommt es mir fast so vor, als wäre ich damals ein anderer Mensch gewesen. Das war zwar auch Brian May, aber ich habe ganz anders gelebt. Das war alles sehr schön und gemütlich. Aber wir waren auch ausgesprochen abenteuerlustig. Das konnten wir auch sein, weil wir ja einander hatten. Wir wußten, wenn einer fällt, dann fallen alle. Das hätten wir nicht schlimm gefunden. Deshalb hatten wir diesen unglaublichen Mut. Wir haben von einer Platte zur nächsten gelebt. Wir fühlten uns sehr frei. Das war einfach wunderbar.

Klar, an Geld hat es Euch ja auch nie gemangelt.

Wir waren sehr verwöhnt. Auf Tourneen konnten wir verlangen, was wir wollten. Wir bekamen einfach alles. Das macht süchtig. Wenn du das nicht mehr hast, dann mußt du erstmal sehen, daß du wieder auf den Boden zurückkommst. Ich fand es danach wirklich schwierig, zu Hause zu sein und nicht mehr zu reisen und auf all diese Annehmlichkeiten und das Sicherheitsnetz zu verzichten. Die Welt ist ganz schön kompliziert, wenn du aus so einem Kokon heraustrittst.

Aber auch während Deines Lebens in dem Kokon sollst Du es lange nicht so wild getrieben haben wie Deine Kollegen.

Mein Problem damit war stets, daß ich immer zu sehr in meinem Kopf lebte. Das mache ich immer noch. Ich bin nie so richtig in das Leben eingetaucht, in dem die anderen sich amüsierten. Ich bin immer einen Schritt zurückgeblieben. Auf eine Art bedaure ich das. Andererseits bin ich dadurch mental einigermaßen gesund geblieben.

Wie meinst Du das?

Wenn man die volle Dosis nimmt, dann kann sie einen leicht aus der Bahn werfen. Wie Jimi Hendrix. Wir verehren ihn alle. Seine Karriere ging ab wie eine Rakete. Aber das hat ihn letztlich getötet.

Da geht es Dir doch richtig gut, oder?

Ich fühle mich auch so oft schon krank genug. Dafür brauche ich keine Drogen. Ich habe auch nie welche genommen. Ich wollte alles bewußt erleben. Ich wollte nicht, daß chemische Substanzen meine Sicht verdunkeln. Die Biochemie in meinem Körper reicht mir. Damit habe ich genug zu tun.

Du singst auf Deiner Platte selbst. Hast Du nicht daran gedacht, Dir einen Sänger ins Studio zu holen?

Ich schreibe lieber Songs als zu singen. Ich spiele gern Gitarre. Aber ich brauche eigentlich nur fünf Minuten für einen Song. Der Rest der Arbeit kostet mich drei Monate.

Hast Du Vorbilder in puncto Gesang?

Lach nicht, aber für mich ist Whitney Houston eine großartige Sängerin. Freddie war auf seine Art auch ein toller Sänger. Aber meine wahren Helden sind Doris Day und Connie Francis. Ich bin mit einem zu guten Gehör geschlagen. Ich hasse es, wenn jemand falsch singt. Das treibt mich in den Wahnsinn.

Vermißt Du die Jungs von Queen?

Auch wenn es angenehm ist, mit dem Namen Queen zu arbeiten, weil man damit offenen Türen einrennt: Ich bin aus dem Projekt rausgewachsen. Es ist angenehm, wenn man nicht mehr alles demokratisch entscheiden muß. Das war stressig. Am Ende hat mich das eine Menge Zeit und Emotionen gekostet.

Jetzt bist Du also erwachsen?

Genau. Ich versuche es zumindest. Das ist wirklich sehr hart. Das Schwierigste sind Beziehungen. Das Thema kommt auch in jedem meiner Songs vor. Und mental gesund zu bleiben – das ist schon schwierig genug. Jetzt bin ich nur noch süchtig nach Astronomie. Vor ein paar Jahren bin ich sogar in die Mongolei gereist, um mir dort die totale Sonnenfinsternis anzusehen.

Bist Du voll ausgerüstet?

Ich habe ein Teleskop, nichts Besonderes. Vor ein paar Jahren habeich das mit der Astronomie noch ernsthafter betrieben. Da habe ich auf dem Teide-Vulkan auf Teneriffa ein Observatorium eingerichtet und meine Doktorarbeit über interplanetarischen Staub im Sonnensystem geschrieben. Das war richtig toll. Jeden Morgen habe ich auf die Wolken unter mir gesehen, und dann ging die Sonne darüber auf. Wunderschön.